,,Der schwarze Flieger" von Immo Fischer aus dem Jahre 1959/60

Wiederinbetriebsetzung eines Siegermodells von 1959/60 - ein fliegendes Museum - Projekte des Antik-Modellfluges Deutschland
A. Lorenz, Erksdorf

Immo Fischer ist einer der deutschen RC-Flugpioniere der 1950ziger und 60ziger Jahre. Zusammen mit seinem Bruder Ronald Fischer verhalfen sie der drahtlosen Fernsteuer-Modellfliegerei gegen allgemeiner grosser Skepsis mit zum Durchbruch. Als studierter Elektroniker betrieb er die Entwicklung der RC- Technik mit wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn in der technischen Forschung an der Technischen Hochschule in Dresden. Die dabei entstandenen Geräte und RC- Anlagen sind fasst alle noch erhalten sowie auch die Flugmodelle dieser Zeit. Hans Jörg Fischer, der Sohn von Immo hat das große Verdienst, das alles betreut zu haben. Vieles ist mittlerweile über Museen und Ausstellungen verteilt. So befinden sich die meisten Fernsteuer-Komponenten und auch einige Modelle im Segelflugmuseum mit Modellflug auf der Wasserkuppe. Einige Modelle sind mit Ziel einer Restaurierung an interessierte Modellflieger gekommen. 2019 hatte ich eines der Modelle, das sog. Fliegende Fass, zur Restaurierung übernommen. Eine Doku dieser Aktion ist im Y- Videokanal ZEIT FLUG DRESDEN DB 10 zu sehen. Dieses Modell musste wegen völliger Auflösung der Bespannung komplett neu bespannt werden. Damit war leider auch die Patina des historischen Modells weitgehend verloren, auf die ich doch eigentlich gesteigerten Wert lege. Gut erhaltene Modelle sind selten zu finden, zumal noch irgendwie betriebsfähig. Die üblichen Nachbau- Modelle der Antik-Szene sind zwar hoch eindrucksvoll und beneidenswert perfekt. Aber die Patina und Gebrauchsspuren aus vergangenen Zeiten fehlen mir dann doch. Neugebaute Antik-Modelle sind zwar auch perfekt erstellt. Aber bei den alten Modelloriginalen ohne CNC-Perfektion und noch mit der Laubsäge mühsam erstellt und trotzdem sauber gebaut kommt mir noch eine anderes Maß an Faszination hoch. Und wenn das dann wieder fliegt wenn auch mit modernen Mitteln ( RC , E-Antrieb u.a.), geht man doch in gewisser Weise auf eine Zeitreise der besonderen Art in die Aufbruchsjahre nach dem 2. WK. Und noch dazu in die Anfangszeit des RC-Fluges, der ja
bekanntlich 1936 von Dresdner Modellfliegern weltweit erstmals öffentlich zum Pfingstwettbewerb auf der Waku vorgeführt wurde.
So kam ein weiterer Flieger von Immo in meine Werkstatt. Der sog. SCHWARZE FLIEGER , der hatte einen mit schwarzmeliertem Japanpapier bespannten sperrholzbeplankten Rumpf, daher der Name. 10 Jahre in einem DDR- Museum in Dresden ausgestellt haben auch Spuren hinterlassen.
Mit voller alter RC-Ausrüstung dort eingestellt, war der Flieger leer, als wir ihn kürzlich wieder von der Saaldecke geholt haben. Möglicherweise findet sich das auch wieder an. Die Bespannung war zwar beschädigt und auch sehr brüchig, aber mit wenig Reparaturen zu konservieren. Die historische Gesamtoptik war noch zu erhalten. Bei meinem Original-Antik-Modell CORVUS, ein Baukasten aus den 1960zigern gebaut 1978 , der wieder flugbereit ist, habe ich die alte berührungsempfindliche Japanpapier-Bespannung mit transparenter Bügelfolie konserviert. Das hat die Optik erhalten und den Flieger wieder gebrauchsfähig gemacht. Leider habe ich noch keine matte Transparent-Folie gefunden. Die Hochglanz-Folie stört schon etwas. Das habe ich dann beim SCHWARZEN in gleicher Weise gemacht. Doch nur die offenen Bereiche der Flügel und Leitwerke, alle anderen beplankten Bereiche habe ich mit Acryl-Parkettlack behandelt. Der ist sehr kratzfest und konserviert sehr gut. Die originale Oberfläche des SCHWARZEN ist im Laufe der Zeit auch sehr nachgedunkelt. Insgesamt ein sehr authentisches
Erscheinungsbild des Fliegers. Die Fischers hatten für den Wettbewerb 1960 in Magdeburg zwei solche Modelle gebaut, da beide Brüder teilnehmen sollten. Angelehnt an einen polnischen Bauplan, der jedoch nicht mehr zu finden war, und mit vielen eigenen Ideen wurden die Modelle unter Zeitdruck erstellt. Ein Irrtum dieser Zeit war , die Modelle für Segler-Kunstflug auszulegen. Daher die sehr widerstandsfähige Konstruktion und Bauweise mit viel Beplankungsbereiche. Balsaholz ist nur an wenigen Stellen verbaut. Der Rumpf ist komplett mit Sperrholz beplankt. Das gewählte Tragwerk-Profil brachte jedoch den Durchzug für einfachen 2achs-Kunstflug nicht.

Aber für die RC-Wettbewerbe damals war das Modell sehr geeignet, wie die Höchstpunktzahl von Immo beweist. Ich werde mich wohl behüten, mit dem Flieger Kunstflug zu versuchen. Die Flügel haben einen stabilen Torsionskasten mit Sperrholz-Beplankung, das Höhenleitwerk ebenso. Rippen sind ebenfalls aus Sperrholz mit inneren Ausschnitten. Einzig die Beplankung des Seitenleitwerks ist aus Balsaholz mit einer Papierbespannung. Die Ruderflosse ist wieder aus Sperrholz. Für uns heute ist der Modellflug damals eigentlich nicht mehr so richtig vorstellbar. Es war die Zeit der Tip Tip-Steuerung , davor die Zackenstern-Steuerung, bei der die Schaltfolge EIN / AUS in drei Ruderstellungen umschaltbar war, LINKS / RECHTS / MITTE. Eine etwas komplizierte Angelegenheit, bei der man sich immer die letzte Stellung merken musste und jeweils ungewollte Stellungen übersprungen werden mussten. Viele Jahre waren die Flieger nur einachsig (Seite) lenkbar. Es war nur eine weiträumige Richtungslenkerei möglich, bei der man auch noch den richtigen Zeitpunkt zum richtigen Ausschlag erfühlen musste, um das schädliche Pumpen zu verhindern. Die Zackenstern-Steuerung wurde von einem Gummimotor angetrieben. Der wurde vor dem Start aufgezogen und vor dessen Ablauf musste man wieder am Boden sein, rate drei mal warum!!! Der SCHWARZE hatte als Steuerelement schon eine Weiterentwicklung des Zackensterns. Der Gummimotor war durch einen E-Motor ersetzt, der durch spezielle Schaltungen immer nur die Viertelumdrehung des Abtriebs für die Ruderstellungen bewirkte. Das hatte wesentlich längere
Betriebszeit und brauchte weniger Platz. An der Kompliziertheit der Schaltfolgen hatte sich aber noch nichts geändert. Also schon eine frühe Art von einem Servo.
Allein die Fluggelände !! An Golfrasen und kurzgeschnittenen Superpisten war lange noch nicht zu denken. Nur wenige hatten ein Auto – man suchte sich eine Wiese in der Nähe. Und die war halt buckelig. Bei jeder Landung und den vielen Fehlstarts waren da Beschädigungen vorprogrammiert -- wenn man sich nicht bei der Konstruktion schon Gedanken machte. So wie die Fischers – der SCHWARZE trägt dem allem sehr Rechnung. Da das Höhenleitwerk bei jeder Landung Schläge
abbekam war es so gebaut, dass es sich gefahrlos nach hinten zerlegen und demontieren konnte und sofort wieder anbaubar war. Gesichert war es mit Streichhölzern als Sollbruchstellen (die rutschten nicht durch wie Zahnstocher) und gesteckt an den damals üblichen Flachstählen, die nach vorn und hinten federn konnten. Das machte eine Anlenkung notwendig, die im Shockfall auch gefahrlos trennbar war und sofort wieder angebaut werden konnte – die Innenanlenkung. Die ist also keine Erfindung der Neuzeit. Auch das Seitenleitwerk hat diese, und beide als Zugabe noch eine vorzügliche Hohlkehlen-Lagerung.
Dazu notwendig war auch eine Torsionsübertragung zu den Rudern mit Stahldraht-Schlaufen, in dem der Abtriebsbolzen der Servos lief. Das und noch einiges mehr erinnert mich irgendwie an den mechanischen Weinachtsberg meines Grossvaters im Erzgebirge – die Gebrüder Fischer stammen ja auch aus dem Freiberger Land.
Die Ausschläge des HL sind sehr gering. Das wurde mehr als Höhentrimmung benutzt. Die Betätigung des Höhenleitwerks war zu der Zeit erst neu und erfolgte mit Vorsicht. Zum Fliegen nach heutiger Art ist es aber ausreichend. Auch die Tragflächen hatten die Steckung an zwei Flachstählen und Sollbruch-Sicherung mit Streichhölzern. Nicht jede Landung gelingt sicher mit den alten Zweiachsern noch dazu im Wettkampfstress. Der Flieger hat auch so sein Fluggewicht. Durch die aufwändige Höhenleitwerks-Konstruktion sind zusätzlich zu E-Motor und Akku immer noch ca. 500 g Blei im Vorderrumpf notwendig. Mit den ca. dreieinhalb Kilo Gewicht, ca.3 m Spannweite und ca. 1,60 Rumpflänge ist der Flieger kein wendiges Sportmodell. So wie unsere modernen Modelle am Knüppel hängend reagieren – weit entfernt. Mit dem Seitenruder kommen die Reaktionen viel später, man muss vorausschauend agieren und die Ausschlagdauer ist auch speziell. Vor allem bei der Landung in Bodenwirbeln. 1960 galten diese Flieger noch als Monumentalmodelle!! Da mussten die TipTip-Anlagen schon gut funktionieren und der Pilot in Übung sein. Das war bei den Fischers durchaus der Fall. Wegen der Furcht vor Funkstörungen war es sinnvoll, so wenig wie möglich Steuerelemente zu installieren.

Wegen der Furcht vor Funkstörungen war es sinnvoll, so wenig Steuerelemente wie möglich zu installieren. Wenn die Modelle so eigenstabil wie möglich flogen, wirkten sich Funkstörungen nicht so dramatisch aus. Querruder galten daher lange auch als Unsicherheitsfaktor. Erst als die RC-Anlagen störsicherer wurden und die alten meist schwachen Ruderantriebe durch Neue stärkere ersetzt werden konnten, war es möglich, Seitenruder und Querruder mit einem Servo anzusteuern. Die vielen Umlenkhebel gingen immer etwas schwer, wenn sie spielarm sein sollten. So kam man später mit nur zwei Servos/Seuerkanäle für drei gesteuerten Achsen aus.
Ein besonderer baulicher Leckerbissen sind die originalen Störklappen – eine in mehreren Versuchsbauten entwickelte Holzkonstruktion nach oben UND unten ausfahrend! Ein Aufwand für uns heute nicht mehr vorstellbar in Zeiten von allen Fertig-Störklappen. Die Anschlüsse zum Servo waren mit schwergängig gemachten DDR-Bananensteckern ausgeführt, die Schraubanschlüsse für die Kabel hatten. Zweckentfremdet werden dort die Servoverbindungen festgeschraubt. Als Servo werkelt ein altes zeitanaloges Servo vom VEB Fahrzeugelektrik Reinhardsgrimma aus meinen Altbeständen. Schwächlich und langsam, aber zuverlässig.
Die Störklappen nach unten ausfahrend sind in der Endstellung doppelt so weit raus als die Oberen. Das hat sicher einen Grund, den ich noch nicht rausbekommen habe. Diese Holzkonstrukte gehen leicht und fast spielfrei – die mechanischen Weihnachtsberge des Erzgebirges lassen wieder grüßen.
Die Wirkung dieser Störklappen ist sehr deutlich. Das alte Thermik-Profil der Flügel und das Gewicht des Fliegers bewirken einen Gleitwinkel, der bei der Landung so natürlich sehr vorteilhaft zu reduzieren ist. Nach den Erinnerungen von Hans Jörg Fischer wurden die Störklappen seinerzeit möglicherweise nicht benutzt, weil einfach bei den Zweikanal – RC – Anlagen der 3. Funktionskanal fehlte und auf spätere Weiterentwicklungen gehofft wurde. Da wäre ja die Benutzbarkeit der Störklappen jetzt eine echte späte Uraufführung. Die Flügel sind im Außenbereich deutlich geometrisch geschränkt (am Randbogen ist die Endleiste um ca. 3 cm nach oben gestellt). Das Gleiche wie bei dem Fliegenden Fass. Das bringt eine deutliche Abriss- Sicherheit. Bei den damals üblichen Umlenkrollen-Seil-Laufhochstarts ein beachtlicher Vorzug. Hangflug war wegen der Steuerträgheit der damaligen 2achs- Flieger und dem Mangel an geeigneten Hängen hierzulande kein Thema.
Seitlich am Rumpf ist der Fuß für eine einschraubbare Stahldraht-Antenne angebracht. Erst später kamen die auf dem Rumpf nach hinten gespannten Antennen auf. In Rumpfmitte oben sind drei Deckel für die Zugänglichkeit der RC-Anlage und die Servos angebaut. Welch ein Aufwand diese in die Rumpfkontur so vorzüglich einzupassen. Die Kabinenhaube ist ein Sperrholz-Kunstwerk mit einer Kielung nach oben und verschafft dem Flieger vorn seine eigenartige Optik.
Wenn man sich mit den Anfängen des RC-Fluges beschäftigt und den enormen Aufwand dafür bedenkt, dann muss man zur Kenntnis nehmen, dass dies nur für Spezialisten mit gutem Einkommen (man brauchte immer ein Automobil um die gesamte Technik zu transportieren, allein die Sender waren Schwergewichte), den notwendigen Kenntnissen in Elektronik, Flugtechnik, Handwerk usw. möglich war. Ohne die Zusammenarbeit mit Fachkollegen, Spezialisten und Helfern ging es nicht.
Alte Filmaufnahmen der Fischers zeigen auch das grosse Staunen der Allgemeinheit über diese neue revolutionäre Technik. Das erlebt man heute nur noch bei Modellvorführungen in der Preisklasse von Kleinwagen und darüber. Modellflug-Feindschaft nimmt auch immer mehr zu. UAS in Militär und Ziviltechnik sind auf dem Vormarsch, bis zum modernen Drohnenkrieg. Diese Entwicklung begann immerhin mit dem RC-Modellflug. Auch die Wettbewerbs-Anforderungen damals sind für uns heute kaum vorstellbar. Ein guter Geradeausflug gegen den Wind war punktrelevant und mit den frühen RC-Anlagen nur mit viel Training einigermassen zu fliegen. Etwas unübersichtlich waren die Klassifizierungen der RC-Modellarten. Die beiden Fischer-Modelle flogen unter den Bezeichnungen G4S, später F3D (einachsgesteuert) oder RC 2. Die Flugaufgabe für Magdeburg 1960 sah in etwa so aus: Seilhochstart an der Umlenkrolle mit Helfer gegen den Wind, 10 sek. weiter gerade aus, 90 Grad links (sog. Verfahrenskurve) 270 Grad rechts, gerader Rückflug, Vollkreis links, Vollkreis rechts, Platzrunde, Punktlandung. Alle Manöver nach vorheriger Ansage. Die Perfektion dieser Flüge entschied dann über die Platzierungen.
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