Ein antiker Tiefdecker?
Joachim Loebig
Joachim Loebig
Ja, auch das gibt es. Seit geraumer Zeit baue ich schon Antikmodelle und besuche auch viele Veranstaltungen des AMD. Auf der Suche nach einem handlichen Motorflieger fiel mir der TOURIST auf. Es ist mal kein Hochdecker wie beispielsweise der Kadett, sondern einer der wenigen Tiefdecker aus der damaligen Zeit. Ein handlicher „Sport“-Tiefdecker mit 1,2 m Spannweite. Die Pläne waren dank der Planarchive schnell besorgt und ich fand auch jemand aus dem AMD-Kreis, der einen fertigen Frästeilesatz anbietet. Es konnte also gleich los gehen. Der Bauaufwand hält sich bei dem Modell in Grenzen, da das Modell „schon“ in Balsabauweise und nicht in der damals auch noch üblichen Sperrholzleisten und -brettchenbauweise konstruiert ist.
Der Rumpf, bestehend aus den Rumpfwänden, dem Rumpfrücken, der Kabinenhaube und ein paar Spanten, stellt in zwei Punkten eine Herausforderung für den Modellbauer dar. Als Erstes ist es der Rumpfrücken, der vorne einen Radius von etwa 5 cm und hinten einen von 1cm aufweist. Die zweite Herausforderung ist die Kabinenhaube, dazu später mehr. Das vorgesehene 1,5 mm Balsa will sich nicht von alleine dem Rumpfrücken anpassen, dafür ist der hintere Radius zu klein. Ich habe es mit der Dampfmethode versucht. Dabei wird das Balsaholz mit Wasserdampf so lange befeuchtet und erhitzt, bis es sich ohne viel Kraft um den Radius biegen lässt. Ich mache das mit Wasser und der Heißluftpistole. Das Holz wird mit Wasser feucht gehalten und dann durch die Heißluft erhitzt. Das Ganze wird so lange wiederholt, bis sich das Holz „weich“ anfühlt und um den benötigten Radius biegen lässt. Dieses Konstrukt hab ich dann mit Gummis über Nacht auf dem Rumpfrücken fixiert.
Den Flügel und das Seitenleitwerk habe ich nach Plan gebaut. Lediglich die beweglichen Ruder, die nicht im Plan vorgesehen sind, da der TOURIST von K. H. Denzin als Freiflugmodell konstruiert wurde, sind meine individuellen Modifikationen. Das Modell hat laut Plan ein „tragendes“ Höhenleitwerk. Ich habe keine guten Erfahrungen bei Motormodellen mit dieser Art von Leitwerk und baute deshalb ein HLW in Leiterbauweise aus 3 x 3 mm Leisten in der gleichen Größe. Das war es auch schon. Der Rohbau war nach gut 20 Stunden abgeschlossen.
Bespannt habe ich das Modell mit Polyester-Vlies, das ein hervorragender Ersatz für die früher übliche Papierbespannung ist. Das Vlies ist bei diversen Händlern, die Antikmodelle anbieten, erhältlich. Es folgte ein einmaliger Anstrich mit Spannlack. Danach habe ich das Dekor aus farbigem Bespannpapier mit Kleister aufgebracht. Auch die bunte Beschriftung ist in diesem Fall aus mit dem Laser geschnitten Bespannpapier. Anschließend gab es noch mal drei Spannlackanstriche für den gesamten Flieger. Die Kabinenhaube habe ich, wie es laut Bauanleitung vorgesehen ist, versucht, aus zwei Teilen Klarsichtplastik nachzubauen. Das Ganze wollte nicht so richtig gelingen und ich entschloss mich deshalb, einen Formklotz herzustellen, um die Haube aus einem Stück tiefzuziehen.
Die Restarbeiten waren schnell erledigt: Servos, Motor, Regler und Empfänger einbauen. Ein wenig Gefummel war das angelenkte Bugfahrwerk, das es als Fertigteil gibt.
Beim Auswiegen merkte ich, warum K. H. Denzin ein tragendes HLW vorgesehen hat. Ich brauchte 50 g Blei in der Nase. Das Modell wiegt flugfertig jetzt 650 g.
Der Erstflug stand an. Ich suchte mir einen wenig genutzten Feldweg. Mit den 50 mm Rädern ist ein Bodenstart von einer normalen Wiese nämlich nicht möglich. Der Start erfolgte auf dem geteerten Feldweg. Der gesamt Erstflug verlief völlig ohne Probleme, vom Start über den Flug bis zur Landung.
Das hatte ich nicht erwartet! Zumal ich glaubte, dass das ursprüngliche Freiflugmodell für einen Bodenstart nicht geeignet wäre. Bei weiteren Flügen habe ich den TOURIST auch von einer kurz gemähten Graspiste gestartet. Das Fliegen mit einem Antikmodell hat weder etwas mit 3D noch mit Speedfliegen zu tun. Der TOURIST lässt sich dennoch um alle Achsen sehr gut steuern und fliegt Loopings und Rollen erstaunlich gut. Ermöglicht wird das auch durch die heute vorhandene Leistung des Elektroantriebs. Der damalige Diesel hatte 0,075 kW, der eingebaute Brushless bietet dank 3S 850er Lipo und einer 8x4 Luftschraube gut das Doppelte. Zum Fliegen reicht mit diesem Antrieb die Hälfte oder sogar 1/3 der Leistung aus.
Ein paar Restarbeiten sind noch zu machen. Ein Pilot wird noch im Cockpit Platz nehmen, der Spinner und die Queruderservoabdeckungen fehlen auch noch. Mein Kumpel Rüdiger wünscht sich vorne an der Cowling noch einen Abschlussring. Ich werde ihm den Wunsch wohl auch erfüllen.
Alles in allem hat sich der Bau gelohnt. Das Modell hat eine gefällige Form und fliegt sehr schön. Ich würde ihn jederzeit wieder bauen.
Wer Fragen zu dem Flieger hat oder bei der Teilebeschaffung Hilfe benötigt, kann sich gerne an mich wenden.
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