Komplett von der Rolle
Großmodelle sind zur Zeit eher out. Klein und fein ist in. Und in diese Kategorie gehört auch der Thor von den Küstenfliegern. Ein Nurflügel, leicht gebaut, gierig nach Thermik und auf kleinstem Raum zu fliegen, damit muss man nicht auf das Modellfluggelände.
Die Küstenflieger haben eine Reihe gut fliegender Nurflügel im Programm, deren Gemeinsamkeit der einfache Aufbau und das geringe Gewicht ist. Thor, Meganuri oder auch Nuri XXS sind Beispiele dieser Serie.
Mit einer Spannweite von gut 1,20 Metern ist der Thor genau richtig, um abseits der Modellfluggelände an einem Deich oder Hügel im Hangaufwind zu segeln. In der Ebene sollen Wurfhöhen bis 20 Meter für Thermikanschluss sorgen. Wer nicht schleudern will, kann den Thor mit dem optionalen Mistral-Startset auch ganz bequem flitschen. Dabei werden auch größere Höhen erreicht.
Gut gemachter Bausatz
Die Nuris der Küstenflieger werden als Bausatz verschickt. Der Aufwand, einen individuellen Nurflügel zu bauen, ist überschaubar, der Materialeinsatz gering.
Im Bausatz des Thor finden wir sauber geschnittene Flächenkerne aus sehr leichtem Styropor. Dazu kommen die Winglets und die Querruder, gefertigt aus 4 mm-Depron. Zwei Wurzelrippen aus Holz, das Anlenkmaterial für die Querruder und diverse Kleinteile sind in einem Beutel verpackt. Wer das erste Mal einen Nurflügel der Küstenflieger baut, sollte auf der Website in jedem Fall ein oder zwei Rollen des bunten Covering Tapes mitbestellen. Dieses Klebeband wird nicht nur zur Verstärkung des Thor benötigt, es kann auch gut für ein individuelles Dekor herkömmlicher Holz- oder GfK-Modelle verwendet werden. Covering Tape zeichnet sich dadurch aus, dass es nur sehr wenig gedehnt werden kann.
Zunächst wird getaped
Genau dieses Coveringtape wird nun auch als erstes für den Bau der Tragflächen benötigt. Die Flächenkerne habe ich zunächst mit einem Schleifschwamm leicht angeschliffen. Gerade so, bis das Styropor an der Schnittkante nicht mehr glänzt. Danach lege ich den Kern mit der Oberseite nach unten auf die Werkbank.
Nun ziehe ich einen Streifen, etwas länger als der Flächenkern, von der Rolle. Diesen klebe ich auf die Hinterkante des Flächenkerns. Dabei lasse ich den Streifen zirka zwei Zentimeter nach hinten überstehen. Dieser Überstand wird später auf die Oberseite umgeklappt.
Einen zweiten Streifen klebe ich vor den ersten. Ich lasse die beiden Klebebänder zirka fünf Millimeter überlappen. Anschließend klebe ich Streifen für Streifen auf das Styropor. Beim Abrollen des Tapes achte ich darauf, dass ich dem Material einen Augenblick zum Entspannen gebe, bevor ich es aufklebe. Obwohl es kaum dehnbar ist, wird das Tape beim Abrollen doch minimal gestreckt. Es zieht sich nach kurzer Zeit von alleine zusammen. Wenn es vorher aufgeklebt wurde, zieht es den Flächenkern mit, dieser biegt sich dann wie eine Banane.
Wenn der gesamte Kern von unten beklebt ist, besäume ich den Rand, lasse ein paar Millimeter überstehen und klappe diesen Überstand auf die Oberseite um. Nun drehe ich den Kern um und beklebe auf die gleiche Art die Oberseite des Nurflügels.
Da ich zwei verschiedenfarbige Tapes verwende, kann ich meinen Thor individuell gestalten. Zum Schluss ziehe ein einen durchgehenden Tape-Streifen über die Nasenleiste. Dieser Streifen verstärkt die Nasenkante und schützt vor „Macken“ bei Landungen außerhalb des gepflegten Golfrasens.
Genauso werden die Winglets getapet. Vor dem Tapen der Querruder müssen diese an der Drehkante im 45°-Winkel angeschliffen werden, damit sie am fertigen Modell, oben mit Tesa angeschlagen, gut beweglich sind. Ich schleife die Depronteile an der Tischkante liegend, so habe ich einen Anschlag, um nicht zu weit zu schleifen. Ein Schleifklotz mit 180er Papier ist dafür prima geeignet.
Mit einem maximal 100°C heißen Bügeleisen kann das Tape gestrafft werden
Nach dem Tapen werden mit einem scharfen Cutter die Ausschnitte für die Querruderservos gemacht. Die Servos werden stehend von oben in die Flächen geklebt, die genaue Position kann mit Hilfe der gut gemachten Anleitung gefunden werden.
Da der Thor aus Styropor und Depron besteht, darf er nicht mit jedem Klebstoff verklebt werden. Die meisten Sekundenkleber, aber auch Pattex, zerfressen das Material in Sekunden. Ich habe bei meinem Thor ausschließlich 5-Minuten-Epoxi verwendet. Neben den Winglets, bei denen natürlich das Tape an der Klebestelle entfernt werden muss, werden auch die beiden Wurzelrippen aus Sperrholz mit den Flächenkernen verklebt.
Es entstehen zwei Flächenhälften, die nicht miteinander verklebt werden. Mit Hilfe von zwei Buchendübeln werden sie zum Fliegen aneinander gesteckt und mit Tesa oder Ähnlichem gesichert. Nach dem Fliegen können die Hälften getrennt werden, so benötigt der Thor wenig Platz beim Lagern und Transportieren.
Doch soweit bin ich noch nicht. Hinter den großzügigen Aussparungen der Wurzelrippen schaffe ich mit einem Cutter ausreichend Platz für den Empfänger in der einen Fläche und den Empfängerakku in der anderen Fläche. Letzterer besteht bei mir aus vier AAA-Zellen, die zum Block verlötet sind. Damit die Trennung der Flächen einfach wird, habe ich am Steckplatz eines Querruderservos und des Empfängerakkus je ein 10 cm langes Servoverlängerungskabel eingesteckt. Diese Verlängerung ragt aus der einen Flächenhälfte, Servo- und Akkukabel kommen aus der anderen Hälfte.
Zum Ende der Montagearbeiten schlage ich die Querruder mit Tesafilm an, klebe die Ruderhörner aus Flugzeugsperrholz in Schlitze und fertige die Schubstangen aus den beiliegenden Kohlestangen und Gabelköpfen. Eine Längenverstellung der Schubstangen sehen die Küstenflieger nicht vor. Ich muss folglich beim Kürzen der Kohlestangen auf die exakte Rudereinstellung achten, letzte Korrekturen erledige ich dann über den Sender. Die Ruder stehen richtig, wenn die Unterseite der Querruder in einer Linie mit der Profilunterseite der Tragfläche verläuft.
Ein Highlight der nordischen Nuris ist die integrierte Schwerpunktwaage. Ein kleines Loch im Wurfgriff unterhalb der Fläche bietet die Möglichkeit, mittels Draht oder durchgezogener Schnur den exakten Schwerpunkt auszuwiegen. In der von mir gewählten Konfiguration neigt sich das Modell minimal nach vorne, das passt.
So ist es kein Wunder, dass ich bei den ersten Flügen keine Überraschung erlebe. Der erste Wurf, eher ein Schubs, zeigt, wie gut das Modell gleitet.
Gleich danach mache ich einen Schleuderstart. Das ist nicht so einfach, denn der Thor zerrt beim Schleudern an der Wurfkufe, die gerne aus den zusammengepressten Fingern rutscht. Wenn man den Mittelfinger der Wurfhand von hinten an die Kufe drückt, gelingen die Schleuderstarts fast immer. Dann geht der Thor in einem engen Bogen fast senkrecht nach oben. Wenn die Fahrt raus ist, muss ich nachdrücken. Die erreichbaren Höhen sind nicht vergleichbar mit denen, auf die man ein DLG schleudert. Es reicht aber für eine große Platzrunde.
Mein „Aha-Erlebnis“ habe ich ein paar Tage nach dem Erstflug erlebt. Das Modell liegt flugbereit auf der Wiese, als plötzlich von allen Seiten Schwalben zum Flugfeld kommen, um dort in wildem Flug Insekten zu jagen. So etwas ist ein untrügliches Zeichen für eine Ablösung, die Insekten werden in die Höhe getragen, die Schwalben folgen den Insekten. Mit ordentlich Schwung schleudere ich den Thor in den Himmel, um gleich danach Kreise zu drehen. Und siehe da, der Thor steigt. Dabei kann ich sowohl sehr eng als auch, in größerer Höhe, weiträumig ohne Höhenverlust kreisen. Dafür ist das Modell gemacht. Auch in größerer Höhe ist das Modell gut zu sehen. Natürlich habe ich die erreichte Höhe anschließend abgeturnt. Schnelle Rollen, enge Loopings, für den Thor kein Problem. Sobald ich die Ruder loslasse, segelt das Modell mit einem ansprechenden Gleitwinkel.
Ich gebe es offen zu, das Schleudern macht süchtig. Das Erlebnis, den Thor per Hand in die Thermik zu schleudern, möchte ich wieder haben, klappt allerdings nicht immer. Das Ergebnis ist ein respektabler Muskelkater am andern Tag. Ich hab es übertrieben.
Dabei muss der Muskelkater nicht sein. Unter dem Namen Mistral verkaufen die Küstenflieger eine kleine Flitschdeinheit, bestehen aus etwas Gummi und Seil, einer Aufwickelvorrichtung und einem Hering.
Am Thor klebe ich einen kleinen Drahthaken in eine der Wurzelrippen, möglichst weit vorne. Einhängen, spannen, loslassen...mit einem „Wush“ erreiche ich nun locker die doppelte Ausgangshöhe, fast ohne Anstrengung.
Beim Flitschen schießt der Thor Richtung Hering, minimal an der Höhe gezogen geht es senkrecht nach oben. Dort drücke ich ein wenig nach. Wenn ich zu viel ziehe, macht der Thor einen engen Looping, die Ausgangshöhe ist verspielt, sonst passiert aber nichts.
Mein Video vom Bau und Fliegen des Thor
Fazit
Der Thor ist ein „Immer-dabei-Flugzeug“. Mit dem kompakten Packmaß kann man ihn auch auf dem Fahrrad mitnehmen. In Zeiten, in denen auf Modellfluggeländen mit Einschränkungen zu rechnen ist, kann der Thor auf jeder Wiese, gerne auch im größeren Garten, geflogen werden. Der Thor ist ein auf Thermikfliegen ausgelegtes Modell und sollte keinesfalls mit den Combat-Nurflügeln aus EPP verwechselt werden.
Das Mistral-Startset ist fein abgestimmt, die Ausgangshöhen sind gut, ohne das Risiko, das Modell durch einen zu starken Gummizug zu zerstören. Ob mit oder ohne Startset: Das Wort „Modellsport“ findet beim Thor von den Küstenfliegern seine Berechtigung.
Auch wenn es sich beim Thor nicht um ein Plug-n-Play-Modell handelt, so ist doch die Aufbauzeit gering und die nötigen Arbeiten sind auch von einem Anfänger gut zu bewältigen. Mit verschiedenfarbigen Tapes kann ein individualisiertes Modell gebaut werden, das seinem Besitzer lange Freude macht.
Technische Daten |
Spannweite [mm] | 1210 |
Länge [mm] | - - |
Gewicht [g] | 256 |
RC-Funktionen | Höhe/Quer (gemischt) |
Motor | - - |
Regler | - - |
Empfänger-Akku | 4,8 V, 1.000 mAh, 4S AAA |
Startset | Mistral |
Servos | 2 x MASTER Servo DS3012 Pichler |
Preis | 55,00 € |