Diversity - was ist das eigentlich?

Diversity - was ist das eigentlich?

Frank Tofahrn
Erstveröffentlichung 15.10.2010

Im Rahmen der Migration der Fernsteuertechnik im Modellbau hin zu 2,4 GHz-Anlagen ist „Diversity“ eines der Schlagworte in der Werbung und in technischen Diskussion. Die spannende Frage ist nun:

Was ist das eigentlich?
Warum brauchen wir so ein neumodisches Zeug?
Was bringt uns das?


Grundsätzlich wird als Faustregel angenommenen, dass im R/C-Bereich alles, was mehr als eine Antenne hat, ein System mit Diversity ist.
Das ist schlicht falsch!
Diversity ist mehr als das Vorhandensein von zwei oder mehr Antennen. Es funktioniert auch mit nur einer Antenne. Lediglich die Art des Diversity ist von Bedeutung und davon gibt es gar viele.

Das Konzept des Diversity in einer Funkverbindung beruht darauf, dass zwischen Sender und Empfänger mindestens zwei unterschiedliche Übertragungswege existieren, die gleichzeitig oder abwechselnd genutzt werden. Das ist das Prinzip Hoffnung. Wenn der eine Übertragungsweg nicht zum Ziel führt, ermöglicht das hoffentlich der zweite Weg. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht.
Um die Konzepte der verschiedenen Ansätze von Diversity-Verfahren zu verstehen, muss man sich zunächst mal den sogenannten Übertragungskanal anschauen. Übertragungskanal nennt man den Weg, den das Funksignal auf dem Weg vom Sender zum Empfänger nimmt und dieser Pfad ist steinig und hindernisreich. Die Betrachtung desselben ist daher alles andere als trivial!

Die dicksten Steine auf diesem Weg sind:
  • Reflektionen,
  • Polarisation,
  • Funkstörungen,
  • Antennenrichtung.


Reflektionen


Schauen wir uns diese Steine, besser, das weite Geröllfeld von Reflektionen mal genauer an. Der 2,4 GHz-Frequenzbereich ist da nämlich etwas anfällig. Zumindest anfälliger als das bei 35 MHz-Anlagen der Fall ist, bei denen das Problem durchaus ebenfalls auftritt, allerdings etwas weniger stark ausgeprägt. Kurz gesagt passiert dabei Folgendes:
Es gibt einen direkten Ausbreitungsweg vom Sender zum Empfänger.
Daneben existieren zahlreiche andere Ausbreitungswege über Reflektionen an allem möglichen Zeug, das da so in der Gegend herumsteht. Besonders gut reflektiert alles, was aus Metall ist, also z. B Autos, Strommasten, Zäune usw. Das eigene „Pilsgeschwür“ oder das des Vereinskollegen reflektiert übrigens kaum Hochfrequenz. Das absorbiert Pils und HF.

In einer solchen Situation, in einem reflektivem Umfeld, ergibt sich eine interessante Situation, schaut man sich die örtliche Verteilung der Empfangsfeldstärke im Umkreis um den Sender an. Stellt man diese Signalstärken in Abhängigkeit von der Position relativ zum Sender in einer Grafik dar, sieht das aus wie eine Eierpappe. Die Signalstärke nimmt nicht gleichmäßig mit der Entfernung vom Sender ab, sondern bildet eine Verteilung, die auch in der Nähe des Senders auf Null absinken kann.
Dazu das folgende Bild (Quelle: www.falstad.com):

eierpappe.jpg

Der Peak hinten rechts ist der Sender. Die grünen Buckel sind die Stellen, an denen viel Signal zur Verfügung steht. Die roten Senken oder Täler sind die Orte, wo wenig bis gar nichts ankommt. Also: Je grüner, um so besser. Das ist jetzt kein politisches Statement!
Die Positionen der Maxima und Minima und deren räumliche Ausdehnung sind abhängig von der Sendefrequenz. Je höher die Frequenz ist, um so kleiner sind die Bereiche.
Die obige Darstellung ist zur Veranschaulichung stark überhöht. Die Realität ist da etwas gnädiger.


Polarisation

Am Sender (2,4 GHz) befindet sich typischerweise so eine Gummiwurst als Antenne oder man hat Weatronic. Die Gummiwürste habe eine sogenannte „lineare Polarisation“. In welcher Ebene die Polarisation liegt, hängt davon ab, in welche Position man die Antenne gedreht hat. Um eine optimale Übertragung zu erhalten, muss die Polarisation der am Empfänger eintreffenden Wellenfront mit der Polarisation der Empfangsantenne übereinstimmen (für diesen schwülstigen Spruch erwarte ich aber jetzt Beifall) Im Klartext bedeutet dies, dass es theoretisch gut ist, wenn Sender- und Empfängerantenne parallel zueinander sind, da dann die Polarisation passt. Dummerweise sieht es in der Praxis so aus, dass bei einer Reflektion des Signals an einem Hindernis sich die Polarisationsebene beliebig ändern kann. Dann ist also schon wieder Schluss mit optimaler Ausrichtung der Antennen.


Funkstörungen

Es gibt den alten physikalischen Grundsatz, dass sich zwei Dinge nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufhalten können (z. B. Kopf und Regalbrett, Hammer und Daumen oder Autos). Das gibt immer Schrott oder tut weh oder beides. Etwas spezialisierter ausgedrückt und auf Funk bezogen heißt dies, dass nicht zwei Funksysteme am gleichen Ort zur gleichen Zeit auf der gleichen Frequenz erfolgreich funken können. Dieses leidige Problem ist nicht erst von 35 MHz sattsam bekannt.


Antennenrichtung

Die verwendeten Sender- und Empfängerantennen haben fast alle eine ausgeprägte Richtwirkung. Die Gummiwürste am Sender und die Koax-Antennen am Empfänger haben alle Nullstellen im Richtdiagramm. In dieser Richtung sind sie „blind“. Eine etwas andere Situation ergibt sich bei dem System von Weatronic. Ohne jetzt genau darauf eingehen zu können, ist die Situation dort etwas entspannter. Aber auch diese Senderantenne hat „blinde Flecken“. Die liegen nur woanders und es sind weniger. Der Worst Case entsteht dann, wenn Sender- und Empfängerantenne jeweils mit der Spitze aufeinander zeigen. Dann wird es kritisch mit der Funkverbindung.

So, damit ist das ganze Elend dargestellt, wenn auch nur in groben Zügen. Was kann man jetzt zu seiner Linderung tun?
Zum Glück gibt es technische Ansätze, die genau diese Problematik behandeln. Damit kommen wir zu den verschiedenen Formen von Diversity.


Antennenortsdiverstity auf der Empfängerseite

Kehren wir noch mal zu der oben dargestellten Eierpappe zurück. Wir haben nur eine einzelne Antenne, die sich gerade „im Loch“ der Eierpappe befindet, zusätzlich ist das Modell nur noch 20 cm über der Erde und jetzt muss man dringendst ziiiieeeehen! Das kann peinlich, wenn nicht sogar dramatisch werden. Hat der Empfänger jedoch noch eine zweite Antenne, die einfach woanders, also nicht „im Loch“ ist, entspannt sich die Lage spürbar. Es ist allerdings nicht garantiert, dass nicht beide Antennen gleichzeitig „im Loch“ sind. Lösungen, die gegebenenfalls mit vielen Satellitenempfängern arbeiten, geben da mehr Sicherheit, obwohl der Sicherheitsgewinn nur noch marginal ist. Allerdings kann der marginale Unterschied über Leben und Tod des Modells entscheiden. Das ist insbesondere bei Flugmodellen relevant.
Ob dabei mit einem Empfänger pro Antenne oder mit einem Empfänger für mehrere Antennen gearbeitet wird, ist relativ belanglos, wenn in der Implementation mit einem Empfänger eine leistungsfähige Implementation gegeben ist. Das ist allerdings die technisch kompliziertere Lösung.


Polarisationsdiversity

Hat man zwei oder mehr Antennen mit unterschiedlichen Polarisationsebenen, ist auch dieses Problem gelöst. Das kombiniert sich automatisch mit der Antennenortsdiverstity, da die Antennen zwangsläufig an verschiedenen Orten sind. Man braucht die Antenne nur in eine andere Richtung gucken zu lassen. Vorzugsweise mit einem Winkel von 90° zueinander. Sonderfälle sind hier die Systeme von ACT und Weatronic. Bei Weatronic wird senderseitig mit einer sogenannten zirkular polarisierten Antenne gearbeitet. Empfängerseitig kommen linear polarisierte Antennen zum Einsatz. In dieser Kombination ist die Polarisationseben des empfangenen Signals belanglos. Allerdings geht immer die Hälfte des empfangenen Signals flöten. Hört sich schlimm an, macht aber in der Praxis fast nichts aus. Bei ACT gibt es zwei Senderantennen, von der man eine waagerecht und eine senkrecht stellen sollte. Es ist zwar ein anderer Ansatz als eine zirkular polarisierte Antenne, hat aber den gleichen Effekt.


Frequenzdiversity

Arbeitet das System nur auf einer Frequenz und auf dieser Frequenz ist ein zweiter Sender dauerhaft aktiv, war es das für das Modell. Nutzt das System zwei Frequenzen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Frequenzen gleichzeitig gestört sind, schon geringer, aber nicht unwahrscheinlich. Nutzt ein System sehr viele Frequenzen (bei 2,4 GHz als Obergrenze ca. 80), ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese alle gleichzeitig gestört sind. Ein paar Frequenzen werden da schon übrig bleiben, auf denen noch eine Kommunikation möglich ist.

Ein zweiter Effekt ist der, dass die räumlichen Positionen der „Löcher“ in der oben beschriebenen „Eierpappe“ von der Frequenz abhängig sind. Selbst bei einem System mit nur einer Sender- und Empfängerantenne wird ein Wechsel der Frequenz gegen die „Eierpappe“ helfen, da die „Löcher“ die Position wechseln, wenn die Sendefrequenz wechselt. Leider ist die Wirksamkeit dieses Effektes vom Verhältnis der Frequenzänderung zur Sendefrequenz abhängig und dieses Verhältnis ist nun mal limitiert. Bei 2441,75 MHz Mittenfrequenz stehen nur ca. +/- 40 MHz mögliche Frequenzänderung zur Verfügung. Das sind ca. 3% und das ist leider etwas wenig, um so richtig effektiv zu sein.
Bei reinen DSSS-Systemen gilt die gleiche Überlegung, nur dass es hier zwei Probleme gibt:

  • Ausschlaggebend ist das Verhältnis zwischen belegter Bandbreite und Sendefrequenz. Das liegt typischerweise bei etwa 0,4 Promille. Das nutzt dann nicht mehr so richtig was.
  • Die verwendeten Empfänger können diesen Effekt praktisch nicht nutzen, da sie von der internen Technik her zu einfach gestrickt sind. Empfänger, die das können, sind sehr aufwändig.


Richtungsdiversity

Die typischerweise verwendeten Antennen auf der Empfängerseite haben alle das Problem, dass es in ihrem Antennendiagramm immer eine ausgeprägte Nullstelle gibt. In dieser Richtung ist die Antenne „blind“. Sie wird so gut wie nichts empfangen. Man ist dann gut beraten, mindestens eine zweite Antenne zu haben, die in eine andere Richtung guckt. Weitere Antennen (oder Satelliten) sind da hilfreich. Allerdings ist der Zugewinn an Sicherheit bei mehr als zwei Antennen nur noch marginal.

So, nun haben wir die Probleme und deren Lösungen. Die Frage ist, wie das jetzt alles zusammengeht.
Prinzipiell bieten sich bezüglich Sender- und Empfängerantennen mehrere Lösungen an. Hinzu kommt die Lösung in Gestalt des Frequenzdiversity.

Bei den Antennen ergibt sich praktischerweise die Situation, dass bei der Verwendung von zwei oder mehr Antennen alle Optionen der antennenseitigen Diversity wahrgenommen werden, wenn man eine einfache Regel beachtet:
Die Antennen sollten im rechten Winkel zueinander stehen.

Bei drei Antennen (oder Satelliten) gilt das dreidimensional, also genauso wie das allseits bekannte XYZ-Koordinatensystem. Senderseitig gibt es da nur Systeme mit zirkularer Polarisation oder Systeme mit zwei „Gummiwürsten“. Diese sollten ebenfalls rechtwinklig zueinander angeordnet sein. Bei einer zirkularen Sendeantenne hat man eh keine Einflussmöglichkeit. Da ist das allerdings automatisch richtig eingestellt.
Empfangsseitig wäre der theoretisch optimale Abstand der Antennen zueinander: 6 cm + n*12 cm, also 6, 18, 30 cm usw. bezogen auf den Antennenschwerpunkt. Ja, es ist erstaunlich, aber auch da gibt es einen Schwerpunkt. Bei den typischen Empfängerantennen liegt der ungefähr dort, wo der Außenleiter des abgesetzten Koaxkabels endet.

Bleibt noch das Frequenzdiversity. Dabei ist der sogenannte Jamming Margin von Interesse. Der Jamming Margin ist die Störfestigkeit eines Systems gegen Fremdstörer. Bei Frequency Hoppern ist dieser Jamming Margin im wesentlichen von der Anzahl der verwendeten Frequenzen abhängig. Die Betrachtung dazu ist nicht ganz trivial, da in die reale Störfestigkeit auch die Natur des Störers eingeht. Es gibt da welche, die sind absolut tödlich. Die kommen im realen Leben aber zum Glück nicht vor.
Daraus folgt, stark vereinfacht dargestellt, dass ein FHSS-System um so störfester ist, je mehr Frequenzen es nutzt und um so größer der genutzte Frequenzbereich ist. Bei 2,4 GHz ist der Frequenzbereich und die Anzahl der nutzbaren Frequenzen zur Zeit auf etwa 80 MHz und 80 Frequenzen begrenzt. Dies stellt das z. Z. mögliche Optimum dar. In Zukunft werden aber voraussichtlich mehr als 800 Frequenzen nutzbar sein. Der Funkstandard wird in diesem Punkt mit hoher Wahrscheinlichkeit geändert werden. Ein System mit 800 Frequenzen ist sicherlich wesentlich störungsresistenter als ein System mit zwei Frequenzen, da hier die Vorteile von FHSS erst richtig genutzt werden können.

Da war noch was!
Im Hintergrund lauert das Verfahren des Code-Diversity, besser bekannt als DSSS.
Wenn es wirklich angewendet wird, und das ist leider bei vielen Systemen, auf denen DSSS draufsteht NICHT der Fall, bietet es einen zusätzlichen, allerdings limitierten Schutz gegen Reflektionen. Es gibt einige Systeme aus dem Land der aufgehenden Sonne, die zwar mit DSSS werben, aber die gar kein DSSS können. Die verwendeten Chips sind dazu nicht in der Lage. Als alleinige Maßnahme ist das ungeeignet und wird nur in Verbindung mit weiteren Diversity-Techniken wirksam.
Bei den Systemen, die DSSS (oft in Verbindung mit FHSS) anwenden, gibt es Unterschiede, die in die Resistenz der Systeme insbesondere gegenüber Störern eingehen. Systeme, die mit einer hohen Differenz zwischen Daten- und Chiprate arbeiten, bieten hier deutlich mehr Schutz als Systeme, bei denen diese Differenz gering ist. Das Verhältnis zwischen Chip- und Datenrate ist direkt der Processing-Gain des Systems und ungefähr der sich aus dem DSSS ergebende Jamming -Margin.
Bei der Kombination von FHSS und DSSS addieren sich die Effekte. Viele Frequenzen im Hopping und ein hohes Verhältnis zwischen Chip- und Datenrate sind hier von Vorteil, wenn es um die Störsicherheit geht.

Eine Anmerkung am Rande:
Entgegen eines weitverbreiteten Irrtums erhöht DSSS die Grenzempfindlichkeit des Empfängers oder die Reichweite in ungestörter Umgebung NICHT! Auch wenn in einer groß angelegten Artikelserie in der Fachpresse mal etwas anderes stand. Das war schlicht und einfach falsch.
Was erhöht wird, ist die Störsicherheit!

Diversity bei 2,4 GHz R/C-Anlagen dienen einerseits dem Schutz gegen die etwas ungnädigen Ausbreitungsbedingungen und Reflektionssituationen auf 2,4 GHz und gegen Störer. Auch wenn es üblicherweise nicht zum Bereich der Diversity hinzugerechnet wird, sind FHSS und DSSS durchaus Diversityverfahren.

In anderen Anwendungen im Bereich 2,4 GHz (und nicht nur dort) etablieren sich mittlerweile sogenannte „Smart Antenna Systems“, die es ermöglichen, die Richtcharakteristik der Antenne elektronisch zu beeinflussen und sie so immer in die richtige Richtung gucken lassen. Es wäre einer der nächsten Schritte im Bereich der R/C-Anlagen, diese Technik auch hier zu implementieren. Damit hätten wir dann eine adaptive Antenne. Es wären daneben noch verschiedene andere Verbesserungen möglich, die einfach aus bereits existierenden Anwendungen übernommen werden könnten. Warten wir mal ab, was da noch so kommt.

Ich hoffe, mit diesem Artikel etwas Licht in das Dunkel zum Thema Diversity gebracht zu haben.

Holm- und Rippenbruch!
 
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