Hallo zusammen,
mit den beiden simplen Tabellen können wir jetzt einmal überlegen, was für Profileigenschaften wir für unsere ganz persönliche Modellauslegung und vor allem für den von uns gewünschten Betrieb fordern müssen. Ich arbeite nicht lösungsorientiert, sondern problemorientiert. Was bedeutet das?
Zuerst überlege ich, was ich will: Also ich will eng mit den Bussarden und Milanen langsam fliegend bei Minimalfahrt im Kern des Bartes mitkurbeln und aufsteigen ohne Motor. Um zum Bart zu kommen, nutze ich den E-Motor vom Start auf Graspiste mit originalem bescheidenen Steigflug bis zu einer geringen "Schlepphöhe", bei möglichst geringer Motorleistung, langsamer Fluggeschwindigkeit (aber nicht Minimalfahrt!), um Energie zu sparen und lange Freude am Anblick des steigenden Modells zu haben (ca. 2 min), und um mit ganz wenig Leistung nach Thermik schnüffeln zu können (5 min). Dann Motor aus und Kurbeln, im Binnenland, nicht im Gebirge oder an der Küste, also klassisches Thermikkurbeln mit Geländerelief, Wiesen, Äckern, Waldrändern, Hecken....(so lange wie möglich, 60 min ?)
Wenn mich der Wind abtreibt, werde ich bei einer Thermikkurbelauslegung Schwierigkeiten bekommen, mit geringem CA und erhöhter Geschwindigkeit wieder zum Platz zu kommen. Ich nehme das in Kauf, bin aber bereit, im Notfall dann den Motor anzuwerfen (5x je 1 min) um wieder auf den Platz zu kommen, wenn die Sinkrate zu hoch wird. Alternative wäre ein Klappenflieger mit Wölbklappen, aber das wäre wieder nicht mehr Scale.
Dann will ich einen gediegen ruhigen Landeanflug machen mit Position, Queranflug, Endanflug und Landung (2 min), mit dem Eindruck eines wirklich echten Motorseglers und mit perfektem Aufsetzen und Ausrollen, unter Feintuning mit Landeklappen., ohne Motor. Was für's Gefühl eben, ein kleiner einsitziger "Rentnerjet" oder "Rattel" mit Retro-Optik.
So, das bedeutet für das zu suchende Profil: hohes ca bei niedriger Reynoldszahl, bestes Gleiten E=ca/cw und geringstes Sinken bei sehr hohem ca, nach Tabelle braucht es beim kleinen Modell noch passables Gleiten bei ca=0,5, bei der Großen aber bis hinunter auf ca=0,1!
Und zwischen den beiden minimalen und maximalen ca-Werten darf die Gleitzahl nicht zu stark einbrechen, d.h. keine ausgeprägte laminare Ablöseblase darf sich ausbilden.
Für das leichte Bauen ist ein Profil mit 18% wie das Original wünschenswert, funktioniert aber bei den kleinen Reynoldszahlen nicht. Daher bleiben wir unter 15% Profildicke an der Flügelwurzel und gehen nach ein paar Rippen auf ein 12% dickes Profil herunter und weiter nach aussen auf 10% oder darunter.
Es gibt eine Reihe von Profilsimulationsprogrammen, die alle auf den Arbeiten von Richard Eppler basieren. Alle Ergebnisse hängen von den getroffenen ANNAHMEN ab und sind daher immer mit Vorsicht zu genießen. Aber auch ALLE Windkanalergebnisse von Messungen sind mit EXAKT DER GLEICHEN Vorsicht zu behandeln, denn auch hier gibt es viele Fehlerquellen (Wer misst misst Mist....).
Zurück zu den veröffentlichten Profildaten. Wir erkennen das Vorhandensein laminarer Ablöseblasen im ca-cw-Diagramm bei ganz niedrigen Reynoldszahlen an einem sehr hohen Widerstandsbeiwert im mittleren ca-Bereich, wobei oft bei sehr niedrigem ca UND bei sehr hohem ca sehr geringe Widerstandsbeiwerte vorhanden sind. Das bedeutet, dass wir hervorragend im Langsamstflug in der Thermik kurbeln können und auch im Schnellflug nicht so schlecht dastehen, aber im Suchbetrieb bei mittlerer Fahrt möglicherweise Probleme bekommen können.
Auch wenn bei größeren Reynoldszahlen (durch schnelleres Fliegen) keine Ablöseblasen mehr nach den Diagrammen vorhanden zu sein scheinen, muß man damit rechnen, dass sie auftreten! (vor allem bei besonders glatten Profiloberflächen)
Die Diagramme der Simulationen und v.a schlampiger Messungen sind also immer BESSER in Bezug auf Widerstandsbeiwerte und Gleitzahlen als die Realität der echten Strömung! Nur extrem sorgfältige Messungen bei turbulenzärmsten Windkanälen (Eiffel-Bauart) führen zu einigermaßen realistischem Profilverhalten und SCHLECHTEN Gleitzahlen (wegen der auftretenden Ablöseblasen durch fehlende Turbulenz, wie in der ruhenden realen Luft).
Was tun bei unserer ASK14? Wir (also ich....) wollen ja sowieso Turbulatoren bewusst einsetzen und damit wird das Problem etwas geringer, vorausgesetzt unsere Turbulatoren funktionieren wie gewünscht. Da turbulente Grenzschicht aber im Vergleich zur laminaren Grenzschicht höheren Widerstand hat, muß der Gewinn durch vermiedene Ablöseblasen und den von ihnen erzeugten Druckwiderstand größer sein als der Widerstandszuwachs durch voll turbulente Grenzschicht.
Fazit: Ich stöbere mal durch die verschiedenen Profilsammlungen und suche einigermaßen passende Profile. Dabei ist es nicht entscheidend, wie das Profil heisst oder wer es gerechnet oder gemessen hat. Es sollte unsere Anforderungen in etwa erfüllen, v.a. auch bei den niedrigen Reynoldszahlen oder auch für einen Turbulator geeignet sein. Über die teilweise extrem dünnen Endkanten mache ich mir keine Gedanken, meine werden mindestens 1 mm dick!
Es gibt schon Unterschiede zwischen Profilen, wie sich z.B. beim Curtis c72, das Window vorgeschlagen hat, im Vergleich zu einem E214 bei airfoil plotter in den Diagrammen zeigt. Hier sieht man sehr schön die Unterschiede durch laminare Ablöseblasen bei geringer Reynoldszahl. Das C72 springt bei sehr hohem ca nicht an, d.h. der Widerstand bleibt hoch und geht nicht schlagartig zurück wie beim E214. Das bedeutet, dass beim E214 die laminare Ablöseblase zu turbulentem Umschlag führt und damit der Widerstand bei hohem ca drastisch sinkt! Wenn sich dies im Modell bewahrheitet, wäre die Wahl eher das E214, aber das kann hier niemand vorhersagen.....Und wenn wir willkürlich einen Turbulator einsetzen, ist sowieso alles anders....
Einfach mal was machen und die besten Gedanken umsetzen und dann erproben, das wird hier die Lösung sein. Es sind immer Kompromisse, die je nach Anforderungen anders aussehen. Und wir alle könnten sehr viel lernen, wenn jeder "seine" Umsetzung realisieren würde. Genau das ist das SCHÖNSTE am Modellflug, jeder kann mit relativ geringem Einsatz KREATIV sein.
Darauf einen Dujardin...
Grüße
Pattex