Hallo Leute,
wenn sich flugmechanische Fragen immer im Kreis drehen ist man hoffentlich entweder in einem schönen Thermikbart oder im ständigen Wechsel zwischen Luv und Lee im DS-Kreis, ich habe in den letzten Tagen beides gemacht.
Abends habe ich mir mal ein Modellflugbuch in die Hand genommen wie ich es Allerhopp geraten hatte, denn in der jetzt sehr frühen Dunkelheit kreisen zu dieser Tageszeit nur noch die Gedanken und die Harzrührstäbchen, nicht mehr die Segler. Es war das "Handbuch für den Modellflug" von Werner Thies, mein aller(hopp)erstes Modellflugbuch in der 2. Auflage aus dem Jahr 1978.
Dort ist neben einigen für mathematisch begabte Leute interessanten Formeln auf der Seite 39 oben auch ein nettes Diagramm mit der Flugzeugpolare für ein Segelflugzeug mit 3 m Spannweite, Flügelstreckung 15 und Profil E387 abgebildet, die Flächenbelastung ist mit 30 g/dm² angegeben.
Für dieses Modell sind nicht nur die Verteilungen der Teilwiderstände cwi (induzierter Widerstand), cwp (Profilwiderstand) und cws (schädlicher Widerstand) im Diagramm aufgetragen, die sich mit ihrem typischen Einflußanteil mit der Fluggeschwindigkeit ändern (als CA-Wert, also Auftriebsbeiwert angegeben), sondern auch die Punkte mit dem besten Gleiten und dem geringsten Sinken dieses Modells.
Dabei ist die beste Sinkleistung bei cA ~ 1, die beste Gleitleistung ist bei cA ~ 0,75.
Der Schwerpunkt bei dem diese Werte anliegen ist nicht angegeben.
Eine ganz ähnliche Grafik, allerdings ohne die Punkte für die besten Leistungsparameter findet sich rund 30 Jahre später auf der Seite von Dr. Martin Hepperle, einem professionellen Aerodynamiker:
https://www.mh-aerotools.de/
Da ich viel Modellauslegung mache wundere ich mich immer dass der cA-Wert, also die gewichtsabhängige Trimmgeschwindigeit auf den die Flugmodelle für den Erstflug eingestellt werden, sowohl beim Gleiten als auch beim Sinken mehr oder weniger deutlich unterhalb der maximalen Flugleistung liegt, aber immer auf merklich höhere Geschwindigkeit.
Allroundsegler wie das Bespielmodell aus dem Buch von Werner Thies werden meist auf ein cA 0,4 - 0,5 ausgelegt, so dass sie beim normalen Thermiksuch-rumgefliege mit ca. 40-50 km/h fliegen, während die beste Leistung theoretisch bei ungefähr 30 km/h fürs beste Gleiten und bei ungefähr 25 km/h fürs geringste Sinken anliegt.
Beim geringsten Sinken liefert das Buch indirekt eine Erklärung, denn Werner Thies schreibt dass die beste Steigzahl, der ausschlaggebende Wert für die Berechnung der Sinkgeschwindigkeit ca³/cw² ist. Die vertikale Geschwindigkeitskomponente wird demnach um so kleiner, je größer die Steigzahl ist. Dies bedeutet dass hohe Steigzahlen und damit geringe Sinkgeschwindigkeiten nur bei hohen Auftriebsbeiwerten zu erreichen sind.
Hohe Auftriebsbeiwerte bedeuten dann aber auch, dass man sich beim Leistungsoptimum des geringsten Sinkens in einem Flugzustand viel näher an der Abrißgeschwindigkeit befindet als beim normalen rumgefliege. Eine starke Böe oder ein versehentlich zu starker Höhenruderausschlag bringen den Segler zum abreißen und die durch die tolle Sinkleistung gewonnene Höhe ist fürs abfangen wieder verloren.
Diesen Flugzustand benutzt man im Modell-Segelflug deshalb am häufigsten für das Höhe gewinnen im Thermik-Kreisflug, denn wenn man im Saufen fliegt nützt einem die tolle Sinkleistung gar nichts weil man zu langsam fliegt und deshalb aus dem Saufgebiet nicht raus kommt.
Ein Modell auf diesen Flugzustand zu optimieren kann man machen, aber danach ständig mit diesem Leistiungsoptimum zu fliegen ist sinnlos, im nächsten Abwindfeld ist man als erster unten weil man nicht aus dem Saufen raus kommt. Deshalb wird man das Modell für den Thermiksuchflug erheblich schneller trimmen.
Die beste Sinkleistung ist in erster Näherung vom Fluggewicht / Flächenbelastung abhängig, in zweiter Näherung von den Widerstandsanteilen cwi und cwp, die über die Streckung und Profilaerodynamik incl. Wölbklappeneinsatz auf den gewünschten Auslegungs-Flugzeug-Auftriebsbeiwert abgestimmt werden können.
Dieser Auslegungs-Auftriebsbeiwert lässt sich innerhalb eines sinnvollen Fensters immer mit einer Kombination aus Schwerpunkt und Leitwerks-Einstellwinkel zur Tragfläche erreichen, eine signifikante Abhängigkeit des Leistungsoptimums von einer bestimmten Schwerpunktlage ohne Berücksichtigung der zum cA-Wert gehörenden EWD als Wertepaar habe ich weder in der Literatur gefunden, noch konnte ich eine solche Abhängigkeit in Simulationen feststellen.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der besten Gleitzahl, nur dass man mit dem im Vergleich zum geringsten Sinken niedrigeren cA-Wert des besten Gleitens schneller und in sichererem Abstand zur Abrißgeschwindigkeit cA max fliegt.
Auch darauf kann man optimieren und es gibt nach meiner bisherigen Recherche keine isoliert beste Schwerpunktlage dafür, sondern das Wertepaar aus Schwerpunktlage und EWD passend zum Modell stellt den für die Optimierung notwendigen Auslegungspunkt des Flugzeugs ein.
Am Hang fliegt man trotzdem meistens deutlich schneller als mit der Geschwindigkeit des besten Gleitens, ich denke es könnte daran liegen dass schneller fliegen am Hang einfach mehr Spaß macht als mit langsamerer Geschwindigkeit mit der besten Flugleistung die optimale Flughöhe für den jeweiligen Hangauftrieb zu erfliegen. Den Schwerpunkt stelle zumindest ich beim Hangflug so ein wie es für ein breitbandiges, für den Schnellflug angenehmes Handling passend ist, nicht auf irgend ein modellabhängiges Optimum der Sink- oder Gleitleistung, der Pilotenfaktor ist hier für die Leistung viel wichtiger.
In der Ebene wird das Thema des besten Auslegungspunkts komplizierter, das sieht man nicht nur an den vielen Beiträgen der Designer von RES-Wettbewerbsmodellen hier und da halte ich mich jetzt auch wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit für heute raus.
Gruß,
Uwe.