Tipps zum Entwurf

Johannes Eissing

Moderator
Teammitglied
Hallo zusammen,

ich möchte kurz zusammenstellen, worauf es beim Entwurf in etwa ankommt.

Ich gehe davon aus, dass Ihr schon die grundsätzlichen Anforderungen an Euren Entwurf aufgeschrieben und also eine Vorstellung davon habt, was das Ding nachher leisten soll. Zu schnell ist man dabei zu erfinden WIE man es macht bevor man eigentlich weiss WAS es können soll.

Die Design Spirale, an der man sich in mehreren Runden entlang iteriert, umfasst etwa diese Punkte

- Auftrieb (Volumen)
- Gewicht (Oberfläche, Systeme)
- Auftriebsschwerpunkt CB und Schwerpunkt CG (Metazentrische Höhe: CG möglichst tief und unterhalb des CB)
- Antrieb
- Richtungsstabilität (geradeaus fahren, Leitwerke, Leitwerksfläche, Hebelarm zum Schwerpunkt)
- Kontrollierbarkeit (Ruder, Drehkreis)
- Kurvenflugverhalten (Gier/Roll/Nick- Kopplung)

etwa in dieser Reihenfolge.

- Auftrieb
Um genau zu sein, kommt der Auftrieb von der Luft und nicht vom 'Traggas'. Das ist lediglich 'leichter als Luft', und so bleibt der Unterschied zwischen dem Auftrieb der Luft und dem Gewicht des Traggases als 'Tragkraft' für uns nutzbar. Als Daumenregel gilt: Helium hat eine Tragkraft von 1kg/m³ oder 1g/ltr. Das Volumen eines typischen Luftschiffkörpers kann man recht gut abschätzen mit
V=L*D*D*0.52
hier ist V das Volumen, L die Länge und D der Durchmesser. Das soll zunächst reichen.

- Gewicht
Wenn das Gewicht grösser wird als die Tragkraft hat man ein Problem. Gewicht ist bei Luftschiffen also enorm wichtig. Deshalb von Anfang an eine Liste/Tabelle darüber führen, wieviel was wiegt. Das fängt mit groben Schätzungen an, die nach und nach mit Herstellerangaben, Rechnungen und Wägungen verbessert werden. Nichts ist ärgerlicher, als ein Luftschiff, das nach dem Zusammenbau nicht abhebt. Einen grossen Anteil am Gewicht hat die Hülle, die das Traggas einschliesst. Die Oberfläche zu berechnen ist nicht ganz einfach. Eine ziemlich gute Näherung ist
S=2.87*V/D+0.970*D*L (Berichtigt, vorher: S=3.65*V/D+0.970*D*L)
Hier ist S die Oberfläche, V das Volumen, D der Durchmesser und L die Länge des Körpers (Quelle: NACA TN 0086)

- Schwerpunkte
Hat man gut auf das Gewicht aufgepasst, und das Luftschiff schwebt, ist die nächste Herausforderung der Trim. Die meisten Luftschiffe werden zunächst hecklastig. Deshalb ist es sinnvoll, in der Gewichtstabelle auch die Einzelschwerpunkte einzutragen und den Gesamtschwerpunkt zu berechnen (CG für Centre of Gravity). Der sollte möglichst tief und unterhalb des Auftriebsschwerpunktes liegen. Der Auftriebsschwerpunkt (CB für Centre of Buoyancy) ist der Volumenschwerpunkt des Traggases. Je kleiner der Abstand zwischen CB und CG ist, desto unberechenbarer wird das Flugverhalten, insbesondere in Kurven. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass der Schwerpunkt oberhalb des Auftriebsschwerpunktes lag. In diesem Falle rollt sich das Schiff auf den Rücken.

- Antrieb
Irgendwie will man ja vorwärtskommen. Ein Heckpropeller hat im Prinzip den besten Gesamtwirkungsgrad. Der Propeller sollte dann nicht grösser sein als 1/3 bis 1/2 des Durchmessers des Rumpfes. Das Heck sollte nicht zu stumpf sein, da der Prop sonst im 'Totwasser' läuft, was schlecht für den Propellerwirkungsgrad ist. Das Problem bei Heckpropellern ist allerdings der weit hinten und oben liegende Schwerpunkt.

- Richtungsstabilität
Ein 'schlanker Körper' wie ein Luftschiff ist inhärent instabil, d.h. er will sich immer querstellen. Deshalb braucht man Leitwerke. Wichtig ist hier das 'Leitwerksvolumen', das Produkt aus Leitwerksfläche und Hebelarm zum Schwerpunkt. Es nützt also nichts, den Volumenschwerpunkt nach hinten zu legen, um die Leitwerke besser tragen zu können: man braucht dann nämlich wiederum grössere Leitwerke, weil durch das verkürzen des Hebelarmes das Leitwerksvolumen kleiner wird. Je weiter der Volumenschwerpunkt vorn liegt, desto kleiner kann das Leitwerk werden. Eine sinnvolle Lage für den Volumenschwerpunkt ist bei 45% der Länge. Ein vernünftiger Schlankheitsgrad ist eine Länge von fünf mal dem Durchmesser. Je plumper das Luftschiff, desto grösser müssen die Leitwerke werden, und das bedeutet Gewicht und Widerstand.
Das destabilisierende 'Munk- Moment' wirkt übrigens auch in der vertikalen Ebene. Hier hilft zwar ein wenig das stabilisierende Pendel aus CG und CB, aber Höhenleitwerke sind unumgänglich.

- Kontrollierbarkeit
nur gerade aus fliegen nützt ja auch nicht viel, deshalb Ruder. Man kann auch Pendelruder vorsehen, ist weniger komplex als geteilte Leitwerks/Ruder Anordnungen.

- Kurvenflugverhalten
Das Luftschiff sollte möglichst oben/unten symmetrisch sein, da es sonst in der Kurve zu stark nach innen oder aussen rollt. Wenn es rollt, steuert das Seitenruder plötzlich nicht mehr nur seitlich, sondern auch nach oben oder unten und schwupp bricht das Schiff vertikal aus. Hier spricht man vom 'JC Manoeuvre' (für 'Jesus Christ!') oder auch vom 'Yeehaa'- Manöver. In der Fachsprache nennt man das den'Out of Plane Effect'.

OK, ich hoffe, das war nicht zuviel Stoff für den Anfang. Probiert es einfach aus, und bei Fragen immer fragen.

Gruss, Johannes

PS.: Hat sich schon jemand den 'Gertler Series 58 Generator' angeschaut?
http://www.airshipworld.info/software/2008/08/generator-version-05-download/
 
Zuletzt bearbeitet:

BIGJIM

User
Hallo Luftschifffreunde
Hallo Johannes Eissing,

es ist absolut verständlich ein Luftschiff mit Grundlagenwissen unter wissenschaftlicher Betrachtung mit den verschiedenen Überlegungen von
Auftrieb,
Gewicht,
Auftriebsschwerpunkt,
Antrieb,
Richtungsstabilität,
Kontrollierbarkeit und Kurvenflugverhalten einschließlich dem Faktor Geschwindigkeit zu bauen.
.
So habe ich vor kurzer Zeit (22.10.2008) bereits im Forum der amerikanischen Luftschifffreunde bei http://www.rcgroups.com/forums/showthread.php?t=939782 den aktiven Link für diesen Generator gefunden..

I'm using Oracover air, material from Balloonkits or just flower or gift wrap film.

find a propper shape for your envelope here: Gertler Series 58 Generator

A must-read is Alan Sherwood's Discussion on Making Mylar Envelopes

You get cheap engines, control and even a gear by culling RC servos.

Best, Johannes

..und diverse Modellformen probiert.
.
Übertragen und Kopiert. Diese Kopie etwas vergrößert (DIN A4) und dann auf eine Zuschnittrasterschablone übertragen.
.
Die nächste Fragestellung was will ich für ein Modell haben?
.
WBW oder SSM .. (der Link: http://www.modellzeppelin.de/viewtopic.php?t=462) und hier ist der einzelne Modellbauer gefragt Was und wie groß baue ich mir mein Luftschiffmodell.
.
Zuschnittbahnen in Länge und Breite = Durchmesser
Die Bahnen verkleben und sichern oder Verschweißen
Welch ein Einlassventil einfach oder Mehrfachverwendbar
Die Gondel einschließlich der Antriebmotore
Servos, Batterie und Empfänger
Ist der Zufall das Ergebnis oder habe ich mir eine Planskizze gemacht
.
Verwende ich „Billiggas“ als Ballongas und/oder gleich Helium
.
Als Grundlage ist der Beitrag von Johannes sehr gut beschrieben und gibt dem Bastler weitere Denkanstöße..
.
Lasst Taten sehen.. macht mit und bringt weitere Erfahrungen ein.


Gruß BIGJIM


.
 

han013

User
Detailfragen

Detailfragen

hallo johannes

danke für deine tipps.
sie haben mir ein bisschen zu denken gegeben, ob ich bei meinem entwurf nicht etwas zu nass-forsch bei der sache bin. :)

ich habe aber noch ein paar fragen zu details:


Johannes Eissing schrieb:
[...]
- Antrieb
Irgendwie will man ja vorwärtskommen. Ein Heckpropeller hat im Prinzip den besten Gesamtwirkungsgrad. Der Propeller sollte dann nicht grösser sein als 1/3 bis 1/2 des Durchmessers des Rumpfes. Das Heck sollte nicht zu stumpf sein, da der Prop sonst im 'Totwasser' läuft, was schlecht für den Propellerwirkungsgrad ist. Das Problem bei Heckpropellern ist allerdings der weit hinten und oben liegende Schwerpunkt.

wenn man den antrieb mit zwei seitlichen propellern realisiert, gibt es da eine gute längsposition?
und in bezug auf CG bzw. CB? möglichst nahe beim CB? oder irgendwo (?) zwischen CG und CB?


Johannes Eissing schrieb:
[...]
- Richtungsstabilität
Ein 'schlanker Körper' wie ein Luftschiff ist inhärent instabil, d.h. er will sich immer querstellen.

das verstehe ich nicht. ich hätte eher vermutet, dass es stabil sei. "quergestellt-sein" ist die stabile position eines (sich in einem medium bewegenden) schlanken körpers?

Johannes Eissing schrieb:
[...]
- Kurvenflugverhalten
Das Luftschiff sollte möglichst oben/unten symmetrisch sein, da es sonst in der Kurve zu stark nach innen oder aussen rollt. [...]

ist das rollen nicht eher davon abhängig, wie weit CG und CB auseinander liegen? wenn das CG weit unter dem CB liegt müsste nach meinem verständnis ein stärkeres rollen auftreten als wenn die beiden nahe beieinander liegen...


viele grüße
hermann
 

Johannes Eissing

Moderator
Teammitglied
Hallo hermann,
han013 schrieb:
..., ob ich bei meinem entwurf nicht etwas zu nass-forsch bei der sache bin. :)
Neinnein, der allerwichtigste Schritt ist, überhaupt anzufangen und sich von Klugschwätzern wie mir nicht den Spass verdenben zu lassen ;o)
han013 schrieb:
wenn man den antrieb mit zwei seitlichen propellern realisiert, gibt es da eine gute längsposition?
und in bezug auf CG bzw. CB? möglichst nahe beim CB? oder irgendwo (?) zwischen CG und CB?
Mein letztes Modell "Iris" hat zwei Propeller vorn unten, hauptsächlich wegen des Schwerpunktes. Seitliche Propeller haben eigentlich einen geringeren Gesamtwirkungsgrad, aber Wirkungsgrad ist ja nur ein Teil vom Ganzen. Übrigens liegt der CG, wenn das Luftschiff schwebt, immer unterhalb des CB. Zur Not hebt oder senkt das Luftschiff die Nase, um das hinzubekommen, dann ist es halt schlecht getrimmt. Ist mir auch schon passiert, das meinte ich mit "hecklastig".
han013 schrieb:
"quergestellt-sein" ist die stabile position eines (sich in einem medium bewegenden) schlanken körpers?
Ganz genau. Bei einem schräg angeströmten schlanken Körper entsteht an der Windabgewandten Seite des Bugs ein Unterdruck, der den Körper weiter schräg stellen möchte. Am Heck entsteht dieser Unterdruck kurioserweise an der Windzugewandten Seite, was den Körper wiederum Querstellen will. Dieses destabilisierende Moment nennt man auch das "Munk Moment".
han013 schrieb:
ist das rollen nicht eher davon abhängig, wie weit CG und CB auseinander liegen? wenn das CG weit unter dem CB liegt müsste nach meinem verständnis ein stärkeres rollen auftreten als wenn die beiden nahe beieinander liegen...
Im stationären Kurvenflug mit einem oben/unten symmetrischen Luftschiff ist die Schräglage unabhängig vom senrechten Abstand CB/CG. Der Winkel wird bestimmt vom Verhältnis zwischen Trägheitskräften, die den Schwerpunkt nach aussen drücken, und Schwerekräften, die ihn nach unten ziehen. Der Winkel richtet sich also nach der Drehrate, nicht nach der Schwerpunktslage.(Es sei denn, die beiden Punkte liegen genau aufeinamder, dann hast Du quasi keinen Einfluss der Schwerkraft.)
Der (vertikale) Abstand wirkt wie ein Pendel, er stabilisiert. Fehlt diese Stabilität, macht das Luftschiff in schnellen Kurven Männchen, Pirouetten, alles mögliche, nur keine Kurve. Das kann ziemlich lästig sein.

Gruss, Johannes
 

han013

User
Johannes Eissing schrieb:
Neinnein, der allerwichtigste Schritt ist, überhaupt anzufangen und sich von Klugschwätzern wie mir nicht den Spass verdenben zu lassen ;o)

keine angst ich lass mir den spass nicht verderben. :D
aber sich schon vorher mit der theorie und eventuellen fallstricken zu beschäftigen ist nicht schlecht.

v.a. das mit dem munk moment war mir wirklich neu. obwohl ich nach ein bisschen googlen und lesen ein gutes alltagsbeispiel für das munk moment gefunden habe: wenn man die hand leicht horizontal gekippt beim fenster eines fahrenden autos hinaushält spürt man ein "moment" in richtung weiteres kippen der hand.

grüße
hermann
 
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