Gewollte und ungewollte Testflüge
Gerhard hat es schon erwähnt. Boomi hatten mal wieder seine eigenen Vorstellungen vom Testprogramm.
Auch wenn die ungewöhnliche Geometrie des Boomerangs mit dem Ziel entwickelt wurde das Handling bei „Verlust“ eines Motors deutlich zu entschärfen kommen doch Zweifel auf, wenn man auf dem Boden die Seitenleitwerke festhält und die starken Seitenzugmomente spürt wenn jeweils nur ein Motor volle Drehzahl hat.
Auch die unterschiedlichen Abstände der Motorachsen vom Schwerpunkt sind mehr als deutlich zu spüren. Der Motor im Seitenrumpf erzeugt mit seinem 412 mm großen Hebelarm ein erheblich größeres Giermoment als der Motor im Rumpf mit seinem 235 mm kleinen Hebelarm.
Im Bild könnt ihr auch die Modifikation der Flächentiefen, Burts Schwerpunktangabe sowie unsere vordere und hintere Schwerpunktposition sehen. Z.Zt. fliegen wir an der vorderen Position.
Wenn der Motor im Rumpf ausfällt, der stehende Prop noch zusätzlichen Widerstand erzeugt und der Motor im Seitenrumpf mit seinem großen Hebelarm auf vollem Schub arbeitet stellt dies die kritischste Situation (worst case) dar vor der wir am meisten Respekt haben. Das ist also nicht mehr steigerungsfähig! Oder doch?
Die eiserne Regel bei zweimotorigen Flugzeugen heißt: “Bei Motoraus immer über den noch laufenden Motor kurven.“ D.h. bei Motoraus beim Rumpfmotor nur Linkskurven fliegen. So war es abgesprochen und Gerhard hatte mich gebeten ihn im Fall der Fälle lautstark daran zu erinnern.
Wenn man filmt und durch einen digitalen Sucher schaut, spielen die Propeller optisch teilweise verrückt wie bei einem Stroboskop. Als man hinter mir rief „Motoraus“ stand für mich rein optisch der linke Propeller und ich rief „nur noch Rechtskurven!“
Die folgenden Bilder geben ca. 3 Sekunden ab dem Absteller wieder (ab 2:31 im Video). Gerhard hat die durch den Absteller verursachte Rollbewegung nach rechts innerhalb kürzester Zeit in eine Linkskurve überführt.
Danach wurde aber die durch meinen Zuruf eingeforderte Rechtskurve eingeleitet.
Nach mehrmaligem Hinschauen ohne Sucher wurde mir auch klar, dass der rechte Motor steht und nicht der Linke und wir fleißig über den stehenden Motor kreisten. Das war dann die o.g. Steigerung (worst case)²!
Mit Trimmung auf Links hatte Gerhard den Vogel wieder auf Gradeausflug eingetrimmt und er flog etwas antriebsschwächer aber normal weiter. Eine weitere irgendwann notwendige Linkskurve war jetzt auch kein Problem mehr. Der erste Landanflug war zu hoch angesetzt, kritischer Moment, Durchstarten war angesagt. Das Giermoment beim Übergang von Leerlauf auf Vollgas war aber so gering, dass es intuitiv ausgeglichen wurde, ein bewusstes Gegensteuern war nicht einmal erforderlich. Der zweite Landeanflug wurde dann wieder- entgegen der Regel - mit einer Rechtskurve problemlos eingeleitet. Die einmotorige Landung war im Anflug etwas unruhiger aber ansonsten normal.
Gerhards Bemerkung dass wir damit auch diesen Testpunkt abgearbeitet haben löste dann doch bei uns ein erleichterndes Gelächter aus.
Im zweiten Flug sollte nun endlich der Flieger zum Überziehen gebracht werden. Die Querruder waren auf 15° und die Mittelflügelklappe auf 25° gewölbt (LH_Mi_RH) = (15_25_15)
In ca. 200m Höhe wurden die Motoren bis zum Leerlauf gedrosselt, zunächst (5_7_5) gewölbt um danach auf die (15-25-15) Wölbung überzugehen. Das Höhenruder wurde langsam bis nahezu Vollausschlag gezogen (3:31 im Video). Der Boomerang baute mit erhöhtem Anstellwinkel die Fahrt bis auf unter 50 km/h ab und ging mit dieser Anstellung und Geschwindigkeit in einen Sackflug über, der dann bei Sekunde 30 im folgenden Diagramm bewusst von Gerhard beendet wurde.
Die folgende Landung wurde bereits mit der Stellung (15-25-15) geflogen. Das Höheruder musste dazu aber 8° auf Tiefe getrimmt werden.
Die Landungen wurden bisher noch nicht mit erhöhtem Anstellwinkel durchgeführt. Die Aufsetzgeschwindigkeit lag immer noch bei über 70 km/h. Mit dem Wissen, dass es auch langsamer geht werden wir versuchen, uns langsam in Richtung 50 km/h vorarbeiten.
Der Ausschlag der Klappe am Mittelflügel kann vermutlich noch weiter bis auf 45°? vergrößert werden.
Die Leerlaufdrehzahl ist sicherlich auch noch ein Optimierungspunkt, schließlich fliegen wir mit einer 18“ Propsteigung. Der Absteller hat uns aber hier zur Vorsicht gemahnt.
Kleine Bemerkung zum gutmütigen Flugverhalten. Wir haben das für den Segelkunstflug von Helmut Quabeck entwickelte HQ/ACRO-2/13 mit 2% Wölbung und 13% Dicke verwendet. Es geht unverändert und ohne Verwindung nahezu über die ganze Flügellänge. Nur die Tips sind zum Ende hin auf ein symetrisches HQ/ACRO-0/13 gestrakt. Der folgende Profilvergleich lässt schon erahnen warum das gutmütige HQ/ACRO-2/13 ausgewählt wurde. Das AMISOIL2 ist übrigens das Profil des Originalboomerangs. Bei niedrigeren Reynoldszahlen punktet das ACRO-Profil noch deutlicher.
Gruß Erwin