Hallo Loide,
als Oberlehrer mache ich heute einmal wieder Samstagsunterricht......und zwar zum Thema von Jan, der ursprünglich fragte:
Langsam fliegen mittels Vorflügel: Wie kann ich das realisieren?
Wir sollten uns darauf konzentrieren, sonst kommt der Rektor (oder heisst es korrekt: Rektor/ Rektor*in/ Rektum ?) von RC-Network und knurrt etwas von "Thema verfehlt". Davor fürchet sich auch der Besserwisser.
Wer die bisherigen fachlichen und mit Zahlen, Daten und Fakten ausführlich belegten Beiträge gelesen und verstanden hat, wird sich fragen: Dann müsste es doch reihenweise Modelle geben, die damit fliegen, oder?
Ja, die gibt es in großer Zahl, aber sie sind trotz Verwendung z.B. des Storch-Originalprofils so schwer, dass sie eben nicht "Scale"-ähnlich (siehe Beiträge von Window) fliegen, sondern trotzdem noch viel zu schnell sind und die Manöver wie "Drehen auf dem Teller" nicht so hinbekommen wie in echt. Dazu einfach einmal "Storch"-Videos von echten Fliegertreffen ansehen.
Im Modell, und da gerade bei den kleinen Modellen mit sehr geringen Reynoldszahlen, funktioniert das auch schon sehr lange. Hier einmal der Plan des Zaunkönig aus outerzone:
outerzone.co.uk
Dieses Freiflugmodell verwendet das originale russische "Storch"-Profil P-II-c, das angeblich Prof. Winter aus Braunschweig speziell dafür in seinem Institut entwickelt haben will. Plagiatoren waren eben auch schon damals in nennenswerter Anzahl unterwegs.
Dieses Modell ist einerseits mit tragenden Streben sehr interessant gestaltet und funktioniert andererseits hervorragend mit dem Originalprofil (siehe begleitenden Artikel). Dieses Profil des outerzone-Plans von 1950 ist zwar im Klappenspalt vereinfacht, aber die Form des Spaltes auf der Hauptflügelseite ist nahezu irrelevant, da sich auf der Unterseite des Hauptprofils vor dem Klappenbeginn eine große Ablöseblase bildet und die Strömung sich nicht an die von uns gebaute Kontur hält (Physik). Gleiches kann man an den Klappen und Querrudern der Do27 sehen: Dort ist keine ausgerundete Spaltkontur am Hauptflügel vorhanden, und es ist noch besser als das P-II-c geworden.
Wir können also sowohl den Plan so vereinfacht nachbauen oder das komplett originale Profil P-II-c verwenden, es ist auch auf dem Plan gezeichnet. Empfehlen kann ich die originalen QR/LK-Anlenkpunkte mit selbstgebastelten Sperrholzträgern, die ja dem Original des Fieseler Storch entsprechen (im Zaunkönig aus Metall, im originalen Fi 156 sind es hohle Holzstiele als Klappenträger mit Metallbeschlägen).
Es ist jammerschade, dass ein derart geniales Modell wie der Zaunkönig nun schon seit über 70 Jahren im Dornröschen-Dämmerschlaf liegt. Er kann in jeder Größe mit dem Originalprofil bei korrektem Leichtbau wie das Original geflogen werden. Das größte Problem ist aber die Wirksamkeit von Seitenleitwerk und Höhenleitwerk, da dort sehr kleine Reynoldszahlen herrschen und das Vorflügelprofil bei Klappenausschlag enorm hohe Momente erzeugt. Da muss bei kleinen Modellen die Fläche vergrößert werden und m.E. mit ebener Platte und/oder künstlichen Turbulatoren gearbeitet werden.
Zwar ist die Strebenkonstruktion (umgekehrte V-Strebe) struktureller Unsinn (kann den Flügel nicht torsionssteif gegen den Rumpf abstützen) sowohl am Hauptflügel als auch am HLW, aber das können wir mit einem steifen Torsionskasten im Flügel mit etwas Mehrgewicht kompensieren.
Genau deshalb ist übrigens der Prototyp abgestürzt: Luftzerleger durch Abdrehen des Flügels (Physik, schon wieder). Und ein weiterer Zaunkönig endete auch tödlich im Langsamstflug. Auch hier wird viel zu oft übersehen, dass zwar das Flügelprofil noch astrein funktioniert, aber die Leitwerke bereits unterkritisch sind und damit ihre aerodynamische Funktion (Stabilisierung) verlieren. Dann ist das Flugzeug unkontrollierbar.
Fazit: Die ursprüngliche Fragestellung von Jan ist mit
JA und
in etwa so vollumfänglich zu beantworten.
12 Uhr: Wochenende!!!!! Schulfrei.....
Euer Pattex
PS. : Es existieren noch zwei echte Zaunkönige: Einer steht in der Flugwerft des Deutschen Museums in Schleissheim, der andere war jahrelang als Leihgabe in Villingen-Schwenningen im Museum zu sehen. Von dort ging er aber wieder an den Eigentümer (Akaflieg Braunschweig?) zurück zur Restaurierung. Vielleicht weiss da jemand besser Bescheid als ich.