Piper PA-25 "PAWNEE"

Die fliegende Schwiegermutter

von Jürgen Rosenberger.​

Mal ehrlich liebe Leser, geht Euch das visuelle Einerlei auf unseren Modellflugplätzen auch auf's Gemüt? Ok, für sich gesehen ist jede dieser Extras, Cups, Supersonic-Jets oder ARF-Sexbomben im Wohlfühl-Look schön, aber kann man immer nur Sahnetorte oder T-Bonesteak verdrücken? Wie wäre es mal wieder mit Erbsensuppe und Graubrot oder mit anderen Worten: Verspürt ihr nicht auch Sehnsucht nach dem Charme der alten Telemaster?

„Nä, is die hässlisch“ (Kölsch!)

Beim "Ritt" durchs Internet fiel mir die Anzeige von Schneider Modell oder Schneider Günter, wie er sich selbst nennt, auf. „Man mag sie oder man mag sie nicht“ heißt es darin. Dann folgte das Bild einer Krähe, deren Hässlichkeit nur noch von des Teufels Großmutter übertroffen wird. Dennoch, das Teil hat Charakter, so der erste Eindruck. Die Kabinenhaube keck auf den unförmigen Körper gesetzt, ein bisschen wie bei den Legobombern aus dem Kinderzimmer. Aerodynamik und Styling mit dem Vorschlaghammer gezimmert, irgendwie einzigartig und skurril. Kurz gesagt: Das Ding muss auf meine Werkbank.


Der Baukasten

Per E-Mail bestellt, brachte der Postbote das Paket zu einer Zeit, wie sollte es auch anders sein, als mal wieder keiner zu Hause war. Else, mein Goldstück von Neugier getrieben, holte das Kistchen an der Sammelstelle ab. Enttäuscht und schlecht gelaunt empfing sie mich, ihren lieben Gatten, abends zu Hause mit den Worten: „Das wiegt mindestens 20 Kilo! Haben wir denn nicht schon genug von dem Zeug?“


Ein erster Blick

Nach dem Öffnen entströmte dem Baukasten der wohlige Holzgeruch einer Tiroler Berghütte: Spanten, Seitenteile auf 22 Pappelsperrholzbrettern verteilt, sauber gefräst, Kieferleisten, Balsabretter bester Qualität. Geschätzt entfallen 80% des Materials auf Pappelsperrholz und Kiefernleisten, 20% auf Balsabretter.

Erstes Resumee: Gute Qualität der verwendeten Werkstoffe, ein leichtes Mädchen dürfte dem Kästlein allerdings nicht entwachsen. Die spätere Flugerprobung wird zeigen: Eine stabile Dickmadam hat das Licht der Welt erblickt. Zierliche F3A-Gazellen sind gut beraten, Ausweichmanöver zu fliegen, wollen sie nicht in die ewigen Jagdgründe entschwinden.


Der Bau

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Eine richtige Bauanleitung fehlt, also ist Erfahrung gefragt.

Herr Schneider liefert instruktive, nicht maßstabgetreue Zeichnungen, aus denen zwar sehr viel, aber eben nicht alles zu entnehmen ist. Statt dessen wird auf die Schneider Homepage verwiesen, auf der sich Baustufenbilder meines geschätzten Freundes Knut Zink finden.

Der Rumpfbau gestaltet sich zügig. Spanten und Seitenteile sind recht passgenau. Vorder- und Hinterteil werden getrennt aufgebaut und sollen dann über geschäftete Zapfen miteinander verklebt werden. Schneiders Bautipp: Man soll die Kiefernleisten nach Verkleben beider Rumpfhälften von hinten und vorne einschieben, dann in der Mitte nach Schäftung verleimen. Oh Graus: Entweder sind meine Kiefernleisten zu dick, die Aussparungen in den Spanten zu klein oder aber der böse, böse Leim trägt die Schuld. Kurz, die Leisten bleiben auf halbem Wege stecken. Es fehlte nicht viel und die PAWNEE hätte ihren Erstflug durch das geschlossene Kellerfenster angetreten.

Unter unflätigem Gefluche, heraus mit den Leisten, runterschleifen!

Irgendwann klappte es dann doch. Letztlich gelang mir der Rumpfbau an einem Wochenende. Die Kombination von Spanten, Leisten und Seitenteilen ergab eine verwindungsstabile Konstruktion. Gewichtsersparnis war eher nicht das Ziel des Konstrukteurs. Balsaleisten statt der verwendeten Exemplare aus Kiefer hätten vermutlich kein kritisches Stabilitätsdefizit zur Folge gehabt. Im Rumpfvorderteil wird kräftigst mit Sperrholzwandungen und Zusatzverstärkungen der 3 mm-Klasse gearbeitet, das ist stabil aber es wiegt. Der fertige Rumpf bringt letztlich 2000 g auf die Waage. Mal abwarten, wie es sich beim Rest verhält.


Die Kabinenhaube

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Sie ist, um mit Dieter Bohlen zu sprechen, das Wiedererkennungszeichen unserer Schwiegermama. Der Aufbau besteht aus vier Pfosten, einer hinteren breiten Strebe und seitlichen Fensterrahmen beziehungsweise Scheibenfassungen, alle zusammen tragen das Dach. Die Haube wird seitlich mit je einer Schraube über Laschen an der Seitenwand befestigt.


Motoreinbau

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Ich verwende, wie vorgeschlagen, einen ZG 62 mit Tony Clark-Auspuff in der Modifikation Piper. Der Edelstahltopfdämpfer ist nach hinten in der Flucht der Motorachse angeflanscht, während das Abgasrohr im Winkel von 90° nach unten abgebogen aus dem Rumpf ragt. Der Motor wird mit M6-Gewindestangen auf dem Kopfspannt befestigt. Erwähnenswert ist noch die Verwendung von Tony Clarks Ausschnittschablone für die angesprochene Schalldämpfer-Variante. Auf den Kopfspant aufgezeichnet, sorgt der nachfolgende Ausschnitt für ausreichende Kühlung der Antriebseinheit im Innenraum. Das ist dauerhaft funktionsfähig, leise und sieht auch noch schön aus. Die Flugerprobung bestätigte später, dass das Loch im Rumpfboden für die ausströmende Kühlluft groß genug ist ( Eingang/Ausgang 1/2).

Ob man nun den Choke von außen über einen Bowdenzug betätigt oder im Inneren ein weiteres Servo platziert, das diesen bewegt, bleibt dem Geschmack des Einzelnen überlassen. Ich bevorzuge die Nutzung einer Rudermaschine, so kann ich auch in Notfällen den Motor sicher abstellen.

Die Motorhaube wird dem Original folgend umgestaltet. Herr Schneider sieht nach unten einen geraden Boden mit überstehendem Zylinder vor. In Anlehnung an die Originalmaschine lasse ich den Motor aber unter einer gerundeten Wand mit abschließendem Windabweiser verschwinden .


Leitwerke

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Der Aufbau gestaltet sich schnell und unproblematisch. Die Passgenauigkeit der Teile ist gut, die Dämpfungsflossen werden beplankt und fest eingeklebt. Die Ruder sind vollständig aus einem gefrästen 3 mm Sperrholzbrett zu fertigen. Das bedeutet, dass keine echte Holzmischbauweise aus Balsaholzspanten und Kierferleisten besteht. Das Problem der Stabilität wird noch angesprochen.


Flügelbau

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Jede Flügelhälfte wird aus zwei Teilen zusammengebaut, einer vorderen Nasenregion und einem Hinterteil. Beide werden auf Sperrholzholmen zusammengesteckt, anschließend mit einem oberen und unteren 5 x 10 mm Kiefernsteg dauerhaft verbunden. Eine seltenere aber sicher zweckmäßige Bauweise.

Ein Kritikpunkt: Als Endleiste fungiert ein gefrästes 3 mm Sperrholzbrett, das zusätzlich Querrudern und Landeklappen als Lager dient. Bei starker Belastung erscheint mir hier eine Bruchstelle programmiert zu sein. Eine Verstärkung mit einer GfK-Matte bietet sich an.


Fahrwerksbau

Hier ist der Modellbauer auf sich gestellt. Unter der Maßgabe, möglichst scale und stabil zu bauen, entschied ich mich für 6 mm Rundstahl. Photos von Originalflugzeugen aus dem Internet lieferten die Vorlage für die Winkelschablonen, nach denen die Streben gebogen wurden. Die anstehenden Arbeiten setzen Kenntnisse in der Metallverarbeitung voraus:

Anglühen des Federstahles über einer offenen Flamme und gemäß Schablone biegen, dann abkühlen, anschließend erneutes Aufwärmen und Abschrecken im Ölbad. Damit soll, so sagte man mir, die Elastizität des Metalls wiedergewonnen werden. Im nächsten Schritt folgte das Hartverlöten der einzelnen Teile. Die endgültige Stabilisierung des Fahrwerkes erfolgt durch Abfangen des dritten Arms über eine am Rumpfspant verankerte Feder. Alles in allem war dieser Bauabschnitt anspruchsvoll, zumindest für mich!


Finish-Bild

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Angelehnt an Originalunterlagen entschied ich mich für die gelb/schwarze Farbgebung mittels der gut zu verarbeitenden Oratexfolie. Meiner Enkelin zu Liebe fiel die Wahl auf Biene Maja Allegorien. Aufschriften wie "SUMM SUMM AIRLINES" und "Biene Maja" stammen aus dem Plotter eines Vereinskollegen. Eine hinter der Kabinenhaube eingebaute Schleppkupplung wird mechanisch mit einem Schalter gekoppelt, der einen Blinker bedient: Klinke zu, Blinker an, Klinke auf, Blinker aus. Modellbau ist schließlich eine hochernste Angelegenheit.


Preis-Leistungs-Verhältnis

Der Kaufpreis ist inzwischen bei 485 € angekommen. Man muss dies wohl im Rahmen der allgemeinen Holzverteuerung sehen. Die Holzqualität ist exzellent. Ruderscharniere, Anlenkungen und sonstige Kleinteile gehörten bei meiner Sendung nicht zum Lieferumfang.


Flugerprobung

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Der Abschlusscheck zu Hause: Auswiegen, Überprüfung von Akkukapazität und Doppelstromversorgung, immerhin sind 10 Servos zu versorgen, Ruderwege, Motoreinstellung, nicht zu vergessen: Der Reichweitentest.

Tag 1 auf dem Flugfeld: Nach 10 m zog der ZG 62 die PAWNEE in die Luft ,

45°-Steigflug bei Halbgas. Der erste Eindruck: Die Maschine war etwas schwanzlastig und zeigte nur träge Reaktion auf Querruder.

Seitenruderhilfe war erforderlich aber äußerst bissige Reaktion bei Betätigung des Höhenruders. Ein auffrischender Wind wurde von mir und der Maschine in gleicher Weise als unangenehm empfunden. Die während des Fluges ausgefahrenen Klappen führten zu einer deutlichen Beruhigung. Es folgte eine problemlose Landung. Das Wetter verbot jedoch weitere Versuche.

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Tag 2: Die Akkus habe ich um 5 cm nach vorne verlegt, den Höhenruderausschlag um die Hälfte reduziert, Expo 40%. Nach dem Abheben gebärdete sich die PAWNEE um die Hochachse wie ein taumelder Springbock, sie war auch unter größten Mühen kaum in der Luft zu halten. Zu allem Überfluss gab der Motor noch seinen Geist auf. Die Maschine berührte eine Baumspitze und fiel glücklicherweise rücklings zwischen zwei Eichen auf einen Laubhaufen. Das Heck wirkte als Knautschzone. Bis eine Handbreit hinter der Kabinenhaube entstand ein Trümmerfeld, der vordere Teil inklusive Flügel blieben unbeschädigt.

Was war passiert?

Der Gabelkopf am Vergaser (keine Schlauchsicherung!) hatte sich vom Vergaser gelöst. Das war die Ursache des Abstellers; im rechten Flügel war ein Pluskabel 2 cm hinter dem Hochstromstecker unter Erhalt der Ummantelung gebrochen, dies bewirkte den Ausfall des Querruders.


Wiederaufbau

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Was wäre Modellbau ohne Reparatur?

Den Vorteil der CNC-Bauweise nutzend schickte mir Herr Schneider nach telefonischer Beratung neue Frästeile.

Neubau von Rumpfheck und Leitwerken. Der letzte heile Spant (R9) hinter der Kabinenhaube wurde mit dem gleichen Spant des neuen Hecks bei gleichzeitiger Schäftung der Gurte gedoppelt. Eine Sicherung durch Kohlerovings und fertig war die Laube. Es gab keinen wesentlichen Gewichtszuwachs, keine Stabilitätsminderung und keinen kosmetischen Schaden. Hier liegen eben im Reparaturfall die Vorteile der Holzbauweise.

Die in Einholzbauart erstellten Höhen- und Seitenruder der Erstversion erwiesen sich als verzugsgefährdet. Beim Neubau habe ich Kopfleiste und Randbögen mit 20 g-Matten verstärkt.

Tag 3: Fortsetzung der Erprobung nach Fertigstellung. Anwerfen, Abheben und Genießen. So sah es zunächst aus. Ein bestechendes Flugbild bei nach wie vor nervöser Reaktion auf Höhe. Doch plötzlich eine unvermittelte Neigung zum Wegtauchen. Die PAWNEE konnte nur mit gezogenem Höhenruder in der Luft gehalten werden, dennoch war eine Notlandung im Kornfeld nicht zu vermeiden.

Was war geschehen? Man glaubt es nicht: Die Scharniere des rechten Höhen- und teilweise des Seitenruders hatten ihre Führungsstifte verloren.

Tag 4: Nach dem Austausch der Rudergelenke wollten wir es nun endlich wissen:

Abheben, Trimmen, Horizontalflug! Zunächst ein schönes Bild. Nach fünf Minuten eine weitere Überraschung: Im Geradeausflug löste sich ein rotes Teil. Hilfe! Das Seitenruder? Unsere Befürchtung fand nach der Landung nur teilweise eine Bestätigung: Die Kuppe des Seitenruders war am Oberrand abgebrochen.

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Tag 5: Das Ruder wurde mit einem durchgebohrten Kohlefaserrohr verstärkt. Wieder ging es in die Luft, verbunden mit der Frage: Was nervt uns denn heute?

Unsere Geduld wurde belohnt: Einwandfreier Start, schönes Flugbild, gute Langsamflugeigenschaft, majestätische Landung.

Man mag sie oder man mag sie nicht: Nein, nein, wir reden nicht von der leibhaftigen, natürlich heiß geliebten Schwiegermammi, sondern von meiner Piper PAWNEE mit ihrem gedrungenen Körper, den Überkopf-Streben, der V-Form mit verminderter Querruderwirkung und nicht zu vergessen, der skurril schönen Kabinenhaube, kurz gesagt, von einem Hingucker auf jeder Flugschau!

Technische Daten: Piper PAWNEE
Einheit
Spannweite
mm
2700
Länge
mm
1760
Rohbau gesamt
kg
4,374
Rumpf vollständig ausgerüstet
kg
7,6
Flügel
kg
2,8
betankt
kg
10,4
Weitere Angaben: Piper PAWNEE
EWD
Schwerpunktposition (hinter Nasenleiste)
mm
115-126
Motorsturz
Seitenzug
MotorZG 62S mit Vergaserumlenkung, Rumpfansaugung
SchalldämpferTC Edelstahl/System Piper
Räder
mm
⌀ 120 (Kavan)
7 Servos
Höhe, Seite, Quer, Landeklappen
Hitec 645 mg
3 Servos
Gas, Choke, Schleppkupplung
No name
HerstellerSchneider Günther Modellbau, Kufstein
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Aber hallo :D
Echt toll geschrieben. Hat Freude gemacht den Artikel zu lesen.
Ich wünsche dir viele schöne Flüge mit der hässlich schönen Madam
 
Hallo So ein Kind kann nur die Mutter Lieben !
Schöner Bericht
Das Geile Flugbild ist nur Schön immer Wieder !
In der Piper IG sind eben Zwei im Entstehen eine vom Gurken ... .. ? eine nach Plan !
mit über 3 Meter Spannweite

LG
Gerhard
 
Wie immer sind deine Berichte sehr lesenswert.
Richtig in der Sache und humorvoll im Text.
Da macht das lesen einfach Spaß.
Aber bitte komme mit dem Ungetüm nicht auf die Insel. :D
Bis bald mein Freund.
Gruß.
Michael
 
Das wird auch kaum gehen -E lses Kofferflut versperrt das Auto. Allerdings würde das Ungetüm prima zu Euren windschiefen Inselbombern passen!
Ein fröhliches moin, moin an Dich Du oller Friese!
Jürgen Rosenberge
 

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