Projekt V-JX

Jojo26

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Prolog ...

„Cooles Projekt - ich bin dabei!“ war die spontane Reaktion als ich Mario von der Idee einer neuen F3F-Tragfläche erzählte und ihn fragte, ob er mit einsteigen will.

Da hatten sich zwei gefunden: Mario, der Allround-Ingenieur-Werkstattmeister-Pilot und ich, Jochen, der softwareentwickelnde Aerodynamiker. Innerhalb kürzester Zeit flogen die Emails nur so hin- du her. Sollte die Ruderlinie noch 0,1 Grad nach vorne? Die Flächenspitze einen Hauch schlanker? Plexiglas oder Alu? Der morgendliche E-Mail-Austausch wurde über Monate zu einem kleinen Ritual zwischen uns beiden …

Für mich geht mit diesem Projekt auch ein kleiner Traum in Erfüllung. Nachdem ich die letzten Jahre versucht hatte, mit Holz und einigem CFK-Einsatz an die Grenzen des „klassischen“ Tragflügelbaus zu kommen, war mir am Ende klar, dass ich auf diese Weise nicht die Leistungsfähigkeit der entwickelten Profile wirklich verifizieren konnte. Deshalb sollten es zumindest einmal in Negativen gebaute CFK-Flächen sein! Nur – solche Flächen sind eine andere Hausnummer in Sachen Knowhow und Aufwand. Ohne Partner wäre es für mich nicht zu schaffen gewesen. Und so kam ich zu Mario.

Ein kleines Problem gab es ganz zu Beginn. Wie sollte das Projekt heißen? Da wir Schritt für Schritt vorgehen und zunächst nur Tragflächen erstellen wollten, kam ein eigenständige Name nicht in Frage. Schnell einigten wir uns daher auf ein eher sperriges „V-JX“. Dabei steht „V“ für Mario (User Vanquish) und „JX“ für Jochen (mit Xoptfoil).

Zum Zeitpunkt dieses Berichts ist gerade Fläche #2 aus den Formen „gehüpft“, mit der dann ausführliche Flugtests gemacht werden sollen. Der geneigte Leser kann daher mit uns noch „Wetten“ abgeben, ob und wie gut sich „V-JX“ in der Luft bewähren wird . 😉

Mit diesem Bericht wollen wir eine „Full Stack-Beschreibung“ machen – also vom aerodynamischen Entwurf bis zum finalen Bau der Flächen aus den Formen. Vielleicht wird später noch das Leitwerk und der Rumpf dazu kommen … Soweit möglich werden wir die Berechnungen und Pläne „Open Source“ zur Verfügung stellen und damit auch zu einer angeregten Diskussion einladen, bei der wir am Ende alle hoffentlich wieder ein bissle g’scheiter sein werden.

Diesen längeren, mehrteiligen Bericht werde ich mit der aerodynamischen Auslegung starten, um dann an Mario zu übergeben, der die Konstruktion und den Bau beschreibt.

Wir hoffen, dass mit diesem Bericht vielleicht ein wenig von der Begeisterung überspringt, die uns bei unserem High-Tech-Projekt getrieben hat. Dabei wollen wir versuchen, Einsteiger mit nicht zu viel Details abzuhängen – gleichzeitig für den Profi vielleicht doch noch das ein oder andere Interessante dabei zu haben…

Wir starten mit Staffel 1 (Tragfläche), Teil 1.
Viel Vergnügen!

Jochen & Mario




Tragfläche - Auslegung - Teil 1


V-JX_Tragfläche.png


Vorbemerkungen zur Vorgehensweise

Die Vorgehensweise bei V-JX ist für den Entwurf eines neuen Modells eher untypisch.

Am Anfang stand der Profilstrak JX-GS, der zwar speziell für F3F entwickelt wurde, dem aber kein spezifisches Modelldesign zu Grunde lag. Im Lauf der Zeit reiften allerdings die Gedanken, wie eine für diesen Profil-Strak optimale Tragfläche aussehen sollte. Woraus schließlich ein erster Flächenentwurf entstand.

Da möglichst früh ein „proof of concept“ dieses Tragflächenentwurfs erfolgen sollte, kam der Komplettentwurf eines neuen Modells nicht in Frage. Vielmehr sollte mit einem „Versuchsträger“ die neue Fläche möglichst schnell in die Luft, um ihre Leistungsfähigkeit zu testen.

Wir entschieden uns für den „Vantage“, Marios aktuellen Entwurf für F3F/F3B. Die Entstehungsgeschichte des Vantage ist auf RC-Network beschrieben beschrieben, viele Bilder und weitere Informationen sind hier zu finden. Der Vantage hat Gardemaße eines aktuellen F3F-Modells, wodurch Rumpf und Leitwerk sehr gut geeignet sind, mit einem neuen Tragflächen-Modul ausgerüstet zu werden, um dann die Eigenschaften von V-JX – auch im Vergleich - zu evaluieren.

Eigentlich ist bei der Entwicklung eines neuen Flugzeugs eine solche getrennte Betrachtung der einzelnen Komponenten Tragfläche, Leitwerk und Rumpf gefährlich. Zu komplex ist das wechselseitige Zusammenspiel als dass man dadurch einen optimierten Gesamtentwurf erreichen könnte. Auf der anderen Seite hat sich in den vergangenen 30 Jahren mit unzähligen leistungsstarken Entwürfen, ein schmaler Design-Korridor herauskristallisiert, wie ein optimales Modell für die F3F-Flugaufgabe aussehen sollte.

Auch wenn man durch eine getrennte Betrachtung vielleicht das letzte Quäntchen an Verbesserung nicht erreichen kann, vereinfacht das Vorgehen im Sinn von „Separation of Concerns“ der einzelnen Komponenten die Gesamtentwicklung ungemein. Solange man sich dabei in dem beschriebenen Design-Korridor bewegt, ist die Wahrscheinlichkeit eines „Fehlentwurfs“ relativ gering…

Separation.png


Ein weiterer Aspekt bzw. Richtschnur für die aerodynamische Auslegung einschließlich des Profilstraks war: Wo immer möglich und sinnvoll, wurde eine eher defensive Lösung mit einem „breiten Optimum“ der Vorzug vor einem Ausreizen in einem schmalen Bereich gegeben.

Optimum.png

Die Gefahr unter Wettkampf-Flugbedingungen den „Sweet Spot“ eines schmalen Optimums nicht zu treffen und damit deutliche Leistungseinbußen hinnehmen zu müssen, überwiegt bei weitem Aussicht auf minimale Gewinne gegenüber einer Lösung mit breitem Optimum.

Die nachfolgende Beschreibung der aerodynamischen Auslegung ist zur besseren Lesbarkeit sehr stark sequenziell ausgeführt. In Wirklichkeit fanden immer auch wieder Iterationen mit vorgehenden Auslegungsschritten statt. Auf das beschriebene grundsätzliche Vorgehen haben diese Iterationen keinen Einfluss.


Auslegungsziele

„Ganz schön verwegen“ könnte man sagen. In der Runde exzellenter und ausgereifter F3F-Modelle wie den Freestylers, Pitbulls, Shintos, Vantage und den zahlreichen weiteren Top-Modellen mitmischen zu wollen. Am Ende noch „besser“ zu sein!

Der Schlüssel liegt sicher darin, dass es bei den aktuellen Top-Modellen kein eindimensionales „Besser“ mehr geben kann. Jedes Modell ist für sich gesehen praktisch nicht mehr zu toppen.

Der Unterschied liegt in den spezifischen Eigenschaften der Modelle, die in ihrer Summe ausschlaggebend sind, ob ein Pilot unter bestimmten Bedingungen ein für ihn „optimales Gerät“ steuert.

Das Eigenschaftsprofil von V-JX wurde folgendermaßen definiert, wobei die vergleichende Einstufung zwischen o (=schwach) und ooooo (=top) erfolgt.

- Geschwindigkeitsbereich bzw. F3F-Zeiten____________________________________________________________________
Über 50s​
OOO
40s – 50s​
OOOO
unter 40s​
OOOOO
- Minimaler KurvenradiusOOO
- Kurvengeschwindigkeit OOOOO
- Wendigkeit OOOOO
- Flugstabilität OOOO
- Gutmütigkeit OOOOO
- Geringeres Grundgewicht, BallastierungOOOO

Oder umgangssprachlicher: „Wenn’s gut trägt, soll es ein schneller, wendiger zugleich gutmütiger Kracher werden …“

Das Ziel war gesetzt. Nun ran an’s Werk! 😉


Eckdaten

Da die Fläche zunächst an einem Vantage-Rumpf evaluiert werden sollte, ist die Flächentiefe an der Wurzel mit 230mm vorgegeben, was auch ein guter Mittelwert ist. Praktisch alle aktuellen F3F-Modelle bewegen sich hier in einem Bereich zwischen 225 – 235mm.

Da „Wendigkeit“ eins der wichtigen Auslegungsziele ist, wurde die Halbspannweite auf 1450mm festgelegt – mit Rumpf ergibt das eine Gesamtspannweite von ca. 2930mm. Dieser Wert ist im Vergleich eher am unteren Ende.

Off topic: Vielleicht noch wichtiger war bei der Festlegung der Spannweite, dass die Fläche ohne Verschieben des Beifahrersitzes gerade noch in den Kofferraum passt.

Flächeninhalt und damit Streckung ergeben sich dann durch die Festlegung der Tiefenverteilung in einem der nächsten Schritte.


Profilstrak JX-GS

JX-GS-15.png


Die Entwicklung des JX-GS-Straks erfolgte in mehreren Iterationen und ist ausführlich in Entwicklung eines F3F-Profils beschrieben. Das Beitrags-Thema ist auch auf Grund der zahlreichen Diskussionsbeiträge zu einem tollen Fundus für Fragen rund um Profilentwicklung geworden. In dem Thema findet sich auch eine weitergehende Beschreibung des Straks inklusive verschiedener Polare.

Daher an dieser Stelle nur eine kurze Zusammenfassung von JX-GS:
  • Schnelles Hangflugprofil – speziell für F3F
  • Designziel: „Robustheit“ bei den turbulenten Strömungsverhältnissen am Hang
  • Ausgeprägtes Klappenprofil mit geringer Grundwölbung: Speedstellung bei 0 Grad, schnelles Gleiten mit 0,5 – 1 Grad Klappenposition
  • Die Profile sind „synthetisch“ – sie entstanden „maschinell“ mit Xopfoil-JX.
Die Bezeichnung der einzelnen Profile gibt einen Hinweis auf derer optimale Einsatzbedingung: Die Zahl „15“ des Grundprofils JX-GS-15 steht für Re√cl = 150.000 – also der Polare konstanten Auftriebs mit einem Wert von 150.000. Mit der vereinfachten Formel …

Re√cl = 900 * t * √FB (mit t= Flächentiefe in cm, FB = Flächenbelastung in g/dm²)

… lässt sich zum einen schön hin und her rechnen, zum anderen zeigt die Formel, dass der Wert von Re√cl proportional zur Flächentiefe ist.

Dadurch kann man einfach die Position eines weiteren Strak-Profils finden: Wenn wir das Grundprofil JX-GS-15 an der Tragflächenwurzel mit 23cm einsetzen, würde das nächste Strak-Profil JX-GS-10 bei einer Flächentiefe 23cm x 10/15 = 15,3cm zum Einsatz kommen… Geschickt!

Zeichnet man die einzelnen Profile solchermaßen mit ihrer „optimalen Tiefe“, erkennt man den recht weiten Tiefenbereich, der mit diesem Strak abgedeckt
JX-GS-Strak_maßstäblich.png


Im nächsten Teil starten wir dann mit dem wohl wichtigsten Teil des Flächenentwurfs, der Tiefenverteilung...
 

Jojo26

User
(Vielen Dank für die 👍 Das ist eine willkommene Vitaminspritze bei der ganzen Maler- und Schreiberei...)


Tragfläche - Auslegung - Teil 2


Tiefenverteilung der Tragfläche

Neben der Profilierung hat die (Flächen-)Tiefenverteilung den größten Einfluss auf die Eigenschaften der Tragfläche. Sie bestimmt maßgeblich
  • die Auftriebsverteilung und damit den induzierten Widerstand insbesondere bei höheren Auftriebsbeiwerten
  • die Auftriebsreserven im Außenflügel für ein gutmütiges Verhalten im Grenzbereich
Dummerweise stehen beide Eigenschaften in „Konkurrenz, so dass es gilt entsprechend des Anforderungsprofils ein Optimum zu finden. Da das Finden dieses individuellen Optimums die wohl wichtigste Designaufgabe beim Tragflächenentwurf ist, soll nachfolgend ausführlicher darauf eingegangen werden.

Wer noch nicht ganz „trittfest“ in Sachen induzierter Widerstand und Auftriebsverteilung ist, findet im RCN-Wiki einen guten Einstieg. Nachfolgend werden diese Grundlagen vorausgesetzt.


Induzierter Widerstand – elliptische Auftriebsverteilung

Da der induzierte Widerstand im Quadrat zum Auftriebsbeiwert wächst, bestimmt er (nur) bei hohen Auftriebswerten den Gesamtwiderstand der Tragfläche. Bei der F3F-Flugaufgabe ist das der kurze, aber entscheidende Abschnitt der Wende, die typischerweise mit einem Cl zwischen 0,6 bis 0,8 geflogen wird (siehe hierzu auch die Ergebnisse der Flugvermessung F3F ).

Widerstandsanteile_Tragfläche.png

Soll als Optimierungsziel der induzierte Widerstand (und damit der Gesamtwiderstand) in den Wenden reduziert werden, sollte unsere Fläche eine elliptische Auftriebsverteilung, die in erster Näherung einer elliptische Tiefenverteilung entspricht, bekommen.

Wie groß wäre das Potenzial einer solchen Optimierung hinsichtlich des induzierten Widerstands?

Die Grafik vergleicht zwei Flächen, einmal mit elliptischer und einmal mit „ziemlich elliptische“ (= leicht überelliptischen) Tiefenverteilung, wie sie zum Beispiel V-JX hat:

Widerstand_V-JX_vs_elliptisch.png

Die errechnete mögliche Verbesserung durch eine streng elliptische Tiefenverteilung von ca. 1,0% bei Cl=0.8 ist ein durchaus typischer Wert. Diesen Wert sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn es später um die Diskussion der notwendigen Auftriebsreserven im Außenflügel geht.

Bemerkenswert ist der leicht verbesserte Widerstand der überelliptischen Tragfläche bei niedrigen Cl-Werten. Ohne es weiter verifiziert zu haben, vermute ich hierfür die durchgängig höheren Re-Zahlen und damit geringeren Profil cd-Werten bei einer „fülligeren“ überelliptischen Tragfläche.


Was tun mit der äußersten Flächenspitze?

Bevor wir uns der Auftriebsverteilung und den Auftriebsreserven zuwenden, eine kurze Betrachtung der äußersten Flächenspitze, also der letzten 2-5 Zentimeter.

Lange Zeit haderte ich mit den typischen „Artefakten“ von Auftrieb- und Widerstandswerten an der Flächenspitze…

Flächenspitze_Artefakte.png

… und versuchte erfolglos ihnen Herr zu werden. An der Flächenspitze wird es speziell:

  • auf Grund der sehr geringen Flächentiefe gehen die Re-Zahlen bis weit unter 50.000. In diesem Bereich der sehr niedrigen Re-Zahlen versagen zunehmend die Berechnungsverfahren, wie sie in Xflr5 oder Flz_vortex implementiert sind. Die errechneten Ergebnisse sind sehr „fragwürdig“.
  • Durch die Ausgleichsströmung zwischen Unter- und Oberseite kommen starke 3-dimensionale Effekte (Querströmung) ins Spiel, die durch unsere einfache Berechnungsverfahren nicht erfasst werden können.
Was also tun? Ich entscheide mich für die einfachste Lösung: „Ignorieren! Das wird schon funktionieren…“. In den folgenden Betrachtungen werden also die letzten Zentimeter der Tragfläche außen vorgelassen. Die Form des Randbogens wird später nur nach rein optischen Gesichtspunkten ausgeprägt.


Tiefenverteilung - Auftrieb und Auftriebsreserven

Nach der Betrachtung des Widerstands der Tragfläche geht es nun an die Auftriebsverteilung entlang der Tragfläche. Zwei Hauptziele werden dabei verfolgt:
  • Ein möglichst gleichmäßiger, konstanter Verlauf des lokalen Auftriebsbeiwerts mit einer leichten Erhöhung hin zu Flächenmitte
  • Ein Abreißen der Strömung bei hohen Anstellwinkeln sollte zunächst innen erfolgen, um „Abschmiertendenzen“ zu vermeiden. Andersherum: Das letzte Drittel sollte gewisse Auftriebsreserven besitzen.
Der lokale Auftriebsbeiwert und alpha-max wird beeinflusst durch
  • das Profil …
  • der lokalen Flächentiefe und damit der Re-Zahl
  • dem effektiven lokalen Anstellwinkel als Summe von Anstellwinkel der Fläche und induziertem Anstellwinkel (welcher negativ ist)
Beim Einfluss des Profils soll ein kurzer Brückenschlag zum Profilstrak gemacht werden. Ein guter Strak zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Profile zur Flächenspitze hin, also bei kleiner werdenden Re-Zahl, das alpha-max des Innenprofils einigermaßen mitgehen können:

Strakprofil_niedere_Re-Zahlen.png

Solchermaßen gerüstet kann es nun an die Arbeit in Flz_vortex gehen, das besser als Xflr5 für diesen Arbeitsschritt geeignet ist. Es geht los mit den Grundmaßen, Wurzeltiefe und Spannweite, und einer elliptischen Tiefenverteilung…

Mein Vorgehen beim Flächendesign mit Flz_vortex ist dann
  • gerade, horizontale Hinterkante (Bezugslinie der Pfeilung 100%)
  • nicht zu viele (Aufwand), nicht zu wenige (Genauigkeit) Segmente. Breite zur Flächenspitze abnehmend
  • die inneren 2 Segmente sind so breit wie die (später betrachtete) Wölbklappe
  • die rechte Flächenhälfte ist die Referenzfläche (z.B. elliptische Tiefenverteilung), an der linken Fläche wird dann iteriert und optimiert
  • die berechnete Kurve des induzierten Widerstands cwi eignet sich hervorragend, um einen stetigen Tiefenverlauf zu erstellen, da sie empfindlich auf Änderungen des Tiefenverlaufs „reagiert“
  • Wenn die gemachten Änderungen der Profiltiefe kleiner +-0,5mm werden, ist Schluss.

Nach einigen Iterationen steht das vorläufige Zwischenergebnis. Eine idealisierte Fläche mit der gewünschten Auftriebsverteilung, leicht überelliptisch und mit geringfügig erhöhtem induziertem Widerstand (ca. 1% bei Cl=0.9 – siehe Betrachtung weiter oben) gegenüber einer elliptischen Fläche:

Flz-V-JX_vs_Elliptisch.png

Zwischenfazit: Die Grundauslegung des Tiefenverlaufs von V-JX erfolgte relativ „spitz“ mit nur wenig Auftriebsreserven im Außenflügel. Bezüglich der Auftriebsreserven soll allerdings eine angepasste Klappentiefe noch eine „Schippe drauflegen“…


Im nächsten Teil vergleichen wir zunächst die Tiefenverteilung von V-JX mit der anderer, aktueller F3F-Modelle, um uns dann näher mit der Rudertiefenverteilung zu beschäftigen.
 

G.B.

User
..da möchte ich mich ...wie sagt man noch...vollumfänglich.. anschließen 😊
So viel konnte ich schon lernen...auch in Richtung Profildesign...durch Eurer beiden Ausführungen, hier im RCN...Danke !
Gruß Götz
 

Dr_K

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Auslegungsziele....

Auch ich verfolge ja Deine Beiträge hier mit Interesse und Spannung, echt super ich hoffe das geht noch ein bisschen weiter... 🙂
Die Zielsetzung ist sehr gut nachvollziehbar, ich möchte zur dieser Überlegung:
1642612946378.png


aber mal ein bisschen spoilern... ;)
Vielleicht haben meine F3F Kollegen ja immer mehr Glück mit der Wahl der Wettbewerbe, aber meine Auswertung der tatsächlich erflogenen Zeiten auf besuchten Events sieht eher so aus:
1642613321844.png


Das sind die getrackten Wettbewerbstage von 10+ Jahren, Bestzeit TopQ meint hier das ich für jeden Tag den Mittelwert des Top Quartils bestimmt habe, dabei sind evtl. Komplettaussreißer gestrichen (i.e. 29 wo sonst nur 38-42 erzielt wurde...).
Tja, wir schielen ja immer auf die Sub 30 Performance, aber die Realität and der Kante sieht überwiegend anders aus... :cry:
Müsste man nicht also "langsam" auslegen? :confused:
Ist natürlich nicht so sexy...
 

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mademax

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Zu Auslegungsziele:
Vor der Auslegung unseres letzten F3X-Projektes MAMBA hatte ich mich auch dafür interessiert, welche Bestszeiten werden denn tatsächlich in den F3F-Wetbewerben geflogen? Meine Auswertung ist fast mit der von Peter identisch:

⦁ Highspeed Sub 34er Zeiten in 8% der Flüge Bestzeit
⦁ Middlespeed 34 – 46 s in 56%
⦁ Lowspeed 46 – 58 s in 30%

Das führte beim Entwurf zur Grundlage: Nur schnell gewinnt nicht automatisch, schnell langsam gehört auch dazu

Weiter Daten und Grundlagen können dieser Homepage entnommen werden:
http://www.competition-tools.com/MAMBA-F3F/F3B/Mamba-Entstehungsgeschichte/

Gruß Max
 

G.B.

User
🤔...wenn ich das richtig verstanden habe, hat Mario ja den VANTAGE aufgrund genau dieser, sicher nicht nur statistisch richtigen Überlegungen ausgelegt gehabt...verständlich, dass die Beiden nun mal etwas andere Vorgaben wählen...zumal Jojo's Profilstrak...zumindest virtuell... auch 'unten rum' gaaanz weit vorne ist, und sich mit minimalem WK- Einsatz sehr gut auf langsamer 'trimmen' lässt 😉.
Gruß Götz
 

vanquish

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Grüß euch!
Fast richtig, Götz. :)
Beim VANTAGE hatte ich es damals bewusst für die eher langsameren F3f-Zeiten abgesehen. Also im Grunde der Bereich des "Lowspeed", um es mit Max´ Worten zu sagen. Haben vor ~8-10 Jahren viele Piloten unabhängig vom Wetter nur einen Modelltyp eingesetzt, war das auf der WM-2018 schon anders. Viele der Toppiloten haben da auf zwei Modelle gesetzt. Eines für High- und Middlespeed und ein anderes für den Lowspeed Bereich. Gerade aber im Lowspeed-Bereich war die Modellauswahl recht begrenzt (Freestyler 3.5 und "Sitbull")
Wenn man ein Modell konstruiert, auslegt und bauen will, muss man sich halt klar machen, wohin die Reise gehen soll. Jochen ist gerade ein paar Tage unterwegs, aber ich bin sicher, er wird sich dazu noch äußern. Ich will ihm da nicht vorgreifen :)
Der Profilstrak ist ja öffentlich verfügbar und wenn man sich den so ansieht, scheint er durch den Einsatz der Klappen recht breitbandig zu sein. Allerdings muss dieser Umstand dem Piloten halt auch bewusst sein...

Liebe Grüße,
Mario

PS: und ja, mit ein Beweggrund für mich an diesem Projekt teilzunehmen war das Auslegungsziel am anderen Ende der Skala... eine tolle Ergänzung zum Vantage :)
 
Zuletzt bearbeitet:

Jojo26

User
… klasse, dass Ihr bei dem Thread "einfach weitermacht“, während ich die letzten Tage verhindert war. Ich muss mich jetzt aber auch ranhalten. Mario wartet am Rechner schon ungeduldig, um mit dem 3D-Design anzufangen – und auch die Fräse beginnt bereits zu zittern.

Hallo Peter und Max,
vielen Dank für Eure wichtigen Ergänzungen. Die F3F-Zeitenstatistik von Max hat ja inzwischen nachgeradezu „Referenzcharakter“ – wobei ich Quartilsbetrachtung von Peter als noch aussagekräftiger ansehe. Zum Glück sind die Ergebnisse aber sehr ähnlich…
Wichtig ist vielleicht zu betonen, dass wir hier nur um ein bissle mehr wie „Nuancen“ in der Auslegung sprechen. Nach meiner Einschätzung ist V-JX ungefähr einen halben bis ganzen Balken (das ist ab jetzt die neue Maßeinheit in der Auslegung!) weiter links im Vergleich zur „Mamba“ einzuordnen. Aus Profilsicht geht es in meinen Augen um die Designfrage „Mache ich ein schnelles Profil durch Klappeneinsatz auftriebsstärker – oder setze ich auf ein eher auftriebsstärkeres Profil, das ich durch Klappen schneller machen kann?“ Ein möglichst dünnes Profil hilft dabei, einen „optimalen Kompromiss“ zu finden. Die „Dünnheit“ wird allerdings begrenzt durch eine abnehmende Hochauftriebs-Robustheit (Wenden) und eine wachsende Empfindlichkeit bei sehr kleinen oder negativen cl-Werten (die Laufstrecken auf der Unterseite beginnen zu schwächeln) … Siehe dazu auch die Anmerkungen zu „Breitem Optimum“ im ersten Teil.

Hallo Götz,
ich hätte es nicht besser schreiben können wie Mario.



Tragfläche - Auslegung - Teil 3


Tiefenverteilung – Verifizierung

Bisher wurde schon einiges gerechnet, angenommen und iteriert. Aber wo stehen wir nun mit unserem Entwurf? Sind wir auf dem richtigen Weg?

Schön wär’s, jetzt mal geschwind mit einem 3D-Drucker einen Prototyp zu erstellen, raus an den Hang und einen Zwischentest durchführen …

Eine der wenigen Möglichkeiten diese Fragen zu beantworten, ist zu prüfen, ob sich der bisherige Entwurf in dem eingangs beschriebenen Design-Korridor erfolgreicher F3F-Modelle befindet. Wenn ja, können wir zumindest mit einiger Sicherheit annehmen, nicht ganz falsch zu liegen …

Dazu wurde die Tiefenverteilung einiger aktueller F3F-Modelle aus den veröffentlichten Seitenansichten herausgemessen und auf die Spannweite und Wurzeltiefe von V-JX skaliert.

Vergleich_Tiefenverteilung_F3F.png
Vergleich der skalierten *ungefähren* Tiefenverteilung aktueller F3F-Modelle. Die Ränder des Design-Korridors bilden Quantum, mit nahezu elliptischer Tiefenverteilung und Pitbull 2 mit stärker ausgeprägter über-elliptischer Verteilung.

Als aktiver, in der Szene bestens vernetzter Pilot, konnte Mario an dieser Stelle aus einem reichen Fundus an Erfahrungsberichten zu den verschiedenen Modellen schöpfen – insbesondere auch zu seinem aktuellen Entwurf Vantage. Bei der Diskussion der unterschiedlichen Tiefenverteilungen in Verbindung mit den zugehörigen Flugerfahrungen konnte einige Korrelationen zum „Wendeverhalten“ des jeweiligen Modells herausgearbeitet werden. Auf der anderen Seite war kein Zusammenhang zwischen Tiefenverteilung und „Strecken-Speed“ eines Modells erkennbar… (das wäre aber auch sonderbar – siehe Abschnitt „Induzierter Widerstand“)

Fazit der Verifizierung: Das passt. Weiter so!

Auf Grundlage der gefundenen Tiefenverteilung kann es nun an den letzten wichtigen Design-Schritt „Ruder-Tiefenverteilung“ gehen.


Ruder – Tiefenverteilung

Als ausgesprochenes Klappenprofil „lebt“ der JX-GS-Strak vom Einsatz der Klappen. Das heißt, eine Klappe ist immer mehr oder weniger ausgeschlagen – außer vielleicht für kurze Zeit, wenn auf gerader Strecke einmal „die Post abgehen“ sollte. Auch wenn es fast trivial ist, zunächst eine Auflistung der Aufgaben bzw. Anforderungen an das „Klappenkonzert“ von Wölbklappe und Querruder, um die verschiedenen Aspekte im Blick zu behalten.
  1. Statische Anpassung der Flächenpolare an die Flugbedingungen: Bis zu mittleren Bedingungen sollen beide Klappen gleichförmig positiv ausgeschlagen (0,5 bis 2 Grad) werden. Bei sehr guten Bedingungen sind die Klappen im Strak.
  2. Verbesserung der „Hochauftriebseigenschaften“ in den Wenden durch Snap-Flap. Siehe dazu auch die interessante Diskussion - Stichwort auch „verzögerte Mitnahme der Klappen“.
  3. Gute bis sehr gute Wendigkeit um die Längsachse durch ein „großes“ Querruder.
  4. Sehr gute Wirkung der Wölb- als Landeklappe – Butterfly durch eine „große“ Wölbklappe.
  5. Verbesserung der Auftriebsreserven im Außenflügel bei hohen Cl-Werten (Ausschlag nach unten) durch geometrische Schränkung über die Rudertiefe
Dabei muss die grundsätzliche Abwägung getroffen werden:
  • große Klappentiefe, hohe Wirkung, kleinere Ausschläge, geringerer Widerstandszuwachs
vs.
  • kleinere Klappentiefe, keine frühzeitige Störung der laminaren Laufstrecke durch den Ruderspalt
In Abwägung der Aspekte wurde die Tiefe der Wölbklappe an der Wurzel auf 26,5% festgelegt. Die Vergleichs-F3F-Modelle bewegen sich hier in einem Bereich 25% - 28%.

Kniffliger ist die Frage, ob sich die Rudertiefe in Richtung Flächenspitze verjüngen sollte oder konstant bleiben sollte. Eine Verjüngung ergibt eine geometrische Schränkung, die zu einer geänderten Auftriebsverteilung führt (siehe Punkt 5).

Da „Gutmütigkeit“ – insbesondere auc die Vermeidung von Tip Stall bei schnell geflogenen Wenden – eines der wichtigen Auslegungsziele ist, wurde schließlich eine leicht abnehmende Rudertiefe zur Flächenspitze hin definiert.

In Flz_vortex kann die Auswirkung einer abnehmenden Rudertiefe gut visualisiert werden:

FLZ-Rudertiefe.png

Aus den zur Verfügung stehenden 3-Seiten-Ansichten ist es schwer, die Rudertiefe anderer F3F-Modelle einigermaßen exakt herauszulesen. Der Device hat wohl eher eine konstante Rudertiefe, während beispielweise der Mojo sehr stark verjüngt.


Ruderline - Pfeilung

Die Ruder- oder Scharnierlinie ist am Ende die einzige gerade Bezugslinie der Tragfläche. Mit den festgelegten Flächen- und Rudertiefenverteilungen ist die Form der Tragfläche dann bereits geometrisch bestimmt.

Mit dem Winkel der Ruderlinie wird schließlich die Pfeilung (wobei die Ruderlinie die Bezugslinie ist) der Fläche festgelegt. Die bei vielen F3F-Modell verwendete „0 Grad Ruderlinie“ führt zu einer relativen starken Rückpfeilung der Fläche…

V-JX_Fläche_Pfeilung.png

… die wiederum eine größere Torsionsbelastung der Fläche zur Folge hat (idealerweise sollte die t/4-Linie gerade und waagrecht sein).

Aus diesem Grund wurde die Ruderline leicht um 0,7 Grad nach vorne gezogen.

Und der zweite Grund: Es sieht in meinen Augen einfach besser aus!
Ob solche kleine Winkelverschiebungen der Ruderlinie signifikanten Einfluss auf die Flugmechanik haben, konnte ich bisher nicht recherchieren. Beim größeren Teil der aktuellen F3F-Modelle ist eine 0 Grad Ruderlinie zu finden. Dagegen haben „Orden“ und vor allem „Shinto“ haben eine deutliche „Vorpfeilung“ von 1,5 bzw. 2 Grad. Es scheint eine leichte Tendenz zu bestehen.


Im 4. und abschließenden Teil der Auslegung schauen wir uns dann noch die Leistung des Tragflächenentwurfs in Xflr5 an – um dann den Grundriss inklusive Position der Strak-Profile final festzulegen.

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Angehängt ist die Flz_vortex Projektdatei mit dem Vergleich von V-JX zu einer elliptischen Fläche (Datei wieder in .zip umbennen)

Im 4. und abschließenden Teil der Auslegung schauen wir uns dann die Leistung des Tragflächenentwurfs in Xflr5 an – um dann den Grundriss inklusive Position der Strak-Profile final festzulegen.
 

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  • V-JX_vs_Elliptisch.zip umbenannt in.txt
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Jojo26

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Tragfläche - Auslegung - Teil 4


Tragflächenrechnung mit Xflr5

Eigentlich müssten wir jetzt alle Daten zusammen haben, um in Xflr5 die Tragfläche zu definieren und eine aerodynamische Berechnung durchzuführen (bei der auch die kleinste Ablöseblase berücksichtigt wird 😉 ).

Leider kann aber Xflr5 die Zwischenprofile, die sich durch die Segmentierung der Tragfläche ergeben, nicht automatisch bestimmen. Man muss daher nun eine Entscheidung treffen zwischen
  • Einer stark vereinfachten Fläche mit nur 3 Trapez-Segmenten für die 4 vorhandenen Profile des Profil-Straks. Dadurch ergibt sich aber abschnittsweise eine hohe Abweichung von der bisher ausgetüftelten Tiefenverteilung …
  • Mehr Segmente definieren und die 4 Profile so gut wie möglich verteilen. Dies ist besser bzw. genauer als Variante 1 – aber wird vielleicht nicht dem Profil-Strak gerecht.
  • Mehr Segmente definieren und die zusätzlich notwendigen Zwischenprofile errechnen.
Wir entscheiden uns hier für Variante 3. Allerdings ist diese ohne maschinelle Unterstützung kaum lange durchzuhalten. Der manuelle Klick-Aufwand wird schnell sehr hoch, insbesondere wenn die Fläche noch mit Klappen oder anderen Profilvarianten durchgerechnet werden soll.

Häufig kommt man dabei an einen Punkt, an dem man sagt „Jetzt rutsch mir doch den Buckel runter! Das Ding wird schon irgendwie in der Luft bleiben.“ Da hilft dann nur eine beruhigende Tasse Tee…

Zur Unterstützung gibt’s zum Glück das kleine Tool Xfoil_Worker mit dem sich, eingepackt in einen Batch-Job, einige Arbeitsschritte automatisieren lassen:
  • Erzeugen von Zwischenprofilen durch prozentuales Mischen („Blending“) zweier Grundprofile
  • Setzen der Klappe an einem Profil – zur Vereinfachung wurde nun eine konstante Klappentiefe von 25% definiert
  • Erzeugen der notwendigen Xfoil-Polarenschar eines Profils.
Sowohl die erzeugten Profile als auch alle zugehörigen Polare lassen sich dann jeweils "in einem Rutsch“ in Xflr5 einlesen, so dass danach die Tragflächen-Analyse direkt gestartet werden kann.

Eine Anmerkung noch zum Mischen zweier ähnlicher Profile, um ein neues Zwischenprofil zu erzeugen: Es ist erstaunlich – oder eben nicht -, wie gut sich durch das geometrische Mischen auch die aerodynamischen Eigenschaften der beiden Profile im gleichen Verhältnis “mischen“.

Erscheint dann schließlich die Tragfläche in ihrer ganzen Pracht auf dem Bildschirm …

V-JX_Xflr5_Wing.png

… kann es mit den Berechnungen losgehen. Wichtig: Da bisher nur die Tragfläche modelliert wurde, sind die Ergebnisse nur für qualitative bzw. vergleichende Betrachtungen, wie beispielsweise die Auswirkung unterschiedlicher Tiefenverteilung, geeignet. Ändert sich bei einer Variante der Tragflächeninhalt, muss das Gewicht nachjustiert werden, um die Flächenbelastung der Flächenvarianten konstant zu halten.

Um diesen Bericht einigermaßen kompakt zu halten, möchte ich an dieser Stelle auf eine Betrachtung und Diskussionen unterschiedlicher Polare und Verläufe der Kennwerte entlang der Spannweite verzichten. Angehängt ist die Xflr5-Projektdatei mit der der Leser selbst in die Daten „eintauchen“ kann.

Nur beispielhaft sei eine typische Betrachtung herausgegriffen – verbunden mit einer kleinen Quizfrage:

Ist man theoretisch bei mittleren Bedingungen schneller entweder …

  • unballastiert mit Klappen im Strak,
  • leicht ballastiert mit 1 Grad Klappeneinsatz
  • oder ziemlich ballastiert mit 4Grad Klappen zu fliegen?
V-JX Xflr5 Flächenpolare.png


Finaler 2D Grundriss

Die Auslegungsarbeiten sind nun abgeschlossen. Mit dem 2D-Grundriss wird in diesem abschließenden Design-Schritt die finale „Optik“ der Tragfläche festgelegt.

Schön wäre es, wenn die Tragfläche eine gewisse Eigenständigkeit im Vergleich zu den verbreiteten Entwürfen besitzt und dabei natürlich auch in den Augen – zumindest der Erbauer – Gefallen findet. Leider sind der künstlerischen Freiheit durch die bereits getroffenen Festlegungen:
  • Flächentiefenverteilung
  • Rudertiefenverteilung
  • Winkel der Ruderlinie
sehr enge Grenzen gesetzt. Hinzu kommt, dass die Krümmung des Grundrisses möglichst stetig sein sollte, um im nachfolgenden 3D-Design Artefakte zu vermeiden.

Zunächst werden die Segment-Geometrien aus Flz-vortex in das 2D-CAD übernommen. Mit Splines wird dann versucht, einen Grundriss zu formen, der möglichst nahe an den Segment-Geometrie herankommt. Die Splines sollten für einen harmonischen Verlauf möglichst wenig Kontrollpunkte haben. Bei V-JX haben die Splines jeweils daher nur 2 Kontrollpunkte an den dann noch Steigung und Krümmung des Splines festgelegt. Der Flächenspitze wird mit zusätzlichen, kleinen Hilfs-Splines die finale Form des äußeren Randbogens gegeben.

V-JX_Final_dxf.png

Nach diesem optischen Feintuning nimmt die Rudertiefe nicht mehr ganz linear von der Wurzel zur Flächenspitze ab, sondern ist bis zum Querruder praktisch konstant, um dann bis zur Flächenspitze abzunehmen.

Mit der finalen Festlegung des Grundrisses kann man einige Zeit verbringen. Die Forderungen eines stetigen Krümmungsverlaufes führt immer wieder auch zu Feinkorrekturen der Tiefenverteilung im Bereich +-1mm und damit zu einem „Zurück auf Los“ (Flz_vortex-Berechnung). Insgesamt wurden sieben Iterationen durchgeführt…

Es fehlen nur noch die Profile...

Für die 3D-Konstruktion ist es empfehlenswert mit ein paar Zwischenprofilen zu arbeiten, um sicherzustellen, dass das „Darüberlegen“ der Oberfläche in 3D nicht zu geometrischen Verzerrungen unseres Profil-Straks führt (der 3D-Profilstrak sollte entlang der Tiefenverteilung und nicht entlang der Spannweitenposition erfolgen).

Für die Tragflächenwurzel wurde das Grundprofil JX-GS-15 noch von 7,6% leicht aufgedickt, um die Statik zu unterstützen und ein wenig variabler bezüglicher der Verbinderhöhe zu werden:

V-JX_Tragfläche_Profile.png


Uff - Ok! Jetzt müsste eigentlich alles beieinander sein, damit Meister Mario endlich loslegen kann.

Mario, wie sieht’s aus?
Hast Du alles für’s 3D-Design?
 

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  • V-JX.zip unbenannt in.txt
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Jojo26

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Schnell noch bevor Mario mit der Konstruktion beginnt, ein paar kritische Gedanken zu der beschriebenen Auslegungsarbeit…

Tragfläche - Auslegung - Epilog

Die bisherigen Beschreibungen zur Auslegung der Tragfläche haben vielleicht suggeriert, dass man nur lang und genau genug rechnen muss, um dann die perfekte Tragfläche im Sinne der Auslegung zu erhalten. Beim Kampf um die zweite Nachkommastelle vergisst man schnell, dass man sich mit den Berechnungen in einer „virtuellen Welt“, die aufgespannt wird von den verwendeten Rechenmodellen, Annahmen und getroffenen Vereinfachungen, bewegt. Beispielsweise kann ein Wert von „24,58“ in der virtuellen Welt, in der realen Welt, je nach Bedingungen, "21" oder einmal "23" sein.

Bereits in der 2-dimensionalen Profilwelt haben wir es mit einer zum Teil großen Unschärfe zu tun, die schon durch das zugrunde liegende Modell augenscheinlich wird.
  • FLZ_vortex rechnet mit der „Thin airfoil theory“ (TAT) bei der ein Profil durch seine Skelettlinie idealisiert wird (d.h. die Dicke) geht nicht ein. Viskose Widerstandseffekte werden dann noch „grob dazu gemischt“
  • Xflr5 rechnet mit einem Panel-Verfahren (Xfoil) bei dem das Profil durch kleine Panels idealisiert wird. Viskose Effekte, wie Blasen und Ablösungen sind durch zusätzliche Rechenmodelle integriert.
Welches Verfahren ist genauer im Sinn "Näher an der Realität"?

Bei einem Vergleich der errechneten Kennwerte zwischen FLZ_Vortex und Xflr5 können insbesondere im Grenzbereich „hoher Anstellwinkel“ Unterschiede zwischen 10-20% auftreten. Es scheint dass, Flz_vortex recht gut cl(alpha), cm(alpha) und alpha-max vorhersagt - während Xflr5 seine Stärken in der Widerstandsberechnung ausspielt...

In 3D setzt sich die Vielfalt mit Traglinien-, Panel- bis hin zu Finite-Elemente-Verfahren fort. Und damit auch die Breite des Ergebniskorridors.

In der hier beschriebenen Auslegungsberechnung hatten wir die Problematik nur kurz bei der Betrachtung des Randbogens gestreift… Wie geht man damit um, wenn in Flz_vortex der induzierten Winkel am Randbogen plötzlich negativ wird? Was ist dann überhaupt von den Ergebnissen zu halten?

Auch namhafte Aerodynamiker sprechen ab und an scherzhaft von einem „Vodoo“ der Ergebnisse, getragen vom Wunsch und Aberglauben des Designers.

Auf der anderen Seite sollte man meiner Meinung nach nicht in eine Berechnungsdepression verfallen. Haben doch vor allem die letzten 10-20 Jahre gezeigt, dass mit den relativ einfachen Berechnungsverfahren, die wir im Modellbau einsetzen können, wirklich tolle und extrem leistungsstarke Modelle entworfen wurden.

Ich erinnere mich noch gut an meine Modellbau-Anfangszeiten als junger Kerle, wo die durchschnittliche Lebensdauer eines Modells zwischen 1 bis 5 Sekunden lag. Und heute? Auch wenn die Knie immer noch schlottern, fliegt ein neues Modell aus der Hand heraus, als ob nie etwas anders gemacht hat.

Letztlich möchte ich ein Plädoyer halten für „Die Kirche im Dorf zu lassen“ - im Sinne es mit den vereinfachten Rechenmodellen nicht als „Source of Truth“ übertreiben.
(Auf der anderen Seite machte es einfach Freude immer weiter einzutauchen, zu verfeinern und zu lernen. Es ist ja gerade deswegen auch unser Hobby!)

Und das Schöne ist doch, dass am Ende, nach aller der vielen Rechnerei, der Hang, der Wind, der Pilot und unser reales Modell (hoffentlich) entscheidet wo „Dr Barthel den Most holt“.

In diesem Sinn – viel Spaß am Tüfteln!

Jochen

(... und ein DICKES Dankeschön an Mark, Frank, Stefano, André und all die anderen genialen Enthusiasten ohne deren Programme all das nicht möglich wäre)
 
Zuletzt bearbeitet:

vanquish

User
Nachdem ich von Jochen nun die wichtigsten Informationen bekommen habe, kann die Arbeit im CAD –hier Rhino7- losgehen. Auch wenn es viele verschiedene CAD-Programme gibt, sollte die Strategie überall ziemlich ähnlich sein. Bevor es ans Zeichnen geht, sollten wir uns aber noch über die Endleiste Gedanken machen. Wollen wir eine definierte Endleistendicke in der späteren Form haben oder nicht? Irgendwie scheint das ja so eine Art Glaubensfrage geworden zu sein. Ich habe mir angewöhnt, überall eine Endleistendicke zu definieren. Bei Flächen sind das in der Regel 0.3-0.4mm; beim V-JX haben wir uns für 0.3mm entschieden. Mit diesem Wissen, können die einzelnen (Stütz-)Profile gleich direkt in XOptfoil-JX, XFLR5, Profili, Profile-Editor,… entsprechend angepasst werden. Im Grunde funktioniert das auch im CAD, aber diese Lösung ist nicht ganz so sauber…

So oder so wird auffallen, dass besonders das letzte Profil ganz außen, nicht mehr so super schön aussieht.
Tip.JPG

Das ist natürlich dem Verhältnis Profiltiefe zu Endleistendicke geschuldet. Wie Jochen allerdings weiter vorne schon erwähnt hat, herrscht da draußen irgendwie eh das Chaos und keiner weiß so genau, was da passiert. Selbst wenn wir keine Endleistendicke im CAD definieren würden, wäre das am fertigen Flügel später das Gleiche. Es liegt halt Material dort drinnen… Damit müssen wir also leben.

Zeichnen
Zuerst benötige ich die Geometrie, also Nasen- und Endleiste. Diese hat mir Jochen vorgegeben und als DXF-File übermittelt. Alternativ dazu kann man auch die DXF-Exportfunktion von FLZ-Vortex nutzen und darüber dann die Geometrie sauber in Rhino z.B. mittels „Polylinie“ erstellen. Wichtig dabei ist, dass man am Randbogen zwischen Nasen- und Endleiste einen kleinen Abstand von 1-2mm lässt. So kann man dort eine abschließende Rippe einzeichnen. Laufen die beiden Linien nämlich zusammen, bekommt man später vom Aufziehen der Fläche in dem Bereich ein Problem…

Als nächstes sind die Profile an der Reihe. Dazu importiert man die Koordinaten der Profile als *.txt-Datei in die Zeichnung. Mittels „Polylinie“ können die einzelnen Punkte dann verbunden und das Profil so aufgezogen werden.
011.jpg

Ich mach das einfach der Reihe nach, Profil für Profil, und setze die einzelnen Profile auch gleich an die dafür vorgesehene Position am Flügel.
Sind alle Profile gesetzt, verschiebe ich meine Endleiste um 0.15mm nach oben und um 0.15mm nach unten. Nun kann man noch die Ausrichtung der einzelnen Profile kontrollieren und ggf. noch geringfügig anpassen. Das „Skelett“ ist nun fertig und die meiste Arbeit auch schon getan. Es folgt noch das Aufziehen der „Haut“ auf das Skelett. Dafür gibt es in Rhino zumindest zwei Möglichkeiten:
Ich nutze dafür letztere Option, da ich den Eindruck habe, dass das genauer wird.
010.jpg

009.jpg


Anschließend zeichne ich an der Endleiste eine 1mm breite ebene Fläche quasi als Verlängerung des Flügels nach hinten. Dadurch liegt die Blutrinne oder das Ende der Form nicht direkt an der Endleiste, sondern etwas dahinter. Das macht das Besäumen des fertig laminierten Flügels leichter. Auch fallen dann leichte Beschädigungen der scharfen Kante nicht ins Gewicht. Das ist zwar wichtiger bei abgeformten Formen, schadet aber auch bei direkt gefrästen Negativen nicht.
008.jpg

Egal, ob später ein Urmodell (also ein Positiv) oder direkt eine Negativform gefräst wird und egal ob die Trennebene hinten direkt an der Endleiste endet oder nicht, sind alle Schritte bis hier her gleich.

So, der eine oder andere wird sich vermutlich fragen, warum ich die Profile an einer geraden Nasen- und Endleiste ausrichte und nicht an der späteren Scharnierlinie. Nun, im vorliegenden Fall war das nicht notwendig. Die einzelnen Profile sind sich hier so ähnlich, dass die Scharnierlinie im Grunde gerade ist. Es macht das Zeichnen deutlich einfacher und natürlich auch die spätere Bearbeitung der fertigen Formen. Abgesehen von einteiligen Höhenleitwerken musste ich bisher eigentlich nur ein einziges Mal die Profile an der Scharnierlinie ausrichten (Miniray) um einen „Knickfrosch“ zu vermeiden.

Entscheidung Positiv/Negativ
Bevor es im CAD weitergeht, müssen wir uns über drei Dinge Gedanken machen:
1. Fräsen eines Urmodells oder einer Negativform:
Der Vorteil eines Urmodells wäre es, mehrere Negative abformen zu können und/oder die Urmodelle später weiterzugeben. Allerdings ist der Aufwand bis zur fertigen Form deutlich höher, da natürlich die Urmodelle aufgearbeitet werden müssen und anschließend noch guter, alter Formenbau angesagt ist. Nun wollen wir aber relativ schnell zu einem fertigen Flächensatz kommen, um diesen austesten zu können. Nicht zuletzt deshalb greifen wir ja auch auf vorhandene Teile vom VANTAGE zurück. Also weil´s einfach schneller geht, fräsen wir direkt Negative.

2. Mit Trennebene hinter der Endleiste oder ohne
Auch hier gibt es Vor- und Nachteile. Weniger Materialaufwand und somit leichtere und günstigere Formen sprechen für die Variante ohne Trennebene hinter der Endleiste. Ich persönlich schätze mittlerweile aber sehr die Alternative. Das Anbringen und abdichten der Folie zum Vakuumabsaugen ist einfacher. Aber vor allem haben sich die Passstifte dahinter als Anschlag für diverse Schablonen (Scharnier, Servopositionen,...) sehr bewährt. Mit dem Mehrgewicht kann ich leben und die Materialkosten fallen beim gewählten Material (SPOILERALARM PlexiglasGS) nicht so arg ins Gewicht. Für mich überwiegen also die Vorteile und Jochen wars egal.

3. Gestaltung des Bereichs der Wurzelrippe
Wie sollte es auch anders sein, gibt es auch hier verschiedene Lösungsmöglichkeiten und alle haben ihre Berechtigung. Wir haben uns dafür entschieden, an der Wurzel austauschbare Werkzeuge zu verwenden. Man ist dadurch deutlich flexibler… Falls nötig oder gewünscht, kann so jederzeit ein anderer Verbinder oder Ballast verwendet werden oder man kann die einzelnen Positionen variieren.

Abschließende Schritte
Da wir eine Negativform fräsen, ist es notwendig, an der Nasenleiste einen kleinen Grat stehen zu lassen. Das Negativ muss ja nach dem fräsen geschliffen und poliert werden. Ohne diesen Grat, würde dabei die Nasenleiste abgerundet werden. Das will natürlich niemand.
nasengrat.jpg

Zu guter Letzt kommen noch die Positionen der Passstifte und eine Linie für die Blutrinne. Natürlich könnte man die Löcher und diese Rinne auch im CAD perfekt einzeichnen, aber für meine spätere Frässtrategie ist das nicht notwendig.

So, eigentlich fertig fürs CAM:
005.jpg

006.jpg

007.jpg


Aus reiner Neugierde und weil´s im CAD ja sehr einfach geht, habe ich mal den Flügel virtuell auf den Vantage Rumpf und Leitwerk gesteckt:
001.jpg

002.jpg

Hier noch ein Overlay Vantage (grün) vs V-JX
004 V vs V-JX.jpg


Im nächsten Teil geht´s dann unter anderem ins CAM.

Liebe Grüße,
Mario
 

G.B.

User
...wie auch immer das Ding fliegen wird..eines der Schönsten...ist es m.E. jetzt schon 😊 .
Sorry...dass das jetzt etwas unplatziert wirkt, zwischen soo viel Output von Euch beiden...musste einfach mal raus...😍
Gruß Götz
 

Alby

User
Hallo Mario, großes Kino was du uns da zeigst, 👏. Bin auf Weiteres gespannt.
Eine Frage noch. Ich arbeite auch mit Rhino, nutze aber die importierten Punkte
zu verbinden die Option
Kurve durch Punkte (nicht wie du mit Polylinie). Eventuell auch Kurve: Punkte interpolieren.
Mit Polylinie hast du am jeden Punkt einen Knick, denke ich.
Weiter so...
 

vanquish

User
Servus,

Kurve durch Punkte kenne ich in Rhino nicht. Im Menü "Kurve" wähle ich "Polylinie" und da dann "durch Punkte". Man muss dabei aber die Kurve dann auf Grad 3 oder 5 umstellen. Standardmäßig ist Grad1 aktiviert und da gibt es wie du sagst nur Geraden zwischen den einzelnen Punkten. Das ist für unsere Zwecke eher weniger prickelnd. Ich kann mich aber noch erinnern, dass das in den vorherigen Rhino-Versionen anders war... Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich musste den Kurvengrad dort eigentlich nie ändern...
Als Kurventyp verwende ich auch "interpoliert". So sitzt die Kurve exakt am Profilpunkt.

Liebe Grüße,
Mario
 
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