„Was ganz lange währt, wird richtig gut“ (oder so ähnlich)
So einige gewollte und auch nicht gewollte Verzögerungen mussten wir hinter uns bringen bevor wir dann bei mir mit „leicht“ erhöhtem Pulsschlag unseren Erstflug am 18.07.2023 angingen.
Schlechtes Wetter, Platz belegt, Austausch eines weiteren abgerauchten Drosselservos, 18km/h Crosswind, mehrfache Überprüfung der Programmierung, ergänzende Mischer etc. waren so die Hürden die sich einem früheren Erstflug in den Wege stellten.
Die Aufgabenteilung im Projekt war: Erstflugpilot, elektrische Ausrüstung und Motoren waren auf Gerhards Seite, konstruktive und aerodynamische Auslegung sowie Festlegung der Bauweise waren auf meiner Seite. Gebaut haben wir dann natürlich gemeinsam. Also aus der Verantwortung konnte und wollte sich keiner herausreden.
Wir waren uns schon lange darüber einig, dass wir den Erstflug auf einer ausreichend breiten und langen Asphaltpiste durchführen wollten. Boomi sollte richtig Fahrt aufnehmen bevor wir (Gerhard) am Höhenruder ziehen durften. 15m Breite und 600m Länge waren dann auch für uns ausreichend.
Bewölkt, 22 °C und bis zu 4 m/s Wind von schräg links vorne waren nahezu ideale Randbedingungen.
Ricci aus unserem Verein und meine Tochter Hanna waren für die Foto- und Filmdokumentation zuständig.
Letzter Motorentest mit der Erkenntnis die Leerlaufdrehzahl zu Sicherheit noch etwas anzuheben.
Für den Testlauf hatten wir den Flieger zudem genau im Schwerpunkt angeseilt, um ein Gefühl für die Giermomente bei unterschiedlichen Motorkonstellationen und Drehzahlen zu bekommen.
- Wenn beide Motoren auf Vollgas laufen ergibt sich ein spürbares Moment nach rechts, welches aber unserer Meinung nach durch Seitenrudertrimmung ausgleichbar ist. Dafür hatte Gerhard eine zusätzliche Seitenrudertrimmfunktion auf einen Schieberegler programmiert. Auch hatte er über einen weiteren Schiebepoti die Möglichkeit geschaffen, die Drehzahl des linken Motors über eine Proportionalfunktion herunter zu regeln.
- Motor links aus und rechts auf Vollgas ergibt natürlich ein Giermoment nach links. Das wäre wohl auch noch mit der Seitenrudertrimmfunktion ausgleichbar.
- Rechter Motor aus und linker auf Vollgas erzeugt ein recht kräftiges Moment nach rechts, dessen Ausgleichsmöglichkeiten für mich zweifelhaft waren. „Wenn das passiert und du nicht innerhalb von ein paar Sekunden den Flieger stabilisieren kannst, mach beide Motoren aus. Boomi sollte eine Gleitzahl von mindesten 10 haben und bei ausreichender Höhe kommst du dann einfach reingesegelt“ war meine Anweisung an Gerhard. So richtig auf Begeisterung bin ich damit bei ihm nicht gestoßen.
Mit sauber getrimmtem Bugfahrwerk (so einen Luxus hat der Originalboomerang nicht, der wird über die Hauptfahrwerksbremsen auf Spur gehalten) schoss Boomi regelrecht mit leichten Seitenruderkorrekturen bei den Rollversuchen geradeaus nach vorn.
Erstflugfreigabe erteilt
Klappen (Querruder und Mittelflügel) mit 6° gewölbt, dann Gasknüppel gefühlvoll nach vorn, kurze Richtungskorrektur, Vollgas und ………..der Boomerang beförderte sich selbständig nach überraschend kurzer Strecke in sein vorbestimmtes Element.
Gerhard musste dann schnell für den weiteren Steigflug 2-3° auf Tiefe trimmen um die Steigrate zu reduzieren. Wir hatten der 6°-Klappenstellung keine Tiefe beigemischt da die Berechnung kein signifikantes Steigen ausgewiesen hatte.
Als sich Boomi dann satt in die gesteuerte Rechtskurve legte und die folgende Linkskurve auch zur Selbstverständlichkeit wurde konnten wir dem weiteren Flug entspannter entgegen sehen. Ein kurzer Versuch mit der Klappenstellung für die Landung führte zu einem so deutlichen Steigen der Maschine, dass Gerhard entschied diese Stellung ohne Höhenruder-Beimischung nicht zu benutzen. Er hat dann aus Spaß am gezeigten guten Flugverhalten das eigentliche Erstflugprogramm vergessen und es kam fast ein Jet-Feeling auf. Etwas über 200 km/h wurde dann aus den GPS-Daten online ermittelt und uns durch eine freundliche Frauenstimme aus dem Sender mitgeteilt.
Gerhard hat oben gefragt „Strömungsabriss was ist das?“. Ich bin sicher, dass wenn der Abriss kommt er sich schlagartig daran erinnern wird
! Manchmal muss man auf diesen Optimisten ein wenig aufpassen! Es werden noch so einige Testflüge notwendig sein, um mit dem Verhalten des Boomerangs so vertraut zu sein, dass man ihn sicher fliegen kann, insbesondere natürlich auf Flugtagen und dann in voller Bemalung und Lichtführung.
Etwas langsamer musste es dann werden, um die Fahrwerksklappen zu öffnen, die Fahrwerke auszufahren und die Fahrwerkslappen wieder zu schließen. Zusätzlich wurden die Flügel für die Landung wiederum mit 6° gewölbt. Alle anderen Klappenstellungen hatten wir ja noch nicht ausreichend getestet! Pünktlich zur Landung stellte sich dann auch ein schöner Crosswind ein und Gerhard zeigte, dass solche Situationen mit dem Boomerang auch gemeistert werden können. Der Vogel war heil am Boden und das Grinsen begann
. Bei den nächsten Flügen werden wir an der B-Note der Landung noch ein wenig feilen.
Hier nun der Videobeweis zum obigen Text:
Nach der Landung alles einmal durchgeprüft. Ein kleiner Schreck fuhr uns in die Knochen als wir feststellten, dass beide Seitenruderservos einen Getriebeschaden hatten. Hier waren aus Gewichtsgründen leichte Servos verbaut und die Belastungen waren offensichtlich höher als erwartet.
Erfreulich gering war der Spritverbrauch nach 7 Minuten Flugzeit. Mit den Beuteltanks von je ca. 500 ml sind Flugzeiten von 30 Minuten möglich. Da dies nicht erforderlich ist können wir kleinere Tanks schweißen, wenn das Gewicht mit Lackierung und Beleuchtung über 25 kg kommen sollte.
Drei Daten aus dem GPS-System für die die es interessiert.
- Abhebegeschwindigkeit beim Start: 80 km/h
- Maximale Fluggeschwindigkeit: über 200 km/h (vermutlich noch steigerungsfähig bis zum Flattern der Flügel)
- Landegeschwindigkeit: 80km/h (das geht bestimmt noch langsamer)
Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Fotos/Videos vom Erstflug. Einige werden wir sicherlich hier noch veröffentlichen und auch von den weiteren Testflügen berichten.
Gruß
Erwin und Gerhard