Seidenbespannung
eines Elektro-Segelflugmodells in reiner Holzbauweise
Paul Herbert Klein
Erstveröffentlichung 22.08.2007, aktualisiert
eines Elektro-Segelflugmodells in reiner Holzbauweise
Paul Herbert Klein
Erstveröffentlichung 22.08.2007, aktualisiert
Es wurde der Graupner-Artikel 615.8 (Bespannseide für den Modellbau, vormals Nr. 615 im Graupner-Sortiment) verwendet, Gewicht: 20 g/m², Größe: 200 cm x 90 cm.
Das Ganze funktioniert auch mit Polyamidgewebe (Perlon oder Nylon). Diese Gewebe sind manchmal etwas problematisch, da es mühevoller ist, sie nach dem Wässern straff zu ziehen. Außerdem lassen sie sich nicht gut um Kanten herum ziehen und sie nehmen die Verdünnung zum Feststreichen auf dem Klebelack manchmal nur widerwillig an. Polyamidgewebe verwende ich bei größeren Modellen und bei solchen Modellen, bei denen die Holzstruktur etwas größere Spannkräfte aufnehmen kann.
Ich bespanne meine Flugmodelle schon seit mehr als 50 Jahren mit Japanseide, Polyamidgewebe oder Perlongewebe und habe damit nur die besten Erfahrungen gemacht, Folie kommt mir nicht ins Haus.
Übrigens: Die bemannten Segelflugzeuge der Sperrholz-Ära wurden auf ähnliche Art und Weise bespannt.
Vorteile der Seidenbespannung
Die Struktur des Modellaufbaus gewinnt außerordentlich an Festigkeit. Wer auf maximale Torsionssteifigkeit Wert legt, kann die Bespannung auch diagonal aufbringen, d. h. die Fäden der Bespannung verlaufen unter 45° zur Längsausdehnung des Bauteils (unter diesem Winkel verlaufen die maximalen Torsionsspannungen).
Nachteil: Immenser Materialverbrauch.
Die Bespannung hat eine lange Lebensdauer (mein „Silentius 86“ ist 18 Jahre mit der ersten Bespannung geflogen – in den österreichischen Alpen hat er vor drei Jahren sein Leben ausgehaucht).
Ob Sommer oder Winter, die Bespannung ist immer faltenfrei.
Lackieren ist kein Problem.
Wenn mit 2-K-Lack gearbeitet wurde, dann gibt es keine abgelösten Folienecken durch Treibstoff- und Ölreste.
Die Flugeigenschaften verbessern sich. Vor allem das Abreißverhalten und die Langsamflugeigenschaften profitieren von der Oberflächenrauhigkeit. Dies gilt nicht für Hotliner, aber dabei handelt es sich sowieso zumeist um Schalentiere.
Das Ausbessern von Schadstellen, Löchern oder Rissen ist kein Problem bei unlackierten Bespannungen. Sind die Bauteile lackiert, dann kann es sein, dass sich die Lackschicht löst oder kräuselt. Ich repariere solche Beschädigungen, indem ich die schadhafte Stelle herausschneide und erneut bespanne. Die Ränder werden dazu vor dem Ausschneiden mit Klebelack behandelt.
Nachteile der Seidenbespannung
Die ganze Angelegenheit ist nichts für die Fraktion der „ARF-Modellflieger“, da zu zeitaufwendig.
Ein Superfarbfinish, wie bei den fertigen ARF-Modellen, ist nur sehr schwer zu realisieren.
Bezüglich der Gewichtsbilanz ist Folie mit Sicherheit unschlagbar.
Die bespannten Teile müssen nach jedem Spannlackanstrich in einer sogenannten Helling eingespannt werden und dort nach dem letzten Anstrich einige Zeit verbleiben, damit sich die Spannungen ausgleichen und das Bauteil gerade bleibt.
Diese Helling gibt es nicht beim „freundlichen Modellbauhändler“, sondern Selbstbau ist angesagt.
Zu den gravierendsten Nachteilen zählen die unerfreuliche Geruchsbelästigung und der Umgang mit den gesundheitlich nicht unbedenklichen Produkten Schleifgrund, Spannlack und Verdünnung während der Verarbeitung.
Daher der dringende Rat: Nur im Freien arbeiten oder in einem sehr gut belüfteten Raum bei geöffnetem Fenster. Unter Umständen ist es erforderlich, eine Atemmaske zu tragen und auf jeden Fall empfehlenswert, vorher mit den übrigen Familienmitgliedern ein Stillhalteabkommen zu schließen.
Aus all’ diesen Gründen rate ich der „Folien-Generation“: Einfach weiterklicken und den Artikel ignorieren.
Arbeitsweise
Die zu bespannenden Holzteile werden dort, wo sie mit der Bespannung in Berührung kommen, 3x bis 5x mit Schleifgrund, z.B. Clou 300, grundiert und nach dem Trocknen fein geschliffen. Nicht ständig neues Schleifpapier verwenden, sondern mit dem Verwendeten weiterarbeiten.
Dann werden die Kanten, beim Tragflügel also Nasenleiste, Endleiste, Randbogen, Mittelstück und Rippenaußenkanten mit Klebelack bestrichen. Hier bitte nicht zu sparsam sein, sondern eine durchgängige Schicht auftragen, aber ohne Tropfnasenbildung.
Klebelack stellt man selbst her, indem man eine kleine Menge Spannlack so lange mit UHU-hart eindickt, bis das Fließverhalten zwischen Olivenöl und Honig liegt.
Nach dem Trocknen sollten die Klebelackbereiche leicht glänzen. Nun wird das Bespannmaterial trocken aufgelegt, so dass es für beide Seiten des jeweiligen Bauteils reicht und an wenigen Stellen mit Stecknadeln fixiert. Hier ist zu beachten, dass das Bespannmaterial eine Vorzugsrichtung hat: Die Längsrichtung des Gewebes soll in Längsrichtung des Bauteils verlaufen. Meist haben die Gewebe eine deutlich sichtbar ausgeprägte Webkante. Dann wird das Gewebe auf dem Bauteil mit einem Zerstäuber gewässert, die Stecknadeln werden entfernt und das Gewebe vorsichtig nach allen Seiten, insbesondere in der Längsausdehnung, straff gezogen, bis es allseits faltenfrei aufliegt. Allzu nasse Stellen werden mit Küchenpapier etwas getrocknet.
Nun wird die Bespannung an den mit Klebelack behandelten Stellen mit reiner Spannlackverdünnung eingepinselt und mit einem Tuch festgerieben. Jetzt lassen sich kleine und kleinste Fältchen noch problemlos entfernen, indem man an diesen Stellen das Gewebe nachspannt. Nach einer kurzen Trockenzeit sollte man die Klebelackstellen mit einem Anstrich aus verdünntem Spannlack versehen, der dann wieder trockengerieben wird. Dieser Spannlackanstrich sollte auch die Gewebeteile umfassen, die anschließend abgeschnitten werden.
Wenn die Ränder trocken sind, kann man das überstehende Gewebe mit einer scharfen Rasierklinge abschneiden.
Nach Umdrehen des Bauteils wird das Gewebe auch hier besprüht und in gleicher Weise glatt gezogen. Schwierigkeiten können an den Stellen auftreten, an denen das Gewebe umgeschlagen wird, z. B. an der Nasenleiste des Tragflügels, wenn die Verdünnung zu weit an der Nasenleiste herunter gelaufen ist und das Gewebe an der nun zu bespannenden Seite teilweise schon festgeklebt ist. In diesem Fall werden die festgeklebten Stellen geduldig mit Verdünnung gelöst und das Gewebe nun straff gezogen. Kleine Fältchen werden ebenfalls mit Verdünnung gelöst und glatt gezogen.
Nun folgt leider der Punkt, an dem die Geschichte zeitaufwendig wird (nicht vom Arbeitsaufwand her, sondern von der Wartezeit). Alle bespannten Teile müssen in einer Helling eingespannt werden, damit sie sich bei den folgenden Arbeitsgängen nicht verziehen. Ein ebenes Höhenleitwerk in Gitterbauweise wird z. B. auf entsprechend lange und auf einem ebenen Baubrett fixierte Leisten, z. B. Balsa 10 mm x 10 mm, gelegt und unter Zwischenlage von kleinen Balsaklötzchen mit Gummiringen befestigt.
Der erste Spannlackanstrich wird mit einem nicht zu weichen Pinsel vorsichtig aufgetragen, so dass er nicht durchläuft. Es ist eine gute Methode, den Pinsel nach dem Eintauchen in den Spannlack in flachen Bewegungen über die Bespannung zu führen und den Spannlack auf diese Weise einzureiben, statt zu streichen. Wichtig ist, dass er an Bauteilkanten, z. B. Rippen, nicht durchläuft, denn dann zieht er an diesen Stellen beim Trocknen und Schrumpfen das Gewebe nach innen. Nach dem Antrocknen des Anstrichs wird das Bauteil wieder eingespannt. Nach dem zweiten Spannlackanstrich kann man die rauhen Kanten und die überstehenden Fasern mit Gefühl und nicht zu grobem Schleifpapier (Körnung 500 bis 600) wegschleifen. Vorsicht ist bei Innenkanten und Rippenfeldern geboten, da man dort sehr schnell das Gewebe durchgeschliffen hat. (Tipp: An diesen Stellen gar nicht schleifen).
Nach dem fünften Spannlackanstrich lässt man die Bauteile eingespannt und zwar möglichst lange. Ich halte es so, dass ich zuerst diejenigen Teile baue, die bespannt werden sollen. Die lasse ich dann so lange auf der Helling, bis sie gebraucht werden zum Anpassen, Weiterverarbeiten usw.
Schlussbemerkungen
Fragen beantworte ich gerne per E-Mail.
Von mir verwendete Clou-Produkte: Clou Spannlack für Modellflugzeuge
Clou Schnellschliffgrund 300
Clou Zellulose-(Nitro) Lack-Verdünnung Nr. 790
Diese Produkte bekommt man beim Clou-Fachhändler. Die Adressen der nächsten Fachhändler bei der Firma Clou erfragen: Tel.: 069 89007-0
Fax: 069 89007143
E-Mail: info@clou.de
Bei Graupner gibt es immer noch den Spannlack mit der Bezeichnung „Spannfix Immun“, auch farbig. Inwieweit dieses Produkt den modernen Kraftstoffgemischen mit synthetischen Schmierölen standhält, kann ich nicht beurteilen.
Aktualisierung/Ergänzung des Autors:
Das damals verwendete Material ist nicht mehr verfügbar (Graupner hat die Lieferung eingestellt). Aus diesem Grunde habe ich mich nach Alternativen umgesehen und bin fündig geworden.
Mit beiden Materialien habe ich einen Proberahmen bespannt, genau wie in meinem Beitrag beschrieben. eine Probe mit roter transparenter Seide von Modellstudio Liening, eine andere mit der naturweißen Seide von VBS-Hobbyversand. Bei letzterer habe ich nach der Behandlung mit Spannlack die Bespannung 2x mit Kunstharzlack (kein Wasserlack) lackiert, um zu untersuchen, ob die Bespannung vielleicht nach dem Lackauftrag an Spannung verliert - sie hatte nach dem Lackauftrag die gleiche Spannung und keinerlei Falten.
Ich habe die folgenden Materialien verwendet:
Transparente Seide in mehreren Farben, als Meterware lieferbar.
Vertrieb: Modellstudio Wolfgang Liening, http://modellstudio.de/
Bergstr. 26a,
52525 Heinsberg,
Tel.: 02452-88810.
Naturseide Pongé 06, 1. Wahl, 92cm breit, als Meterware lieferbar,
Farbe naturweiß.
Vertrieb: VBS Hobby Service GmbH (DE), https://www.vbs-hobby.com/
Artikel-Nr. 340 236