Egal ob fest oder steif, Hauptsache viel davon!

Gideon

Vereinsmitglied
In Anlehnung eines bekannten Fussballerzitates möchte ich hier gerne einmal die Urban Legends der Faserverbundtechnik besprechen, die immer wieder auftauchen. Anlass dazu war ein etwas irritierender Thread im allgemeinen Bereich: https://www.rc-network.de/threads/kohlefaserfahrwerk-nicht-schön.11954779/#post-12526140

Zuviel oder zu wenig Harz?​


Bei Nasslaminaten ist Harz immer euer Freund. Lasst euch bitte nichts anderes erzählen. Wenn (teilweise) keins mehr da ist, weil zu trocken laminiert wurde, dann passiert folgendes:

Rissbildung der Matrix​


Das die Faser umhüllende Harz (nennen wir es mal hochtrabend Matrix) hat die Aufgabe, die Fasern zu stützen und für eine gute Krafteinleitung in selbige zu sorgen. Bei Handlaminaten haben wir einen herstellungsbedingten höheren Harzanteil, was einigermaßen einleuchtend erscheint. Habe ich z.B. ein Laminat mit einem erhöhten Luftporengehalt, dann kann nur ein Teil der Matrix seine eigentliche Aufgabe übernehmen. Es kann dadurch zu Sollbruchstellen im Lastfall führen, die zudem auch noch eine Delamination (Schichtentrennung) verursachen können.

Bei gleicher Faserbelegung korreliert die resultierende Laminatdicke mit dem entsprechenden Faservolumenanteil, bedingt durch das verwendete Herstellungsverfahren.

Nasspressen und Vakuuminfusion stellen hier das obere Ende dar, das Laminate mit sehr hoher Güte ermöglicht, ein Handlaminat das untere.

Vakuuminfusion​


Harzsysteme mit niedrigeren Mischviskositäten, wie sie für die Vakuuminfusion notwendig sind, sollten explizit auch nur hierfür verwendet werden. Bei einer Vakuuminfusion sind die Faserlagen bereits auf Enddicke verdichtet, sodass die Fließfront durch einen sehr eingeschränkt durchdringbaren (permeablen) Raum fließen muss. Hier findet keine (oder nur eine sehr geringe) Bewegung in Dickenrichtung (Z-Richtung) statt. Ein Gasaustausch ergibt sich an der Fließfront, sodass bei korrekter Ausführung ein sehr geringer Porengehalt im gesamten Laminat resultiert.

Nasspressen​


Beim Nasspressen (auch Schlauchblasen gehört dazu) hat es sich bewährt, zunächst mit einem höheren Harzanteil zu beginnen, um dann im weiteren Kompaktionsvorgang ein möglichst porenfreies Laminat zu erhalten, das einen sehr hohen Faservolumenanteil aufweisen kann. Der Harzüberschuss wird hierzu verwendet, um eingeschlossene Luft über die Teilungsebene zu entfernen. Die Fließwege sind sowohl in Z- als auch in X- und Y-Richtung. Je höher hierbei die Viskosität des verwendeten Harzsystems ist, desto besser wird dabei die mögliche Oberflächengüte des Bauteils. Wird stattdessen mit sehr niedrigviskosen Harzen gearbeitet, ist zum einen die Haftung der Lagen im Formwerkzeug relativ schlecht, zum anderen entweicht der Harzüberschuss zu schnell zu unkontrolliert, sodass bestimmte Stellen stärker auslaufen, was wiederum zu Inhomogenitäten im Laminat führen kann (auch stark geometrieabhängig).

Handlaminat​


Ein Handlaminat ist die wohl gebräuchlichste Art der Herstellung im Modellbau. Ziel ist es, mit möglichst wenig Harz ein ausreichend gut durchtränktes Laminat zu erhalten, das zudem sehr wenig Luftporen enthält. Hiebei ist die Art und Weise, wie das Harz und die Faser zusammengebracht werden, entscheidend. Üblich ist, zuerst das Harz vorzustreichen und darauf dann die trockenen Faserverstärkungen abzulegen. Die Durchtränkung findet dann fast von selbst statt. Es gilt hier außerdem zu vermeiden, die bereits getränkten Faserlagen stark in Dickenrichtung (zu starker Druck mit Laminierwalzen oder gar Entlüftungsrollern) zu verdichten, da sich durch die anschließend wieder entspannenden Fasern sonst Porositäten bilden können. Bei Glasgeweben ist das optisch sehr gut an einer Trübung des Laminates erkennbar.

Wenn jetzt die ganz Schlauen kommen und sagen: „Aber ich press doch sowieso nochmal alles im Vakuum“, kann ich nur entgegnen, ein Laminat mit hohem Porenanteil wird dadurch nicht unbedingt besser (ganz im Gegenteil).

Fazit: Jede Herstellungsmethode resultiert in unterschiedlichen Faservolumenanteilen, es sollte aber keineswegs Harz aus falsch verstandenen Gründen eingespart werden.
 
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