Entwicklung eines Profilstraks mit Xoptfoil - Finale
Entwicklung eines Profilstraks mit Xoptfoil - Finale
Wie bei vielen anderen Dingen gilt wohl insbesondere auch bei der Profilentwicklung „Der erste Wurf ist nur zur Übung“. Nachdem ich mich entschlossen hatte, die Flächen wegen „konstruktiver Mängel“ neu aufzubauen, sollten auch der Profilstrak neu entworfen werden. Das Ziel: Alles aus Xoptfoil herauszukitzeln, was (zumindest für mich) möglich ist.
Dem Quereinsteiger zu diesem Thema und zu Xoptfoil im Allgemeinen empfehle ich, zunächst die ersten Beiträge dieses Themas zu lesen.
Das hatte ich mir dann doch einfacher vorgestellt: Schnell mal einen neuen Profilstrak machen, der alles besser kann.
Zumindest schnell wurde deutlich, dass ich mich mit meinen Anforderungen im Grenzbereich bewege, was mit Xoptfoil derzeit möglich ist. Im Lauf der Zeit wurden mir auch zunehmend bestimmte Schwächen bzw. Unschönheiten der gegenwärtigen Xoptfoil-Implementierung bewusst. Da ich aber nach wie vor von dem grundlegenden Ansatz begeistert war (und bin), begann ich, mich mit dem Programm selbst zu beschäftigen und schließlich mehr und mehr Modifikationen in der Softeware vorzunehmen.
Die nun neu entstandenen Profile sind meiner Meinung nach für den angestrebten Einsatzbereich recht gut geworden (ach was – die sind verdammt gut geworden!
) Dazu und noch zu ein paar weiteren Aspekten der Optimierung möchten ich in diesem „finalen Beitrag“ schreiben.
Rahmenvorgaben und Ziele des Profilstraks
Nochmals kurz zusammengefasst, die ursprünglichen Rahmenvorgaben, die auch für den Neuentwurf gelten sollten:
- Spannweite ca. 2,8m, 4 Klappen-Flügel
- Fluggewicht 1,7 - 2,3 kg
- Flächentiefe an der Wurzel 260mm, an der Flügelspitze ca. 110m
- Re√ca 130.000 (Wurzel) – 60.000 (Flügelspitze)
- Einsatz: Flotter Hangflug mit Freude am Steigen bei entsprechenden Aufwinden
Beim ersten Entwurf wurde deutlich, dass die Vorgabe „Keine gewölbte Profilunterseite“ doch deutliche Leistungseinbußen bei mittleren bis hohen ca-Werten zur Folge hatte. Daher wurde diese Vorgabe für die Neuentwicklung nicht mehr gemacht. Allerdings sollte eine Mindestbauhöhe im Endleistenbereich eingehalten werden, um die Flächen in Holzbau ohne zu viel CFK-Einsatz umsetzen zu können.
Das Referenzprofil
Bei zahlreichen Vergleichen mit anderen bewährten Profilen fiel mir immer wieder das NM 12 von Nicolas Mathis besonders auf. Das NM 12 ist ein wirklich hervorragender Entwurf für den von mir vorgesehenen Einsatzbereich, das schon sehr nahe an mein gesuchtes Ideal herankommt:
Das NM 12 im Vergleich zu anderen typischen Profilen in der Typ 2 Polare. Gut zu sehen ist seine Stärke zwischen ca = 0,1 – 0,5. Der bisherige Entwurf ist grün gestrichelt…
Den kurz aufkommenden Gedanken „Nimm doch einfach das NM12!“ schob ich dann aber schnell zur Seite – das wäre dann doch zu einfach gewesen. Auch gibt es ein paar wenige Eigenschaften des NM 12, die ich gerne anders hätte.
Die von mir gewünschten „Veränderungen“ am Profil NM 12: Homogenerer Verlauf der Typ 2 Polare im oberen ca-Bereich und eine größere Dicke nahe der Hinterkante.
Mein Wunsch war es, auch im oberen ca-Bereich einen möglichst homogenen Verlauf zu haben um auch bei unsteten Verhältnissen (Wind oder Knüppel) tolerante Flugeinschaften zu haben. Und schließlich sollte wie eingangs erwähnt, der Endleistenbereich nicht zu dünn werden, um die konstruktive Auslegung zu vereinfachen. Als Vergleichs-Messlatte ist das NM 12 aber bestens geeignet.
Modifikationen an Xoptfoil
Die finale Optimierung eines Profils mit Xoptfoil kann eine knifflige, vor allem auch zeitintensive Angelegenheit sein. Möchte man beispielsweise den cw-Wert an einem Arbeitspunkt der Polare noch ein bisschen verbessern, kann es sein, dass ein anderer Arbeitspunkt -typischerweise am anderen Ende der Polare - sich schlagartig verschlechtert. Man versucht, dieses wackelige Spiel mit der Gewichtung der Arbeitspunkte einigermaßen hinzubekommen. Oft geht es dann nur noch um „ein Prozent hier mehr“, dort um ein „kleines Bisschen weniger“. Um dies zu vereinfachen, implementierte ich in Xoptfoil „Aerodynamische Zielwerte“ mit denen man beispielsweise vorgeben kann, welcher cw-Wert bei einem bestimmten ca-Wert der Polare erreicht werden soll.
Auf die Spitze getriebenen, kann man mit diesen Zielwerten eine Ziel-Polare „auf dem Papier“ definieren, diese dann an Xoptfoil übergeben und am Ende bekommt man das zugehörige Profil als Ergebnis. Cool!
Ein wenig realistischer ist eine Anforderung, bei der man ein vorhandenes Profil beispielsweise nur über ca = 0,7 optimieren will - die restlichen Eigenschaften aber beibehalten möchte.
Eine weitere Modifikation von Xoptfoil waren „Geometrische Ziele“ um beispielsweise eine „Wunschdicke“ des Profils an der Wurzel zu bekommen. Es ist interessant zu sehen, wie dann während eines Optimierungslaufes aerodynamische und geometrische Ziele versuchen, sich „untereinander zu einigen“.
Intensiver beschäftigte ich mich schließlich mit der Oberflächenqualität der von Xoptfoil erzeugten Profile. Insbesondere in der Geschwindigkeitsverteilung über das Profil sind manchmal „schwache Hügel“ auszumachen - wenn man näher hineinzoomt dann kleine Unstetigkeiten. Meine anfängliche Vermutung, dass hier der Partikel-Schwarm bei seinem unermüdlichen Hämmern auf das Profil seine Narben hinterlässt hat (siehe dazu den Eingangsbeitrag), erwies sich als falsch. Xoptfoil erzeugt nach genügend Iterationen fast perfekt, homogene Profilveränderungen.
Wer dazu gerne noch ein wenig tiefer in "meine Forschungsergebnisse" eintauchen möchte, insbesondere auch zum Thema „Smoothing von Profilen“, findet hier noch zusätzlichen Lesestoff:
https://www.rcgroups.com/forums/showpost.php?p=43250459&postcount=561
Das von mir modifizierte Xoptfoil – genannt Xoptfoil-JX – ist auf „Github“ abgelegt:
https://github.com/jxjo/Xoptfoil
Der neue Strak
Nach diesem ungeplanten Ausflug in die Softwareentwicklung konnte es dann endlich an die Berechnung des neuen Straks gehen. Dem unermüdlichen Suchen des Partikel-Schwarms nach dem, entsprechend meiner Gewichtung vorgegebenen, aerodynamisch optimalen Profil, habe ich nur eine Wunschprofildicke an der Wurzel von 7,65% und eine (indirekte) Mindestdicke des Profils bei x/c = 0,7 mitgegeben.
Als Ausgangsprofil wurde wieder das Profil HD 45 verwendet. Dieses ist allerdings nach der Optimierung nicht mehr zu wiederzuerkennen (Herr Delago kann mir hoffentlich verzeihen). Es hat sich bei den zahlreichen Optimierungsläufen herausgestellt, dass das Ausgangsprofil nicht so entscheidend ist, wie ich ursprünglich angenommen habe. Richtig eingestellt findet Xoptfoil auch über einen Umweg das optimale Profil.
Wie bereits beschrieben, ergibt sich das jeweils nächste Strakprofil aus dem zuvor errechneten Profil mit neuen RE-Zahl-Werten an den definierten Arbeitspunkten.
Insgesamt wurden schließlich 4 Strakprofile zwischen Re√ca 130.000 (Wurzel) – 60.000 (Flügelspitze) gerechnet. Zur Flügelspitze hin wurde mehr auf eine „breitbandige, robuste Polare“ als auf einen Spitzenwert bei einem bestimmten ca-Wert optimiert.
Die Optimierung erfolgte für alle Profile bis hinunter zu ca=0,05. Die Polare darunter, insbesondere auch für negative ca-Werte (Rückflug) wurde zwar im Auge behalten, aber zugunsten der Eigenschaften im typischen Flugbereich ca=0,1 – 0,7 nicht optimiert sondern nachgezogen.
Der neue Strak mit dem Basisprofil JX HX 13 mit 7,65% Dicke. Bis zur Flächenspitze nimmt die Dicke kontinuierlich bis auf 7,3% ab.
Der angestrebte leichte Aufdickung im Endleistenbereich erhöht die Baubarkeit (zu Lasten weniger Prozentpunkte Gleitleistung im mittel-hohen ca-Bereich)
Mit dem Ergebnis bin ich nun recht zufrieden. Gegenüber dem ersten Profilstrak ist der neue Strak in fast allen Bereichen überlegen - insbesondere hat er deutlich mehr Reserven bei höheren ca-Werten.
Da bei dieser Neuberechnung noch mehr „X“ (Xoptfoil und Xflr5) am Werk war, habe ich den Strak JX HX … genannt. Das Wurzelprofil JX HX 13 ist recht breitbandig und kann problemlos im Bereich Re√ca 100.000 – 150.00 eingesetzt werden (eigentlich bräuchte es das 110er im Strak gar nicht)
Die Typ 2 Polare des neuen Straks JX HX. Gegenüber dem Referenzprofil NM 12 hat das Basisprofil JX HX 13 ein wenig an Spitzenleistung verloren, ist dafür aber breitbandiger ausgelegt.Das Basisprofil des ersten Straks JX HD 13 duckt sich nun ziemlich weg und kann nur noch bei ca-Werten < 0,1 punkten.
Rechtzeitig zur Winterszeit, kann es nun (endlich) an den Bau der neuen Flächen gehen. Und hoffentlich bewahrheitet sich dann im neuen Jahr, dass sich der Kampf um den letzten hundertstel Millimeter Profil auch gelohnt hat
Angehängt sind die 4 neuen Strakprofile für die auch hier gilt: original und unbehandelt aus der Partikel-Schwarm-Werkstatt.
Viele Grüße
Jochen