Saalflug - quo vadis?

Saalflug – quo vadis?

Heinrich Eder

Mit diesem Artikel möchte ich unsere derzeitigen Erfahrungen im Saalflug zusammenfassen sowie Zukunftsperspektiven betrachten.

Rückblick

In den 40er Jahren waren Helmut Kermess und H. J. Mischke die besten deutschen Saalflieger. Zitat Deutsche Luftwacht -Modellflug: „Helmut Kermeß wurde Sieger beim gesamtdeutschen Wettbewerb für Gummimotor Saalflugmodelle am 30.11. und 1.12. 1940 in Breslau/Schlesien mit einer Zeit von 11 Minuten 7 Sekunden“. Damals waren 157 Teilnehmer mit 180 Modellen in der riesigen Jahrhunderthalle am Start. Es war zu dieser Zeit der zweitgrößte Kuppelbau der Welt und für Saalflugmodelle ideal geeignet. In Deutschland hatte der Saalflug auch nach dem Krieg noch eine lebendige Szene. Wettbewerbsorte, wie die Westfahlenhalle und später die Cargolifter-Halle mit über 100 m Höhe waren gut besucht. Peter Kuttler (By) konnte in der der Cargolifter Halle Weltrekord in der Klasse F1D fliegen.
International fanden früher die Wettbewerbe z. B. im Zeppelinhangar von Cardington in England statt. Max Hacklinger hat dort 1962 seinen Weltrekord geflogen. Die Weltmeister Karl-Heinz Rieke (1962, Cardington) und Hans Beck (1966, Debrecin) kamen aus Deutschland. In neuerer Zeit war Lutz Schramm 2012 als Weltmeister erfolgreich. Er hielt auch den Weltrekord für Hallen bis 30 m Höhe mit 39 min. 10 s. Beständige WM Teilnehmer aus Deutschland sind derzeit Uwe Bundesen und Thomas Merkt.

Workshops und PR

Meine Erfahrungen aus ca. 50 Jugend-Workshops an der Flugwerft Schleißheim bei München und an verschiedenen Schulen (Realschulen, Gymnasien): Die Bauerfolge waren durchweg gut. Alle Modelle wurden letztlich zum Fliegen gebracht und die Erbauer nahmen ihre Erfolgserlebnisse mit nach Hause. Die Frage ist, wie nachhaltig sind Workshops, d. h. wie lange bleiben Jugendliche dabei? Die Erfahrung zeigt, dass letztlich nur ca. 2-3 Prozent der Teilnehmer dann auch zu einem Wettbewerb kommen. Besser ist der Erfolg, wenn potenzielle Interessenten von sich aus nach einem Workshop fragen. Dann kann man von einer gewissen Beständigkeit ausgehen. Das grundsätzliche Problem: Die Workshop-Teilnehmer gehen nach Hause und es gibt keinen Ansporn mehr zum gemeinsamen Fliegen. Auch ändern sich die Lebensumstände bei Jugendlichen oft sehr schnell.

Erfolge nur durch Aktiv-Zentren

Saalflieger sind in der Republik weit verstreut und haben meist lange Wege zu Wettbewerben.
Die besten Erfolge für Nachhaltigkeit werden in Zentren erreicht, bei denen mindestens ein Betreuer immer ansprechbar ist und regelmäßig Übungsfliegen bzw. Wettbewerbe stattfinden. Das setzt natürlich eine Halle voraus, die kostengünstig und zu den passenden Zeiten nutzbar ist. Ideal hierfür sind Schulen, weil dort meist eine Turnhalle vorhanden ist.
Zum Erfolg führt letztlich, wenn regelmäßige Aktivitäten in erreichbarer Entfernung stattfinden. Der Schwerpunkt liegt hier auf Kleinstädten, wo kurze Entfernungen vorhanden sind. In einer Großstadt wie München können zwischen 2 Orten schon mal 40 km liegen.
Ganz entscheidend ist die Gruppendynamik. In der Gruppe tauscht man sich aus und gute Leute sind Vorbild für andere, die dadurch motiviert werden.
Saalfliegen als Einzelgänger funktioniert überhaupt nicht!





Material

Leider sieht es um die Materialbeschaffung ziemlich schlecht aus. Die Lieferquellen sind verstreut und manche Lieferquellen versanden in letzter Zeit. Wer etwas sucht, kann sich an mich wenden. Ich habe von den meisten Materialien üblicherweise etwas vorrätig (eder-h@arcor.de)

Gummi:
Die Lieferkonstanz ist derzeit vorhanden, da der Tan Super Sport (FAI Gummi) mehrfach im Jahr in USA produziert wird. Lieferquelle ist z. B. Mike Woodhouse Free Flight Supplies in England. In F1D wird überwiegend noch der TAN II Gummi verwendet, der für Neueinsteiger nicht oder nur schwer erreichbar ist. Auch das ist ein gewisses Hindernis.

Gummischneider

Die polnische Maschine von Ciapala (Polen) wird es in nächster Zeit nicht mehr geben. Es ist die zurzeit beste und kostengünstigste Maschine. Die Maschine von Indoor Model Specialties (Ray Harlan) ist deutlich teurer und nicht so komfortabel in der Bedienung.
Eigenbaulösungen wurden z. B. von Christian Gugger (CH) vorgeschlagen.

Balsa

Saalflugbalsa mit Dichten von 70 bis 90 kg/m³ ist im normalen Handel kaum zu bekommen. Es werden ja meist nur sehr geringe Mengen benötigt. Ich stelle nach wie vor Saalflug Balsa von Thoma Balsa zur Verfügung. Das Holz kommt aus Neu Guinea. Leider ist die Qualität nicht die beste. Man muss vielen Balken durchsuchen, bis man Saalflug-Qualität findet. Die bisher beste Quelle für C-Grain, Nick Aikman, England, ist leider nicht mehr aktiv. Philipp aus unserer Gruppe baut zurzeit eine Präzisionssäge mit der wir C-Grain schneiden können. Dicken bis minimal 0,25 mm sollten dann möglich sein. Ohne die Verfügbarkeit von Quartergrain-Holz ist der Saalflug nicht möglich! Perspektivisch werden wir die Maschine für Gruppen ggf. auch zum Kauf anbieten.

Einhängeringe

Gummi-Einhängeringe werden aus Hydraulik- bzw. Vakuumschläuchen hergestellt. Solche gibt es im Modellbau z. B. für Hydraulikbagger usw. Leider sind die meisten zu weich und drehen sich mit dem Gummi auf. Eine Quelle für einen harten Schlauch ist z. B. der Unterdruckschlauch von Opel Teile Nr. 1211202. Es werden Scheiben von ca. 1 mm Breite abgeschnitten und mit einem Mini-Lötbrenner beidseitig kurz erhitzt, damit sich die scharfen Kanten runden.

Teflonschläuche

Sie dienen als Lagerscheiben. Man findet sie im Laborbedarf z. B. für Flüssig-Chromatografen. Der Innendurchmesser sollte ca. 0,5 mm sein.

Folie

Ich habe vor einiger Zeit eine Restrolle mit 10.000 m (Dicke nominell 0,9 µm) von Steinerfilm erworben und gebe Mengen von 20 oder 50 m kostengünstig ab. Den dünneren OS Film mit 0,6 µm Dicke gibt es für viel Geld nur in USA von Hobby Specialties oder auch von Freeflight Supplies (GB), wobei Sendungen aus England neuerdings zu verzollen sind.



Stahldraht

Geeignet sind Gitarrensaiten, die es in Zollmaßen gibt (ab. ca. 0,018 mm). Sie sind auf 1/1000 mm kalibriert. Man erhält also immer die gleiche Dicke, was sie besonders auch als Torsionselement von Drehmomentmessern verwendbar macht. Für Lagerwellen muss die Saite erst gerade-gestreckt werden.

Alulager

Lager für Saalflug müssen aus hartem Aluminium gefertigt werden. Allerdings ist reines Dural zu spröde und deshalb kaum biegefähig. Fertige Lager gibt es bei Indoor Model Specialties (Ray Harlan). Eine Alternative sind Drahtlager wie in meinen Büchern „Alles über Saalflug“ und „Saalflug mit Leichtmodellen“ (sieh unten) beschrieben.

Hilfsgeräte

Wichtige Hilfsgeräte sind: Milligrammwaage (Goldwaage), Drehmomentmesser, Pitchlehre, Leistenschneider. Wir haben in letzter Zeit eine kleine Serie von Drehmomentmessern aufgelegt, die wir zu Selbstkosten abgegeben haben. Wer noch Interesse hat, soll sich bitte melden. Milligramm-Waagen (Goldwaagen) gibt es im Internet für ca. 25 Euro. Eine Pitchlehre lässt sich relativ leicht selbst herstellen. Auch Leistenschneider kann man mit zwei M6-Gewindestangen selbst herstellen. Eine Umdrehung entspricht genau einem Millimeter Vorschub. Gute Dienste leistet auch der Leistenschneider z.B. von KAVAN (ebay).

Bausätze

Ich habe über die Plattform Thermiksense Bausätze angeboten. Die Nachfrage kam hauptsächlich aus dem europäischen Ausland. In Spanien wurde mit Hilfe der F1M-L Bausätze wieder ein nationaler Wettbewerb etabliert. Das Interesse ist dort erfreulicherweise nachhaltig und es entwickelt sich zurzeit eine selbständige Bauszene. Ähnliches spielt sich jetzt in Portugal ab. Auch in Italien gibt es mit Hilfe der Bausätze wieder Aktivität. Sehr aktiv ist die schweizer Gruppe um Christian Gugger. Das Problem der Bausätze ist die Beschaffung von geeignetem Balsaholz insbesondere C-Grain. Holz - selbst aus den vorselektierten Balken - kann ich für Bausätze oft nur zu 40-50% verwenden.

Ausblick

Saalflug ist nicht unbegründet eine Randisziplin im Modellflug. Der Einstieg ohne die Hilfe eines Experten ist quasi unmöglich. Es sind spezielle Materialien erforderlich, deren Quellen verstreut sind. Das alles schreckt viele ab.
Ideal sind Aktivzentren, die bei der Materialbeschaffung und beim Bauen behilflich sind und wo regelmäßig Aktivitäten stattfinden. Zurzeit sind es nur wenige Zentren, z. B. in Offenburg, Schorndorf, Schleißheim, Hamburg sowie in der Schweiz, an die man sich wenden kann. Interessenten können sich auch unter info.Saalflug@gmx.de melden um aktuelle Informationen zu bekommen. Es sei hier auf die Infothek der Thermiksense und das Forum RC-Network/Freiflug/Saalflug hingewiesen. Saalflugmaterial bietet auch das Materialdepot von Helmuth Schnell, siehe Thermiksense/Saalflug.
Bücher: Heinrich Eder: „Alles über Saalflug“ und „Saalflug mit Leichtmodellen“ (VTH Verlag oder Amazon Bücher)
 

Papa14

User
Hallo Heinrich (ist das dein Name?),

dein Artikel hat mich sehr berührt, habe ich doch selbst einmal solche Saalflieger gebaut. Das ist aber schon über 40 Jahre her und es hat nie für ambitioniertere Schritte gereicht. Immerhin waren die mit sebstgegossenem Mikrofilm bespannt - macht man das heute nicht mehr? Ich war jedenfalls stolz wie Oskar, so eine Seifenblasen-Bespannung hingekriegt zu haben.

Deine Aufzähle der Materialien und deren Beschaffung bestärkt mich jedenfalls, dass ich in diese Genre nicht mehr einsteigen werde :D, aber mein Interesse und meine Bewunderung ist trotzdem hoch.

PS: Auf YT gibt es ein paar Videos aus Japan, da frönen die wirklich alten Herren diesem Sport. Da ist scheinbar keiner unter 80, die bewegen sich auch alle im Zeitlupentempo. Wahrscheinlich eine gute Grundvoraussetzung ;).
 
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