Bertram Radelow
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Ich betreibe seit etwa fünf Jahren gelegentlich Wasserflug. Anfänglich waren wir eine kleine lokale Truppe und wir hatten Trainer-S, Funcub (die alte kleine) und eine nach Plan gebaute wunderschöne Holz-Piper. Die beiden erstgenannten EPP-Modelle flogen in der Luft einwandfrei – aber die Wasserstarts waren das Gegenteil. Es war immer dasselbe Problem: ab einer gewissen Geschwindigkeit im Startlauf schlugen die Modelle Haken, meist nach rechts. Und sie waren unmöglich ins Gleiten zu bekommen. Es folgte ein Blindflug durch wohlgemeinte Tipps – die, wie ich vorwegnehme, alle komplett wirkungslos waren. Was habe ich alles versucht… Laminiertaschenfolie auf die Schwimmer, Stufe nach vorne versetzen, Stufe nach hinten versetzen, scharfkantige Abschlussplatte auf der Stufe, Luftkanal von schräg oben zur Stufe, Vorspur, Nachspur, Schwimmer nach aussen neigen, nach innen, Kiele aus GFK-Platte… Unzählige halb gekenterte Modelle trieben vom Wind ans Ufer.
Ein besseres Modell musste her, bei mir wurde es die Funcub XL, mit eigenen Komponenten und 5s-Antrieb geriet sie aber gut schwer (3,5kg und 81g/dm2 Tragflächenbelastung). Sie war auf dem Wasser das schlimmste was ich bisher erlebt hatte. Und ich war nicht allein mit der Meinung.
Inzwischen war unser herbstliches Seefliegen zu einer kräftigen Veranstaltung herangewachsen, ich sah Mentoren, Funcubs, FunCubs XL und andere Haken schlagen und halb kentern, viele andere Modelle kamen irgendwie aus dem Wasser, aber mehr mit Kraft. Schlingern beim Startlauf war irgendwie normal und machte ja auch einen gewissen wohligen Nervenkitzel aus. Man war der Hund, wenn man es trotzdem schaffte. Auch die genannten schlimmen Modelle brachte man in die Luft (meistens…), aber nur durch aus dem Wasser Reissen mit viel Kraft – schön war etwas anderes!
Dazwischen flogen aber einzelne Modelle, bei denen die Wasserfahrt ein absoluter Traum war – fast tänzelnd glitten sie mit minimalem Kratzen endlos über das Wasser… Was war das Geheimnis dieser Modelle? Viele waren Einzelstücke oder -Bauten, unvergessen Hansruedis Dornier Libelle oder ein F3A-Modell, das atemberaubend schnell auf dem Wasser fetzte. Und sie waren meist sehr leicht. Waren die Schwimmer meiner schwereren Modelle einfach nur zu klein?
Insgesamt glitten aber ausserordentlich wenige Modelle wirklich auf der Stufe über das Wasser. Die allermeisten rutschten in Vierpunktlage über der Wasser, auf Stufen und Heckkanten der Schwimmer gleichmässig aufliegend. Eigentlich alle Piloten dachten, dass sei eben die Gleitfahrt… Ist sie aber nicht. Beim Betrachten der folgenden Videos wird es einem sofort klar – der Hauptunterschied ist das Spritzen der Schwimmer-Enden:
4-Punkt-Fahrt
2-Punkt-Fahrt (- die FCXL am Videoende schlingert bei der Fahrt zum Steg nicht, das ist Steuerung mit SR. Ansonsten wäre sie wie auf dem Lineal gefahren)
Hier mal ein Andreasscher Schnappschuss einer perfekten Stufenfahrt:
Dass die Piloten gerne ihre Modelle leicht auf die Schwimmerenden drücken, ist verständlich: es ist ungefährlich – und wenn eines gefährlich ist, dann die Wasserfahrt ohne (genügend) gezogenes Höhenruder. Das lernt jeder recht schnell. Und die glücklichen Piloten, die gut performende Modelle hatten, wussten selber nicht, warum. Es sei halt so.
Vor einem Jahr war ich unglücklich mit der Wasserperformance meiner drei Modelle und beschloss das zu ändern, mit Systematik. Das muss doch zu ändern sein. Ein Gastpilot hatte seine Funcub XL mit Schmackes ins Wasser gedonnert, wobei die vordere Alustrebe eine schöne Grätsche machte, das Modell also mit gewaltiger Nachspur an den Start ging. Wir rieben uns die Augen: die FCXL hob ab als ob sie nie etwas anderes getan hätte. War das der Schlüssel?
War es nicht. Ich deklarierte meinen älteren Trainer-S zum opferbaren Experimentalflieger, denn jetzt wurde es ernst: Vollgas und ohne gezogenes HR war die Devise, und das hiess: Hakenschlagen und Kentern ohne Ende. Alle Versuche mit Vor- und Nachspur und innen/aussen gekippten Schwimmern brachten überhaupt gar nichts. Warum? Ich hatte keine Ahnung. Mein Verdacht wuchs, dass das Problem irgendwie an der vorderen Schwimmerhälfte lag.
Die Ratschläge von Freunden waren immer die gleichen:
- ich müsse halt mit dem Höhenruder "arbeiten", das sei halt so
- Verweise auf die immer gleiche, aber bestimmt schon 5x umgeschriebene Anleitung zum Schwimmerbau. Diese enthielten unisono Angaben zu Grössen, Stufenlage, Winkel der unteren hinteren Schwimmerfläche – aber niemals ein Wort über die vordere Lauffläche. Und letztlich kam es nur auf die an, alles andere war dagegen fast vernachlässigbar.
- warum ich das überhaupt wolle?
Ich kaufte einen gerade erschienenen Wingo2 aus Nostalgie, eigentlich als Schlachtlamm für die zu erwartende 50.te Luftschlacht um Thannhausen in einem halben Jahr, und den könne man ja vorher aus Nostalgie (ich hatte mit dem Wingo1 Fliegen gelernt) noch ein wenig fliegen.
Der erste "Jux"-Flug auf dem See liess mir aber die Kinnlade offenstehen. Das war genau das Verhalten, das ich gesucht hatte:
Wingo
Das Auffälligste am Wingo2-Schwimmer war die nach vorne enorm steil ansteigende vordere Lauffläche. Das wirklich Tolle am Wingo2 ist aber, dass man den Trimm so einstellen kann, dass er auf den Stufen endlos bis zum Einschlag am anderen Ufer rasen würde, und mit einem einzigen Zacken Höhentrimm erhebt er sich sanft aus dem Wasser – genial.
Also wurde sofort der Trainer-S modifiziert und ein EPP-Keil unter die Schwimmer geklebt. Die Flüge waren nicht optimal (was an der schlechten Qualität meiner quick&dirty-Massnahme lag), aber mir gelang etwas, was bisher noch nie ging – die erste "Entenlandung": der Trainer-S setzte mit höherer Geschwindigkeit auf und rutschte nur auf den Stufen dutzende Meter weit um dann erstes ins Wasser zu sacken. Das Tor zum richtigen Weg war auf einmal offen…
Schnell vermass ich die FCXL und ermittelte, dass ich die hinteren Stützen vertikal um über 6cm verlängern müsste, um einen angenehmen Anstellwinkel des Schwimmers zu erhalten. Das habe ich mich schlichtweg nicht getraut, sondern mit 2,5cm angefangen, sollte ja schon irgendwie eine erkennbare Verbesserung bringen. Am letzten Flugtag vor dem Winter also ein hoffnungsvoller Startversuch. Anlauf genommen, sie kam weiter als jemals – um dann mit einem Rumms wie üblich nach rechts schlagartig um 90° auszubrechen. Ein schlimmerer "Umfall" als jemals überhaupt. Ich war demoralisiert, um es freundlich zu beschreiben.
WINTER
Der Winter war heilsam. Die FCXL musste weg. Das Geschwür wollte ich nie wieder fliegen. Neue Flieger braucht der Landmann, also wurde es eine Funcub NG. Fahren auf dem Schnee hat einen grossen Unterschied zur Wasserfahrt: Die Anstellwinkel von Ski (0°), TF und HR sind weitgehend unveränderlich. Ich baute Ski, deren Anstellwinkel in kleinen Stufen veränderbar war – und das brachte den Durchbruch zum Verständnis, was bei meinen Katastrophenfliegern los war.
Ich konnte die Ski so einstellen, dass die FCNG auf dem Schnee ähnlich wie der Wingo ohne HR bis in den Wald gerast wäre oder aber nach längere Laufstrecke völlig sanft und von alleine in den Himmel stieg.
Ich musste dazu nur verstehen, was völlig gegen meine Intuition war: Die FCNG hob um so besser ab, je höher das Heck über dem Schnee stand – und ein tiefstehendes Heck (bei dem man denken könnte, so sei das Flugzeug doch perfekt in Abhebestellung) war kontraproduktiv. Der Grund ist einfach: Das HR übernimmt die Kontrolle über die Fluglage bereits vor dem Start - bevor die Tragfläche das Flugzeug tragen kann. Wenn das Heck hoch steht, drückt das HR irgendwann nach unten und umgekehrt. Kurz vor dem Abheben steht das HR immer waagerecht, ausser ein langer schiefer Ski hindert es daran. (Und: es ist nicht exakt 0° - ich habe hier vereinfacht)
Der Weg war jetzt klar. Um ein Wasserflugzeug zu bekommen, dass endlos über das Wasser brettert, muss ich es in Reiseflugstellung auf die Schwimmer stellen, und diese müssen vorne einen vernünftigen Anstellwinkel haben. Diesen kann ich nicht berechnen, nur empirisch ermitteln. Wellengang spielt dabei eine grosse Rolle. Ich bin bei mindestens 5° gelandet. Erst wenn der Bereich vor der Stufe (also nicht etwa an einer gewölbten Fläche die Sehne von Stufe zu Vorderende! Es müssen wirklich die 15-20cm vor der Stufe sein!) diesen Winkel hat, laufen meine Modelle völlig schnurgerade, auch bei Wind und Wellen, ohne Kursänderungen.
Das HR wird für Reiseflug gerade auf 0° gestellt, die Tragfläche auf einen Anstellwinkel für einen guten Reiseflug, nur wenige Grad je nach Modell.
Also bei einem Piper-/Cessna-artigen Modell etwa so:
Gucken wir mal, was für Winkel meine Modelle im Lieferzustand hatten (Das HR ist jeweils auf 0° und im Strak gestellt):
Wingo 2 (785g, 29g/dm²)
TF 9,3° (im Zentralbereich), Schwimmer 9° - das sind brutale Werte, aber die TF ist noch kräftig geschränkt entschärft, und es ist ein langsames Anfängermodell. Aber das wird fantastisch auf dem Wasser laufen.
Trainer-S (1200g, 50g/dm²)
TF 2,5°, Schwimmer 0° - das kommt niemals bei höherer Geschwindigkeit auf Stufe, sondern klebt am Wasser – Ursache des Schlingerns und Hakenschlagens. Mit stark gezogenem HR kann man natürlich das Heck herunterdrücken und einen Kurzstart hinlegen, die üblichen Hauruck-Starts eben.
Funcub XL (3450g, 81g/dm²!)
Das Alu-Fahrwerk verbiegt sich leicht. Es wurde mit Carbon-Stäben quer versteift, so dass die Schwimmer exakt parallel sind. Ohne diese Massnahme ist jede Einstellmassnahme sinnlos.
TF 1°, Schwimmer -2,2° (also die Lauffläche geht von der Stufe aus nach vorne erst einmal in die Tiefe!)
Die FCXL hat eine angeformte EWD von 0°. Mit TF und HR im Strak ist ein selbständiger Wasserstart nicht möglich. Ich habe das HR minimal hoch (2mm) und die Flaps etwa 5mm tief, um auf eine EWD von etwa 1° zu kommen. Dies ist die Einstellung, die in den Videos zu sehen ist.
Der Schwimmer jedoch… jetzt dürfte jedem klar sein, dass damit keine Stufenfahrten auf dem Wasser möglich sind. Und noch etwas: Wieso hat meine halbherzige Heck-Anhebung alles nur schlimmer gemacht? Ganz einfach: Mit zunehmender Geschwindigkeit hob sich das Heck zwar langsamer, und ich kam weiter und schneller bis der dann doch Grad erreicht war, bei dem die Schwimmervorderfläche sich wieder festsaugte und dann grub. Bei höherer Geschwindigkeit umso brutaler. Also: nur ein bisschen verbessern kann die Situation erst mal verschlimmern! Ich hätte die Schwimmer gleich von Angang an um sagenhafte 8,2° vorne nach oben drehen sollen um die jetzt eingestellten +6° zu erreichen…
Bevor wie auf die Umbauarten und die Vor- und Nachteile kommen hier erst mal die Videos:
(mein Samsung S22 hat zwar einen tollen Bildstabi, komprimiert aber bei Streusel-Hintergrund unerträglich, sorry)
WINGO 2
Nach dem Kuss von der Beaver...
Video war schon oben verlinkt - Mein ultimativer Flieger für den Auftakt zum Wasserfliegen
TRAINER-S
Video
Die Keile hier sind aus einem grauen Verpackungsmaterial, das aber entgegen seiner EPP-Ähnlichkeit nicht UHU-Por-fest ist. Ich habe es letzte Woche einfach noch einmal neu verschliffen und neu und besser mit Laminierfolie beklebt.
FCXL
Video
Die Videos können wohl kaum die Freude vermitteln, die ursprüngliche "Mistkrücke" in so ein Spassgerät verwandelt zu haben. Sie ist derzeit mein liebstes Wassermodell, weil sie (auch durch ihr Gewicht) wunderbar ruhig fliegt. Der Wingo ist Spass, aber die FCXL ist richtiges Fliegen. Der letztjährige Gedanke sie zu entsorgen ist weit weggeschoben!
Mit Andreas hatten wir den unglaublich hohen Bock unter dem Rumpf – sprachlose 57mm! – erst in der Nacht vor den Flügen aus Alublech fertig gebogen, mit dem festen Vorsatz, der FCXL auch die zweite Lösung von "friss oder stirb!" als ehrenvollen Fliegertod anzubieten.
FCNG
Unser See, no comment...
Video
Die FCNG war noch nicht gut eingestellt (zu hecklastig -> instabil um die Querachse, zu giftiges HR -> zappelig). Beim Start 1:20 sieht man schön die Übergänge Verdränger-/4-Punkt-/Stufenfahrt. Trotzdem sitzt sie mir noch zu sehr auf den Schwimmerenden, ich werde sie auf Keil umbauen.
U M B A U :
Keil aufkleben
Diese Lösung beim Trainer-S ist die beste. Die Schwimmer bleiben in Flugzeug-Längsachse, das Modell gleitet in einer höheren Position.
Gestänge modifizieren
Manchmal kann man auf die Schwimmer kaum sinnvoll Keile aufkleben, vor allem bei V-Form und Hohlkehle. Dann geht es am einfachsten, hinten unten am Rumpf für die Gestängemontage einen Bock zu montieren. Stützröhrchen reichen nicht aus, weil die seitlich einwirkenden Kräfte enorm sind, speziell beim Hakenschlagen.
Hinten verlängerte Schwimmerstützen bringen folgende Nachteile:
Trotzdem überwiegen die Vorteile enorm:
Und zum Schluss: Auch mit den höher angestellten Schwimmern kann man Kurzstarts wie gewohnt durchführen, z.B. auf kleinen Gewässern. Vermutlich wird man aber keine Lust mehr dazu haben…
_________________________________
Inzwischen sehe ich eigentlich schon an Land, ob ein Modell gut auf dem Wasser fährt. "Alle meine Entchen" fliegen super - die mit dem Schwänzchen in die Höh. Die jedoch, bei denen das Heck hängt, werden sich beim Start hinten anheben und die Vorderschwimmer in die Tiefe bohren... Und das sieht dann bekanntermassen so aus:
man sieht sogar auf diesem Bild schon, dass die Schwimmer vorne zu tief sind. Kurz vor Abhebegeschwindigkeit stellt das HR die Flug- bzw. Fahrtlage ein, nicht mehr die Schwimmer... und diese gehen den Weg alles irdischen, in die Tiefe...
LG Bertram
(und Danke an Andreas für die wie üblich sagenhaften Bilder)
Ein besseres Modell musste her, bei mir wurde es die Funcub XL, mit eigenen Komponenten und 5s-Antrieb geriet sie aber gut schwer (3,5kg und 81g/dm2 Tragflächenbelastung). Sie war auf dem Wasser das schlimmste was ich bisher erlebt hatte. Und ich war nicht allein mit der Meinung.
Inzwischen war unser herbstliches Seefliegen zu einer kräftigen Veranstaltung herangewachsen, ich sah Mentoren, Funcubs, FunCubs XL und andere Haken schlagen und halb kentern, viele andere Modelle kamen irgendwie aus dem Wasser, aber mehr mit Kraft. Schlingern beim Startlauf war irgendwie normal und machte ja auch einen gewissen wohligen Nervenkitzel aus. Man war der Hund, wenn man es trotzdem schaffte. Auch die genannten schlimmen Modelle brachte man in die Luft (meistens…), aber nur durch aus dem Wasser Reissen mit viel Kraft – schön war etwas anderes!
Dazwischen flogen aber einzelne Modelle, bei denen die Wasserfahrt ein absoluter Traum war – fast tänzelnd glitten sie mit minimalem Kratzen endlos über das Wasser… Was war das Geheimnis dieser Modelle? Viele waren Einzelstücke oder -Bauten, unvergessen Hansruedis Dornier Libelle oder ein F3A-Modell, das atemberaubend schnell auf dem Wasser fetzte. Und sie waren meist sehr leicht. Waren die Schwimmer meiner schwereren Modelle einfach nur zu klein?
Insgesamt glitten aber ausserordentlich wenige Modelle wirklich auf der Stufe über das Wasser. Die allermeisten rutschten in Vierpunktlage über der Wasser, auf Stufen und Heckkanten der Schwimmer gleichmässig aufliegend. Eigentlich alle Piloten dachten, dass sei eben die Gleitfahrt… Ist sie aber nicht. Beim Betrachten der folgenden Videos wird es einem sofort klar – der Hauptunterschied ist das Spritzen der Schwimmer-Enden:
4-Punkt-Fahrt
2-Punkt-Fahrt (- die FCXL am Videoende schlingert bei der Fahrt zum Steg nicht, das ist Steuerung mit SR. Ansonsten wäre sie wie auf dem Lineal gefahren)
Hier mal ein Andreasscher Schnappschuss einer perfekten Stufenfahrt:
Dass die Piloten gerne ihre Modelle leicht auf die Schwimmerenden drücken, ist verständlich: es ist ungefährlich – und wenn eines gefährlich ist, dann die Wasserfahrt ohne (genügend) gezogenes Höhenruder. Das lernt jeder recht schnell. Und die glücklichen Piloten, die gut performende Modelle hatten, wussten selber nicht, warum. Es sei halt so.
Vor einem Jahr war ich unglücklich mit der Wasserperformance meiner drei Modelle und beschloss das zu ändern, mit Systematik. Das muss doch zu ändern sein. Ein Gastpilot hatte seine Funcub XL mit Schmackes ins Wasser gedonnert, wobei die vordere Alustrebe eine schöne Grätsche machte, das Modell also mit gewaltiger Nachspur an den Start ging. Wir rieben uns die Augen: die FCXL hob ab als ob sie nie etwas anderes getan hätte. War das der Schlüssel?
War es nicht. Ich deklarierte meinen älteren Trainer-S zum opferbaren Experimentalflieger, denn jetzt wurde es ernst: Vollgas und ohne gezogenes HR war die Devise, und das hiess: Hakenschlagen und Kentern ohne Ende. Alle Versuche mit Vor- und Nachspur und innen/aussen gekippten Schwimmern brachten überhaupt gar nichts. Warum? Ich hatte keine Ahnung. Mein Verdacht wuchs, dass das Problem irgendwie an der vorderen Schwimmerhälfte lag.
Die Ratschläge von Freunden waren immer die gleichen:
- ich müsse halt mit dem Höhenruder "arbeiten", das sei halt so
- Verweise auf die immer gleiche, aber bestimmt schon 5x umgeschriebene Anleitung zum Schwimmerbau. Diese enthielten unisono Angaben zu Grössen, Stufenlage, Winkel der unteren hinteren Schwimmerfläche – aber niemals ein Wort über die vordere Lauffläche. Und letztlich kam es nur auf die an, alles andere war dagegen fast vernachlässigbar.
- warum ich das überhaupt wolle?
Ich kaufte einen gerade erschienenen Wingo2 aus Nostalgie, eigentlich als Schlachtlamm für die zu erwartende 50.te Luftschlacht um Thannhausen in einem halben Jahr, und den könne man ja vorher aus Nostalgie (ich hatte mit dem Wingo1 Fliegen gelernt) noch ein wenig fliegen.
Der erste "Jux"-Flug auf dem See liess mir aber die Kinnlade offenstehen. Das war genau das Verhalten, das ich gesucht hatte:
Wingo
Das Auffälligste am Wingo2-Schwimmer war die nach vorne enorm steil ansteigende vordere Lauffläche. Das wirklich Tolle am Wingo2 ist aber, dass man den Trimm so einstellen kann, dass er auf den Stufen endlos bis zum Einschlag am anderen Ufer rasen würde, und mit einem einzigen Zacken Höhentrimm erhebt er sich sanft aus dem Wasser – genial.
Also wurde sofort der Trainer-S modifiziert und ein EPP-Keil unter die Schwimmer geklebt. Die Flüge waren nicht optimal (was an der schlechten Qualität meiner quick&dirty-Massnahme lag), aber mir gelang etwas, was bisher noch nie ging – die erste "Entenlandung": der Trainer-S setzte mit höherer Geschwindigkeit auf und rutschte nur auf den Stufen dutzende Meter weit um dann erstes ins Wasser zu sacken. Das Tor zum richtigen Weg war auf einmal offen…
Schnell vermass ich die FCXL und ermittelte, dass ich die hinteren Stützen vertikal um über 6cm verlängern müsste, um einen angenehmen Anstellwinkel des Schwimmers zu erhalten. Das habe ich mich schlichtweg nicht getraut, sondern mit 2,5cm angefangen, sollte ja schon irgendwie eine erkennbare Verbesserung bringen. Am letzten Flugtag vor dem Winter also ein hoffnungsvoller Startversuch. Anlauf genommen, sie kam weiter als jemals – um dann mit einem Rumms wie üblich nach rechts schlagartig um 90° auszubrechen. Ein schlimmerer "Umfall" als jemals überhaupt. Ich war demoralisiert, um es freundlich zu beschreiben.
WINTER
Der Winter war heilsam. Die FCXL musste weg. Das Geschwür wollte ich nie wieder fliegen. Neue Flieger braucht der Landmann, also wurde es eine Funcub NG. Fahren auf dem Schnee hat einen grossen Unterschied zur Wasserfahrt: Die Anstellwinkel von Ski (0°), TF und HR sind weitgehend unveränderlich. Ich baute Ski, deren Anstellwinkel in kleinen Stufen veränderbar war – und das brachte den Durchbruch zum Verständnis, was bei meinen Katastrophenfliegern los war.
Ich konnte die Ski so einstellen, dass die FCNG auf dem Schnee ähnlich wie der Wingo ohne HR bis in den Wald gerast wäre oder aber nach längere Laufstrecke völlig sanft und von alleine in den Himmel stieg.
Ich musste dazu nur verstehen, was völlig gegen meine Intuition war: Die FCNG hob um so besser ab, je höher das Heck über dem Schnee stand – und ein tiefstehendes Heck (bei dem man denken könnte, so sei das Flugzeug doch perfekt in Abhebestellung) war kontraproduktiv. Der Grund ist einfach: Das HR übernimmt die Kontrolle über die Fluglage bereits vor dem Start - bevor die Tragfläche das Flugzeug tragen kann. Wenn das Heck hoch steht, drückt das HR irgendwann nach unten und umgekehrt. Kurz vor dem Abheben steht das HR immer waagerecht, ausser ein langer schiefer Ski hindert es daran. (Und: es ist nicht exakt 0° - ich habe hier vereinfacht)
Der Weg war jetzt klar. Um ein Wasserflugzeug zu bekommen, dass endlos über das Wasser brettert, muss ich es in Reiseflugstellung auf die Schwimmer stellen, und diese müssen vorne einen vernünftigen Anstellwinkel haben. Diesen kann ich nicht berechnen, nur empirisch ermitteln. Wellengang spielt dabei eine grosse Rolle. Ich bin bei mindestens 5° gelandet. Erst wenn der Bereich vor der Stufe (also nicht etwa an einer gewölbten Fläche die Sehne von Stufe zu Vorderende! Es müssen wirklich die 15-20cm vor der Stufe sein!) diesen Winkel hat, laufen meine Modelle völlig schnurgerade, auch bei Wind und Wellen, ohne Kursänderungen.
Das HR wird für Reiseflug gerade auf 0° gestellt, die Tragfläche auf einen Anstellwinkel für einen guten Reiseflug, nur wenige Grad je nach Modell.
Also bei einem Piper-/Cessna-artigen Modell etwa so:
Höhenruder 0°, Tragfläche 2°, Schwimmerlauffläche vorne 5-6°.
Gucken wir mal, was für Winkel meine Modelle im Lieferzustand hatten (Das HR ist jeweils auf 0° und im Strak gestellt):
Wingo 2 (785g, 29g/dm²)
TF 9,3° (im Zentralbereich), Schwimmer 9° - das sind brutale Werte, aber die TF ist noch kräftig geschränkt entschärft, und es ist ein langsames Anfängermodell. Aber das wird fantastisch auf dem Wasser laufen.
Trainer-S (1200g, 50g/dm²)
TF 2,5°, Schwimmer 0° - das kommt niemals bei höherer Geschwindigkeit auf Stufe, sondern klebt am Wasser – Ursache des Schlingerns und Hakenschlagens. Mit stark gezogenem HR kann man natürlich das Heck herunterdrücken und einen Kurzstart hinlegen, die üblichen Hauruck-Starts eben.
Funcub XL (3450g, 81g/dm²!)
Das Alu-Fahrwerk verbiegt sich leicht. Es wurde mit Carbon-Stäben quer versteift, so dass die Schwimmer exakt parallel sind. Ohne diese Massnahme ist jede Einstellmassnahme sinnlos.
TF 1°, Schwimmer -2,2° (also die Lauffläche geht von der Stufe aus nach vorne erst einmal in die Tiefe!)
Die FCXL hat eine angeformte EWD von 0°. Mit TF und HR im Strak ist ein selbständiger Wasserstart nicht möglich. Ich habe das HR minimal hoch (2mm) und die Flaps etwa 5mm tief, um auf eine EWD von etwa 1° zu kommen. Dies ist die Einstellung, die in den Videos zu sehen ist.
Der Schwimmer jedoch… jetzt dürfte jedem klar sein, dass damit keine Stufenfahrten auf dem Wasser möglich sind. Und noch etwas: Wieso hat meine halbherzige Heck-Anhebung alles nur schlimmer gemacht? Ganz einfach: Mit zunehmender Geschwindigkeit hob sich das Heck zwar langsamer, und ich kam weiter und schneller bis der dann doch Grad erreicht war, bei dem die Schwimmervorderfläche sich wieder festsaugte und dann grub. Bei höherer Geschwindigkeit umso brutaler. Also: nur ein bisschen verbessern kann die Situation erst mal verschlimmern! Ich hätte die Schwimmer gleich von Angang an um sagenhafte 8,2° vorne nach oben drehen sollen um die jetzt eingestellten +6° zu erreichen…
Bevor wie auf die Umbauarten und die Vor- und Nachteile kommen hier erst mal die Videos:
(mein Samsung S22 hat zwar einen tollen Bildstabi, komprimiert aber bei Streusel-Hintergrund unerträglich, sorry)
WINGO 2
Nach dem Kuss von der Beaver...
Video war schon oben verlinkt - Mein ultimativer Flieger für den Auftakt zum Wasserfliegen
TRAINER-S
Video
Die Keile hier sind aus einem grauen Verpackungsmaterial, das aber entgegen seiner EPP-Ähnlichkeit nicht UHU-Por-fest ist. Ich habe es letzte Woche einfach noch einmal neu verschliffen und neu und besser mit Laminierfolie beklebt.
FCXL
Video
Die Videos können wohl kaum die Freude vermitteln, die ursprüngliche "Mistkrücke" in so ein Spassgerät verwandelt zu haben. Sie ist derzeit mein liebstes Wassermodell, weil sie (auch durch ihr Gewicht) wunderbar ruhig fliegt. Der Wingo ist Spass, aber die FCXL ist richtiges Fliegen. Der letztjährige Gedanke sie zu entsorgen ist weit weggeschoben!
Mit Andreas hatten wir den unglaublich hohen Bock unter dem Rumpf – sprachlose 57mm! – erst in der Nacht vor den Flügen aus Alublech fertig gebogen, mit dem festen Vorsatz, der FCXL auch die zweite Lösung von "friss oder stirb!" als ehrenvollen Fliegertod anzubieten.
FCNG
Unser See, no comment...
Video
Die FCNG war noch nicht gut eingestellt (zu hecklastig -> instabil um die Querachse, zu giftiges HR -> zappelig). Beim Start 1:20 sieht man schön die Übergänge Verdränger-/4-Punkt-/Stufenfahrt. Trotzdem sitzt sie mir noch zu sehr auf den Schwimmerenden, ich werde sie auf Keil umbauen.
U M B A U :
Keil aufkleben
Diese Lösung beim Trainer-S ist die beste. Die Schwimmer bleiben in Flugzeug-Längsachse, das Modell gleitet in einer höheren Position.
Gestänge modifizieren
Manchmal kann man auf die Schwimmer kaum sinnvoll Keile aufkleben, vor allem bei V-Form und Hohlkehle. Dann geht es am einfachsten, hinten unten am Rumpf für die Gestängemontage einen Bock zu montieren. Stützröhrchen reichen nicht aus, weil die seitlich einwirkenden Kräfte enorm sind, speziell beim Hakenschlagen.
Hinten verlängerte Schwimmerstützen bringen folgende Nachteile:
- Ein Heckwasserruder geht nicht mehr, weil die Stange wesentlich zu lang werden würde (bricht sofort)
- Der Propeller kommt deutlich näher ans Wasser und frisst die Bugwelle in Verdrängerfahrt (aber kein Wasserfressen in Stufenfahrt) Abhilfe: Dreiblatt, höher drehender Motor mit kleinem Prop.
- Der hintere Ausleger des Schwimmers kommt zu tief. Bei der FCXL stört es nicht, aber bei der FCNG schon – ich werde sie von jetzt provisorisch aufgebockt auf Keil umbauen.
Trotzdem überwiegen die Vorteile enorm:
- Der Umbau ist relativ einfach, und gut geeignet um die neuen Anstellwinkel auszuprobieren.
- Die Starts und Landungen werden unglaublich einfach und sicher, jegliche Angst fällt ab. Wie man bei der FCXL sehen kann, müssen die Modelle nicht leicht sein um über das Wasser rennen zu können.
- Das Modell sich im Wind ausrichten zu lassen, nur die Gase reinzuschieben und die Hände weg vom Knüppel zu lassen, während das Modell beschleunigt und am Ende völlig von alleine sanft abwassert – das hat was Erhebendes. Dann weiss man, dass es passt.
- Der Spass beim Rennfahren ist fantastisch, man bewegt die Modelle fast lieber auf dem Wasser als in der Luft.
- Auswirkungen der angestellten Schwimmer auf die Flugeigenschaften habe ich eigentlich keine beobachten können.
- Die Belastungen für die Schwimmer beim Wellenreiten sind enorm, das Gestänge sollte abgestrebt sein. Aber sie sind sicher geringer als die brutalen Scherkräfte beim Hakenschlagen!
Und zum Schluss: Auch mit den höher angestellten Schwimmern kann man Kurzstarts wie gewohnt durchführen, z.B. auf kleinen Gewässern. Vermutlich wird man aber keine Lust mehr dazu haben…
_________________________________
Inzwischen sehe ich eigentlich schon an Land, ob ein Modell gut auf dem Wasser fährt. "Alle meine Entchen" fliegen super - die mit dem Schwänzchen in die Höh. Die jedoch, bei denen das Heck hängt, werden sich beim Start hinten anheben und die Vorderschwimmer in die Tiefe bohren... Und das sieht dann bekanntermassen so aus:
man sieht sogar auf diesem Bild schon, dass die Schwimmer vorne zu tief sind. Kurz vor Abhebegeschwindigkeit stellt das HR die Flug- bzw. Fahrtlage ein, nicht mehr die Schwimmer... und diese gehen den Weg alles irdischen, in die Tiefe...
LG Bertram
(und Danke an Andreas für die wie üblich sagenhaften Bilder)
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