40 Jahre Modellfliegerei
Da kann man schon mal nachdenken, was dabei rausgekommen ist.
Holger Willmann
Da kann man schon mal nachdenken, was dabei rausgekommen ist.
Holger Willmann
Das wird eine sehr allgemeine Betrachtung der Modellfliegerei aus meiner Sicht. Sie kann daher weder vollständig, noch objektiv sein.
Vielleicht findet sich dennoch der eine oder andere wieder.
Die Anfänge in den 70ern
Angefangen hat alles mit "Schnellbaukästen" und dem überlieferten Know-How von Modellbauhändlern, Vereinskollegen und Autoren wie Erich Rabe. Die fliegerischen Fähigkeiten kamen wegen der Angst um's Material und der eher zweifelhaften didaktischen Fähigkeiten der helfenden "Experten" nur sehr langsam auf ein brauchbares Niveau.
Folgte man der herrschenden Lehrmeinung, kam nach dem Erlernen des sicheren Landens nun die Anforderung, unbedingt ein "richtiges" Modell bauen zu müssen - und das warf einen damit gleich mal wieder auf Anfang zurück. Es war natürlich wieder ein Baukastenmodell, wieder ein Höllenaufwand, und wieder hatte man vor dem Erstflug die Hosen gestrichen voll. Denn anstatt zu versuchen, das erste Modell im Schlaf zu beherrschen, unter allen Wetterbedingungen die Reflexe zu trainieren und endlich die Angst zu überwinden, musste es ja wieder etwas Neues, etwas "Besseres" sein.
Auf diese Weise stagnierten die Fähigkeiten, und das hatte mehrere Gründe:
- So ein vorgekautes Baukastenmodell baut man gefälligst nach Anleitung. Nun kam es aber vor, dass in der Anleitung dicke Böcke enthalten waren, oder die eigentlich wichtigen Zusammenhänge nicht (verständlich) erklärt wurden. So blieb eine Gurke zwangsläufig eine Gurke.
- Auch manches "Fachbuch" enthielt kapitale Fehler, die mangels eigener Kenntnisse und der fehlenden Möglichkeit des Austausches z. B. in Foren kaum zu erkennen waren.
- Der Support durch die "alten Hasen" im Verein war oft geprägt von gefährlichem Halbwissen, was durch lautes und von-sich-selbst-überzeugtes Auftreten überspielt wurde.
Irgendwann habe ich mir dann die Frage gestellt, warum diese Herren (genau wie ich) immer nur mit irgendwelchen Baukastenvögeln aufkreuzten, an denen sie immer was zu meckern hatten. Wieso bauten die nicht ihre eigenen Modelle? Bei genauer Betrachtung war es mit der Bauausführung an deren Superfliegern nicht weit her: Schlabbrige, spaltbehaftete Anlenkungen, gruseliges Finish und teils merkwürdige Flugeigenschaften kratzten doch arg an der "Vorbildfunktion".
Dann eben auf eigene Faust
Später sah ich den einen oder anderen, der sein fliegendes Material tatsächlich selbst entworfen und gebaut hatte. Diese (Rand-)Gruppe trat im Gegensatz zu den "Experten" eher still und zurückhaltend auf, so dass von dort nicht der gewünschte Input kam.
Hubers Konstruktionsbuch und Leistens RC-Deltamodelle brachten dann nach dem zwanzigsten Verschlingen die erste Ahnung über die Zusammenhänge, und das Beste war: All' das ließ sich anhand von selbstgebauten Balsagleitern "in echt" nachvollziehen!
So kamen die ersten Fortschritte, die es mir ermöglichten, die Flugeigenschaften jedes Modells gezielt zu verbessern.
Ausrüstung
Grenzen wurden bis in die 90er Jahre durch die zur Verfügung stehende Ausrüstung gesetzt. MHz-Fernsteuerungen eignen sich eher nicht für wirkliche Tiefflüge, weshalb fünf Meter über Grund schon als "tief" galten. Und so blieb der Flug in Bodennähe auf den Landeanflug beschränkt. Entsprechend unsicher wurden die Steuerbewegungen, sobald Gras am unteren Rand des Blickfelds erschien. Reflexe schulen geht aber am besten dann, wenn man auf das Modell herabschauen muss.
Servos wogen bis in die 90er um die 50 g oder mehr und mussten mangels Alternativen auch für völlig untergeordnete Funktionen wie Motordrossel oder Seitenruder verwendet werden. Zusammen mit bleischweren Empfängern und Akkus, sowie der erforderlichen Massivbauweise, um den Vibrationen der Verbrennungsmotoren zu trotzen, war das Mindestgewicht eines Flugmodells "von außen" vorgegeben.
Goldene Zeiten?
Es müssen für die Industrie bis einschliesslich der 90er Jahre wahrhaft goldene Zeiten gewesen sein: Fernsteuerungen wurden lediglich in der Peripherie durch Programmierbarkeit und zunehmende Anzahl der Funktionen „aufgepumpt“, während sich an der eigentlichen Übertragungstechnik über Jahrzehnte nichts änderte.
Importe aus Fernost (außer über eigene Kanäle) gab es noch nicht.
Die „exotischen“ Außenseiter mit ihren Elektroantrieben konnte man noch mehr oder weniger ignorieren und weiterhin seinen Methanolkram unter's Volk bringen, das lief doch fast von selbst.
Für mich war das die Zeit, in der meine Modellfliegerei so vor sich hindümpelte. Von Verbrennern genervt, Elektroantriebe mit brauchbarem Leistungsgewicht noch in weiter Ferne und Fernsteuertechnik von 1965 - das sah nach Sackgasse aus.
Es ändert sich (endlich!) etwas
Ungefähr mit Beginn des neuen Jahrtausends passierten genau die Entwicklungsschritte, die ich mir schon seit 20 Jahren gewünscht habe.
Elektroantriebe waren plötzlich leistungsmäßig nicht mehr der begrenzende Faktor eines Modells und ließen sich an alle Flugaufgaben anpassen. Damit war ich dem Flugbetrieb ohne tanken, glühen, anlassen, einstellen, putzen usw. einen entscheidenden Schritt näher gekommen.
Parallel dazu wurden die RC-Komponenten immer kleiner, so dass die Modelle nicht immer größer werden mussten, sondern kleiner und damit leichter zu handhaben sein konnten.
Der vorerst letzte Schritt war das Erscheinen der 2,4GHz-Anlagen. Spontane, geländebedingte Zuckungen in irgendeine Richtung gab es nicht mehr, und die unsägliche Quarzunsicherheit (schaltet da noch einer seinen Sender auf demselben Kanal ein?) gehörte endlich der Vergangenheit an. Folgerichtig profitierten die Fähigkeiten von der gewonnenen Sicherheit, weil man sich nicht immer wieder auf irgendwelche von außen verursachten Szenarios vorbereiten musste. Ein Einschlag war ab sofort meist selbst zu verantworten, das allseits beliebte "STÖRUNG!"-Schreien überzeugte nicht mehr.
Neue Möglichkeiten
Mit den so geänderten Randbedingungen konnte ich die Modellfliegerei endlich so betreiben, wie ich das "damals" schon gerne gemacht hätte: Mit vertretbarem Aufwand in der Werkstatt die Modelle bauen, wie ich sie schon immer haben wollte, um damit auf dem Flugfeld nur noch "Akku rein und ab dafür" durchzuziehen.
Mit dieser Taktik wurden Hunderte von Flügen pro Jahr möglich, ohne dass der Aufwand für Wartung und Reparaturen dazu in einem Missverhältnis steht. Technische Ausfälle, sei es durch stehengebliebene Motoren oder die früher so beliebten Funkstörungen, gab es in den letzten zehn Jahren nicht mehr (wahrscheinlich war das auch schon früher so, nur war eben immer eine Ausrede parat). Dank des elektromotorbedingten Wegfalls der Vibrationen ist die Zuverlässigkeit der elektronischen Komponenten inzwischen extrem hoch. Aus dem gleichen Grund muss die Zelle auch nur noch die Belastungen des Flugbetriebs aushalten, anstatt gegen Hubkolben-Schüttelei gepanzert zu sein.
“Man kann nur zähmen, was einem vertraut ist!“
Dieser Spruch von Saint Exupéry trifft auch auf Flugmodelle zu. Der durch die ARF-Welle ermöglichte schnelle Wechsel des Fluggeräts führt dazu, dass viele Modellflieger praktisch nie über die Phase des Herantastens an die Möglichkeiten ihres Modells hinauskommen.
Meine ersten Eigenkonstruktionen sind jetzt über zehn Jahre alt und nach wie vor im Einsatz. Das ist nicht etwa langweilig, sondern ermöglicht dank genauer Kenntnis der Eigenschaften nach hunderten von Flügen den Betrieb auch unter extremen Bedingungen, sei es bei üblen Wetterbedingungen oder auf völlig unbekannten Fluggeländen.
Und wo geht die Entwicklung jetzt hin?
Keine Ahnung.
Aber eins weiß ich: Egal, was da kommt, ich werde mich darauf einstellen können.
Die vergangenen 40 Jahre waren nämlich nicht vergeblich!
Soweit meine Bestandsaufnahme. Ich wünsche allen Modellfliegerkollegen, dass sie auch weiterhin unser Hobby auf ihre eigene Weise betreiben können.