Dazu nur mal so ein paar Fragen:
"Welche Dickentoleranz hat 4mm Pappelsperrholz? +-0,1mm?"
"Mit welcher Strichstärke sind Deine Baupläne gezeichnet? mit 0,35mm?
"Welche Flugkreisabweichung hat ein 2mm Hobby-CNC-Fräser? unter 0,1mm?
Der MrBeam hat eine Schnittbreite von 0,2mm (soll meiner mit S-Kopf haben, so sagt MrBeam
). Also 1/10 nach rechts und Links.
Bei den Toleranzen im Modellbau, vor allem beim Einsatz vom Werkstoff Holz, ist die Kompensierung von 1/10mm Abbrand nur verschenkte Lebenszeit.
Hast Du die Kompensierung dann bei den anderen Bearbeitungsverfahren (CNC & Laubsäge) auch angewendet?
Also mein Fazit: Lasst das mit der Kompensierung und erfreu uns lieber mit tollen Videos bei lange-flugzeit.de und mit Modellen die Spaß machen.
Hui, da habe ich aber einen Nerv getroffen.
Aber ich will Dir den Grund meiner verschenkten Lebenszeit gerne ausführlich schildern, denn ganz so verschenkt war sie in meinen Augen dann doch nicht:
Auf die fehlende Schnitt-Kompensation bin ich genau deshalb aufmerksam geworden, weil es eben doch notwendig war.
Erstes Beispiel:
Ich hatte ein paar kleinere Balsateile bündig zusammenzufügen, und hinten raus war alles um ein bis zwei Millimeter zu kurz. Jedes Einzelteil ist ja bereits um 0,2 mm zu klein, und das addiert sich schon bei nur 5 Teilen zu einem ganzen Millimeter auf.
Nebenbei: der Berufsstand des Modellbauers rechnet in Millimetern, nicht in Zentimetern wie beispielsweise ein Tischler. Ein Millimeter ist deshalb für mich traditionell eine signifikante Einheit, auf die ich stets ein zusammengekniffenes Auge werfe.
In der Baugröße in der ich bevorzugt unterwegs bin, sind auch kleinere Maßtoleranzen nicht nur ärgerlich, sondern beim Laser rein technisch eben schon durch einen simplen Konturversatz komplett vermeidbar. Das ist eigentlich einer der Jobs einer CAM-Software.
Zweites Beispiel:
ein sehr stark zugespitztes Bauteil wie eine hintenraus schlanke Rippe. Ein Konturversatz von 0,1 mm macht die Rippe ruckzuck um 3 bis 5 Millimeter kürzer.
Drittes Beispiel:
ein Ruderhorn mit einer 0,8 mm Bohrung, damit der Anlenkungsdraht exakt passt. Ohne Kompensation wird die Bohrung 1,0 mm im Durchmesser haben, und da wackelt der Draht, was hintenraus ein Ruderspiel ergibt. Das ist exakt der Unterschied zwischen "gut" und "Ausschuss".
Viertes Beispiel:
ich habe mir einen Balsa-Wurfgleiter gebastelt, in dem die Flügel in den Rumpf eingeschoben werden. Flügeltiefe war so drei Zentimeter.
Jetzt ist die Aussparung im Rumpf schon zwei Zehntel zu lang, und dann ist der Flügel um weitere zwei Zehntel zu schmal. Anstatt saugend rein zu passen, wie man es manuell bauen würde, schlackerte jetzt alles, und ich musste die Differenz mit Klebstoff auffangen.
Klar besitzen Sperrholz und insbesondere Balsa auch eine Dickentoleranz, aber das gibt dem Verfahren nicht den Freischuss, auch in X und Y Richtung Fehler zu produzieren.
Weiterhin sagst Du, dass bei einem Papierausdruck die Strichstärke beispielsweise 0,35 Millimeter beträgt. Ich zeichne meist mit 0,15 Millimetern, aber auch ein dickerer Strich von 3 Zehnteln macht die Abbildung nicht ungenau. Denn technisch betrachtet liegt die wahre Konstruktionslinie genau mittig in dieser Strichstärke.
Wenn ich also die Linie beim Bearbeiten möglichst mittig durchtrenne (ja, das geht! Auch mit der Bandsäge!) dann bin ich trotz manueller Bearbeitung durchaus bei einer Fehlertoleranz von unter 1/10 Millimeter.
Außerdem kann ich mir dabei ja aussuchen, ob ich vielleicht lieber doch noch was stehen lasse um dann hinterher das Teil durch Schleifen einzupassen. Wenn meine manuell erstellten Bauteile allesamt immer einen Tick zu klein wären, dann würde ich mir ja schließlich auch irgendwie Gedanken machen wie ich das in Zukunft vermeide.
Nichts anderes geschieht beim Laser. Ich habe aus der Praxis heraus ein Problem bemerkt und dieses im Bearbeitungsprozess gelöst. Ich kann es aber beim besten Willen nicht ignorieren oder wegdiskutieren.
Auch das Hinzuziehen von Abweichungen anderer CNC-Maschinen kann ich nicht gelten lassen. Sowas heißt neudeutsch "whataboutism". Nur weil andere Maschinen ungenau sind, muss es meine Maschine ja noch lange nicht sein. Schon gar nicht, wenn sie dadurch meine persönlichen Anforderungen nicht erfüllt.
Wenn ich beispielsweise auf meiner CNC-Fräse feststelle, dass ein 2 mm Fräser eine Fräsbahn von 2,2 mm hinterlässt, dann stelle ich in der CAM-Software selbstverständlich einen Fräserdurchmesser von 2,2 Millimetern ein.
Gerne werde ich Dich weiterhin mit unterhaltsamen Videos erfreuen, und vielen Dank für das nette Lob.
...aber auf die Laserschnitt-Kompensierung kann ich dann leider doch nicht verzichten.
Herzlichst
Hilmar.