Entwicklung eines F3F-Profils - Teil 4 – Strak & Profile
Entwicklung eines F3F-Profils - Teil 4 – Strak & Profile
Oh Leut – ich bekomm ein Problem. Wenn ich jetzt zu dem Partikel-Schwarm-Team gehe und denen sage „Männers, passt bitte mehr auf den Crosswind auf und im Energiemanagement ist noch Luft nach oben und – apropos Luft - jetzt geht‘s ins französische Höhentrainingslager“ dann hauen die mir das Profil verbunden mit einem „Mach doch Deinen Mist alleine“ um die Ohren! Irgendwo kann ich‘s verstehen nachdem sie zig-Millionen Mal auf dem Profil rumgehämmert haben, ebenso oft xfoil bis zur „no convergence“ gequält haben, ist eine gewisse Erschöpfung unvermeidlich…
Als ob das nicht schon genug wäre, hatte ich die Tage noch diesen (Alb-)Traum: Mit Tofo hatte ich mich zum ultimativen Profil-Shootout am Himmelberg verabredet. Wir machten einen synchron F3F-Vergleichsflug. Er nahm meine gute, alte Europhia 2 – ich seinen nagelneuen Pitbull in der 2020 Race Edition. Kurz nach der neunten, von mir sehr druckvoll und dynamisch geflogen Wende, just als ich dachte „Den Tofo hast Du ganz schön versägt“, machte es hinter mir „Blopp“ - mmh, das hörte sich verdächtig nach dem Öffnen einer Flasche Gruibinger Brunnenbier an! Und schon stand Tofo neben mir und meinte beiläufig „Tja – alles eine Sache der Ballastierung...“. Dem nicht genug. Tobi baute sich unversehens mit einem verschmitzten Lächeln vor mir auf: „Jochen, brauchst da mit dem Profil nicht so rummachen. Hauptsache, es ist einigermaßen schnell und hat genug Druck. Alles andere erledigen wir dann an der Kante“. Mein resigniert gemurmeltes „Ihr Profil-Banausen...“ ging in dem krachend knirschenden Einschlag des Pitbull unter … der dann auch zum Glück diesen Alb-Traum beendete.
Ich schreib das deshalb so ausführlich, damit Ihr meinen inzwischen desperaten Zustand in Sachen Profilentwicklung nachvollziehen könnt. Mit dieser Gemütslage geht es jetzt an das letzte Thema: „Entwicklung der Strakprofile“ . Da müsst Ihr jetzt noch durch!
(Übrigens danke Dieter für Deine Ergänzung des Profil-Lastenhefts! Das sind genau die Hinweise, die ich erhofft hatte…)
Das Profil im Strak
Bei der Entwicklung des Profilstraks für eine Tragfläche geht es primär um die Anpassung bzw. Optimierung des Profils entlang der Spannweite. Anspruchsvoll wird diese Aufgabe, wenn zusätzlich noch bestimmte Eigenschaften in Spannweitenrichtung (beispielweise ca-Verteilung) aufmoduliert werden sollen. Im Vergleich zu der noch halbwegs heilen 2D-Welt, werden die Verhältnisse bei der 2,5D bzw. 3D Betrachtung einer Tragfläche richtig kompliziert und zunehmend komplex (im Sinn nicht mehr deterministischer Wechselwirkungen) – Stichworte: Rumpf-Flächenübergang, Querströmungen, Flächenspitze...
Die Entwicklung der Strakprofile ist in der Regel ein iterativer Vorgang im Wechselspiel mit dem Design der Tragflächengeometrie. Die klassischen Ziele in dieser Iteration sind:
- Erreichen einer (leicht über-) elliptischen Auftriebsverteilung, Minimierung des induzierten Widerstands
- Optimierung der Gesamtflächenperformance in den Auslegungsbereichen
- Unterstützung eines unkritischen Überziehverhaltens – keine Abschmiertendenzen
- geringe Veränderung des Profilmoments – Minimierung der Torsionsbelastung
- - …
Da ich bisher nur die Eckdaten meiner Tragfläche festgelegt habe, entschied ich mich für eine vereinfachte Betrachtung, bei der die Re-Zahl-Anpassung des Profils mit abnehmender Flächentiefe im Vordergrund stand. Dazu wurden 3 „Trägerprofile“ festgelegt und auf ihre Rolle im Strak optimiert:
- Wurzel: Das schon bekannte JX FX 15 ausgelegt auf Re√ca = 150.000. Gibt die grundsätzlichen aerodynamischen Eigenschaften für die weiteren Strakprofile vor.
- Mitte-Außen: JX FX 10 ausgelegt auf Re√ca = 100.000. Der „kleine Bruder“ des Wurzelprofils. Seine Aufgabe ist, die Leistungseigenschaften des Wurzelprofils möglichst weit nach außen (abnehmende Flächentiefe) zu tragen. Das Profil ist auch gut geeignet als Wurzelprofil für kleine Hangrenner.
- Außen: JX FX 06 ausgelegt auf Re√ca = 60.000. An dieses Profil werden eigentlich nur noch 2 Anforderungen gestellt: „Durchhalten“ auch bei hohen ca-Werten (große Anstellwinkel) und einfach schnell sein bei kleinen ca-Werten. Dazwischen muss es keinen entscheidenden Beitrag zur Gesamtleistung mehr liefern.
Die für die Konstruktion oder die Berechnung in xlfr5 notwendigen Zwischenprofile werden dann durch einfaches prozentuales Mischen der „Trägerprofile“ erzeugt: Das Zwischenprofil für beispielsweise Re√ca = 120.000 ergibt sich durch 60% JX FX 10 und 40% JX FX 15.
Nicht wirklich nachvollziehen kann ich, dass für manche kommerziellen Modelle die Anzahl der berechneten Strakprofile sozusagen als Qualitätsmerkmal ausgewiesen wird. Es gilt: Je mehr, desto besser. Wie kann ich aber 20 Profile entlang der Spannweite für sich und im Kontext der Nachbarprofile wirklich sinnvoll optimieren? Ein Verschieben der Dickenrücklage um 0,1 Prozentpunkte oder gar nur ein geometrisches Straken (Mischen) ist nach meinem Verständnis noch keine „Berechnung“. Mmh …
Mein Vorgehen ausgehend vom Wurzelprofil war: Berechne die Polare des Wurzelprofils für die neue Strakposition (= neue Re-Zahlen). Optimiere dann das Profil für die neue Position. Versuche dabei die Polaren-Charakteristik möglichst beizubehalten. Bei diesem Ansatz ergibt sich „automatisch“ der Familiencharakter der entstehenden Strakprofile.
Es zeigte sich, dass eine Verbesserung zum jeweiligen Vorprofil vor allem im ca-Bereich < 0,4 und mittleren Re-Zahlen möglich ist (Entgegenwirken der stärker werdenden Laminardelle bei abnehmenden Re-Zahlen, Verbesserung der Lauflänge).
Die Typ 2 Gleitpolare des JX FX Straks im Vergleich. Gut zu erkennen, wie sich die Eigenschaften bei abnehmenden Re-Zahlen verändern würden
Ein Vergleich der geometrischen Eckdaten der Profile zeigt die typische Entwicklung – insbesondere an der Wölbungsrücklage bei abnehmenden Re-Zahlen:
Die 3 Profile des Straks sind im Anhang zu finden.
Nachgereicht: Das Klappenoptimierte JX FX extreme
Im vorherigen Teil über der Einsatz von Wölbklappen hatte ich mir die Frage gestellt
Müsste ein „Wölbklappen optimiertes Profil“ nicht viel stärker darauf ausgerichtet sein, sich nur in einem kleinen Anstellwinkelbereich von 3 Grad bewegen zu müssen? Wie viel Potenzial läge in einer solchen „Klappenauslegung“ eines Profils?
Der Gedanke ging mir dann doch nicht aus dem Kopf, so dass ich dann das bisherige JX FX noch einmal optimieren ließ. Diesmal mit gesetzten, optimierten Klappen (siehe Teil 3) ab ca => 0,5 und bei ca = 0,02.
Die Optimierung lief erstaunlich. Man spürte förmlich, wie das Profil die „Bürde“ großer Anstellwinkel ablegte, sich nicht mehr so viel um die Gefahr von Blasen kümmern musste, um dann den Turbo einzulegen. Der Drang nach geringer Profildicke wurde dabei immer ausgeprägter, so dass ich hier nicht mehr viel gegensteuerte…
Das Wölbklappen optimierte JX FX extreme mit 7,3% Dicke und 1,25% Wölbung im Vergleich zu JX FX.
Beim Blick auf die Polare rieb ich mir dann doch zunächst die Augen. Die leichte Verbesserung bei ca < 0,3 gegenüber dem bereits ziemlich guten JX FX ist ok – was dann aber unter ca < 0,1 passiert, ist schon sehr erstaunlich
Typ 2 des JX FX extreme mit optimierten Klappen gegenüber dem JX FX. Unter ca = 0,1 wird es spannend...
Die Typ 1 Polare mit einem Vergleich zu anderen sehr schnellen Profilen macht dann deutlich, in welcher Liga das „extreme“ spielt.
Typ 1 Polare des JX FX extreme bei Re = 600.000. Der Vergleich zeigt die ausgeprägten Schnellflugeigenschaften des Profils.
Das Profil ist nur ein erster, schneller Entwurf um die Überlegungen zu verifizieren. Ich bin nun aber recht sicher, dass der Entwurfsansatz „Klappen statt Höhenruder (bzw. Anstellwinkel) noch einiges an Potenzial für die Leistungsoptimierung bei F3F bieten könnte …
Am Ende ...
Mit dieser kurzen Nachbetrachtung kommt die kleine Beitragsreihe über die Entwicklung eines F3F-Profils zum Ende. Mir hat‘s viel Freude bereitet wenngleich ich mich fachlich doch manchmal auf dünnem Eis bewegen musste. Aber da hat dann Eure rege Rückkopplung und die vielen Hinweise geholfen, frohen Mutes weiter zu schreiben… Danke dafür!
Wie eingangs geschrieben, wäre es klasse, wenn im Lauf der Zeit an dieser Stelle mehr und mehr Erfahrungen und Erkenntnisse zusammen kommen. Ich denke, wir können alle nur davon profitieren.
In Bälde werde ich dann nochmal alle erwähnten Profile und noch ein paar Goodies, die ich inzwischen erhalten habe, auf die „Bühne“ bitten.
Im Anhang findet Ihr die 3 Profile JX FX 15, JX FX 10 und JX FX 06 zur Verwendung, wie weiter oben beschrieben. Ebenso das JX FX 15 extreme (hier dran denken, für den Vergleich ca > 0,5 die Klappen wie beschrieben zu setzen)
Und noch eine technische Anmerkung: Erst spät hatte ich festgestellt, dass xflr5 die Profilkoordinaten in *.dat nur mit 5 Nachkommastellen schreibt, was für die maschinelle Optimierung deutlich zu wenig ist. Ein weiteres Problem in xflr5 (noch nicht final verifiziert): Das Verändern der Profildicke und/oder Wölbung „zerschießt“ die Profilnase – also besser vorsichtig sein.
Viele Grüße
Jochen