Segelwinde ohne Umlaufschot

Segelwinde ohne Umlaufschot

Mario Schwarz - Klaus Bartholomä


Wer gerne vorbildgetreue Segelbootmodelle baut, steht früher oder später immer vor der Frage. welches Winden- und Schotsystem er in sein Boot einbauen möchte. Bei solchen Modellen ist häufig jede Menge Schot unter Deck aufzuwickeln, weil, wie bei den Originalen, die Schot über Deck oft mehrfach geschoren, also mehrfach untersetzt gefahren wird.

Problematisch ist bei Segelwinden die Tatsache, dass sich die von der Wickeltrommel abgewickelte Schot umgehend unter Deck verheddert, sofern sie nicht sofort aus dem Rumpf gezogen wird. In Fachkreisen nennt man das Wuling. Ein Segelverstellservo ist eine gute Wahl, um so eine Wuling zu verhindern. Aber wegen des langen Hebelarms braucht es unter Deck viel Platz und hat auch nur eine Stellkraft, die für größere Segel meist nicht ausreicht.

Am verbreitesten ist die sogenannte Umlaufschot, bei der eine Segelwinde unter Deck eine Hilfsschot abwickelt, die über eine Umlenkrolle geführt, wieder auf die gleiche Windentrommel aufgewickelt wird. Die eigentliche Schot, die die Segel bedient, wird in eine Öse, die in diese Hilfsschot eingebunden wird, eingehängt. Dadurch wird die Wuling wirkungsvoll vermieden. Dafür ist aber sehr viel Platz unter Deck nötigt, insbesondere dann, wenn große Schotlängen aufzuwickeln sind. Man kann natürlich mit Blöcken Untersetzungen einbauen, aber dadurch erhöht sich die Reibung, was das Auslaufen der Schot erschwert.

Über dieses Problem haben sich schon einige Modellsegler vorbildgetreuer Modelle Gedanken gemacht und das Thema Segelwinde ist auf jedem Minisail-Treffen eines der ersten Gesprächsthemen. Auch ich habe schon vor 20 Jahren ein System erdacht, das kompakt war und viel Schotlänge aufwickeln konnte. Das System scheiterte leider an der Reibung. Ein ähnliches System wie meines hat Franz Ammon von der Swiss Minisail ersonnen. Es basiert im Prinzip auf der gleichen Idee, hat aber dank sogenannter Mitnehmerscheiben deutlich weniger Reibung. Im Rahmen unseres Herreshoff 12 ½ foot class-Projektes (:rcn: Thread) hat sich Mario Schwarz der Idee angenommen und sie zusammen mit Uwe Bauer von Bauer-Modelle so weit perfektioniert, dass ein kommerzielles Produkt daraus geworden ist.

Lassen wir Mario zu Wort kommen. Er schreibt über seine neue Winde ohne Umlaufschot folgende Zeilen:
Ich nenne sie mal Franz-Winde. Na weil Franz aus Bern sie in ihrer Grundfunktion entwickelt hat. Mein angepasster Nachbau ist dank Uwe Bauer und seinen 3D-Druckern meine Weiterentwicklung.
Was sind die Bestandteile der Franz-Winde?
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Auflistung:

- Ein Antrieb durch eine KingMax-Segelwinde in Standardservogröße. Mit einer Zugkraft von 14 kg. Dazu liegt auch eine Halteplatte mit passendem Langloch bei.
- Die neue Adapterscheibe, die statt mit einer Kreuzschlitzschraube eine VA 3 mm Vollmaterialachse mit dem 8 mm langem M3-Gewinde dabei ist. Auch eine U-Scheibe mit einer flachen M3-Mutter gehören dazu. Sie befinden sich in einem separaten Tütchen.
- Hinzu kommt ein dünnwandiges Ms-Rohr mit dem 4 mm Außendurchmesser und ein zweites als Lagerung, das fast über die Gesamtlänge zur Hälfte aufgesägt ist. Wiederum passend mit einem 4 mm Innendurchmesser, unser Gegenlager außerhalb der Felgen-Wickel-Trommel.
- Im Umfang werden fünf Mitnehmerscheiben nebst sechs hauchdünnen, transparenten PS-U-Scheiben dabei sein. Zwecks Reduzierung der Reibung zwischen den Mitnehmerscheiben. Sehr wichtig!
- Ach ja und die Felgentrommel, als Aufnahmetrommel für unsere Schot.
- Den Bewegungsdrang der gern nachlaufenden Franz-Winde bremst eine neue Zahnbürste, die nicht im Lieferumfang sein wird, mit einem Zusatzgewicht von rund 5-10 g.
Damit die Schot im Boot zur Winde findet, benötigen wir auch noch ein dünnes Ms-Rohr. Weil die Länge vom Bootstyp und der Anwendung abhängig ist, liegt es nicht dabei, das in innen je nach Schotstärke dimensioniert wird, hier innen 2,5 mm und außen 3,5 mm. Alu oder Kunststoff tut es auch. Nur bei Kunststoff kann es zu Aufladungen im Innern kommen. Im ungünstigsten Fall klebt die Schot im Röhrchen leicht an. Ein kleiner Tropfen Spülmittel vor dem Einfädeln der Schot kann das Aufladen lindern. Aber das soll hier nur am Rande und als Tipp erwähnt sein!


Steht immer noch die Frage im Raum, warum nun keine Umlaufschot notwendig sein soll?

Zum besseren Verständnis hier eine erläuternde Geschichte. Der eine oder andere Modellbauer hat sie womöglich bereits schon gehört. Aber für diejenigen, die noch nicht das Glück hatten, hier zum Nachlesen. Wie auf den Bildern zu sehen ist, wird alles nur zusammengesteckt und so ist die Franz-Winde für den Service ohne Werkzeug ein- wie ausbaubar. Lediglich die Schot hängt dann noch an der Mimik. Keine Schraube, keine Mutter, nichts dergleichen ist von nöten.

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Was haben wir? Eine Antriebswinde von Bauer-Modellbau, die über einen Adapter, via VA-Achse aufgeschraubt, fixiert ist. Das ist die einzige Mutter, die wir brauchen werden. Die VA-Achse ist im Messingrohr geführt, sie ist im Messingrohr leicht drehbar. Worauf im Wechsel immer eine transparente U-Scheibe und eine Mitnehmerscheibe 1-5 aufgefädelt wird. Alle diese Scheiben müssen sich unbedingt locker auf der Ms-Achse befinden und die Mitnehmerscheiben alleine durch das Zapfengewicht nach unten bewegen können. Ganz wichtig!
An die letzte Mitnehmerscheibe 5 kommt eine letzte, transparente U-Scheibe und dann die sich leicht drehende Felgentrommel, die einen Anschlagdorn im Innern an einer der Felgenspeichen hat, der wie ein Vierkantklotz ähnlich der Anschläge der Mitnehmerscheiben ausschaut.
Zum Abschluss werden mindestens ein oder zwei Metall-U-Scheiben innen mit 4,2 mm auf die Messingrohrachse aufgefädelt.
Diese vorliegend eingesteckte Einheit sollte nach vorherigem Einbau im Rumpf an die Bordwand und über die Steckfläche/grünen Styrodurklotz gegenüber für die Segelwinde sich auf Passung einfügen lassen. So sieht der im Rumpf eingepasste Part durch die Zugangsluke aus.
Im Bild ist der Styrodur-Klotz entfernt. Da unser Deckabstand auch noch nach oben offen ist.

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Zuerst führen wir die Messingrohrachse in das halbe Lagerrohr bis zum Ende ein. Wo das Ende mit einer Platte verlötet geschlossen ist und etwa 4 - 8 mm noch als Rohr vorhanden sind.

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Dann führen wir die gesamte Mimik nebst Antrieb und Wickeltrommel an der Zahnbürste vorbei nach unten, wie hier im Boot bereits eingebaut zu sehen ist.

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Damit das nicht im Betrieb unerwünscht wieder aufsteigen kann, wird ein passend abgelängtes Styrodurquader zwischen der Segelwinde und dem Deck eingepasst. Hier in der Demonstration-Show-Anordnung gut zu sehen. Der Klotz fixiert die Winde an ihrer Position. Zur Verdeutlichung soll hier die Plexiglasscheibe unser Deck darstellen.

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Die Schotzuführung muss von unten kommen, damit der Schotzug die Felgentrommel unserer Franz-Winde immer nach unten in die Lagerung zieht. Siehe das Bild oben. Allerdings noch ohne die Schot.


Funktionsbeschreibung

Soweit zur Positionierung der Bestandteile unter Deck im Boot. Stellen wir uns vor, wir haben die Schot auf der Felgen-Windentrommel sechs mal plus zwei Schotlängen als Zusatzumdrehungen aufgespult.

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Alle fünf Mitnehmerscheiben liegen formschlüssig über den Zapfen im Anschlag an der Trommel an.

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Die KingMax wurde über den Proportionalgeber (Steuerknüppel oder Schieber / Drehknopf) am Sender auf Zu (z) eingestellt. Im Bild nach recht auf die Seite mit dem (Z) geschoben.

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Wir befinden uns nun gedanklich mit unserem Traumboot (dem Herreshoff 12 ½ footer natürlich!) auf dem Wasser. Es ist gerade Flaute, die Luft steht also im Augenblick still. In unmittelbarer Nähe sehen wir aber eine leichte Brise, die sich wie ein Teppich übers Wasser kräuselnd ganz gemütlich an unser Boot heran macht. Nicht bedrohlich, eher zielstrebig langsam aber bestimmt. Was machen wir? Wir erwarten sie und schieben den Steuerknüppel am Sender bis zur Mitte hinauf. Das sind dann 50 % der maximalen Schotlänge.

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Die KingMax legt jetzt mit drei Umdrehungen von den maximalen sechs Umdrehungen los. Die Adapterscheibe und Mitnehmerscheibe 5+4 drehen sich mit.

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Doch die Felgen-Wickel-Trommel rührt sich noch nicht und gibt somit auch (noch) keine Schot frei.

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Nur die erste Adapterscheibe und die Mitnehmerscheiben 5+4 werden durch die KingMax-Winde über deren Anschlagzapfen um je eine Umdrehung gedreht. Gelegentlich zucken hier und da die neuen, noch nicht gut eingelaufenen anderen Mitnehmerscheiben 1-3, jedoch frei von Krafteinwirkung auf die Trommel, an. Das anfängliche lockere Anschubsen ist abstellbar indem entweder die U-Scheiben besser entgratet oder die Bohrungen etwas aufgerieben werden. Im Optimalfall ruhen die Mitnehmerscheiben 1-3 bei den nur drei Umdrehungen. Davon gehen wir jetzt mal aus! Das ist bitte so einzustellen, um später eine absolute Funktion sicherzustellen.
Was ist in unserer Abhandlung als Geschichte bisher passiert? Die Brise naht. Die KingMax-Winde hat drei Umdrehungen gemacht. Die Mitnehmer haben die ersten drei Umdrehungen für den Moment bewegt. Nur diese haben mitgemacht. Die Gleitbremse, in unserem Fall eine neue, noch unbenützte Zahnbürste, bremst unsere Wickeltrommel, die noch immer ruht.

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Erst in dem Moment, in dem unser Segel von der Brise erfasst wird und sich das Segel aufwölbt, wird die Schot vom Segel aus dem Boot herausgezogen. Hier simuliert von Hand dargestellt.

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Wieviel? Na für drei Umdrehungen, die Hälfte der maximalen Schotlänge. Da wir für drei Abwicklungen die Trommel vorab auf gemacht hatten. Sie werden nun von der Trommel gerade frei abgerufen. Wie lange der Augenblick dauert? Das hängt vom Zusammenspiel und den Zeiten zwischen der Flaute und dem Eintreffen der Brise im Segel ab, hier per Hand simuliert dargestellt.
Würde die Wickeltrommel und die Antriebswinde, wie bei herkömmlichen Winden, direkt eins zu eins verbunden sein, hätten wir vor dem Eintreffen der Brise bereits die drei Umdrehungen aufgedreht und der Wuling unter Deck wäre perfekt, weil die Schot ja nicht durch das Segel aus dem Rumpf gezogen worden wäre! Was hier aber nicht der Fall ist, dank der Franz-Winden-Mimik! Hier steuert der Wind das Abwickeln nach Bedarf und wieviel Schotlänge ich als Kapitän zugelassen hatte. Wann das Abwicklen erfolgt, steuert dann der Wind im Segel.

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Damit sich unsere neue Felgen-Wickel-Trommel nicht unkontrolliert bewegen kann, oder gar ein Nachlaufen durch den Eigenschwung ergibt bzw. bei einem Schütteln vom Boot auf dem Wasser oder beim Transport frei bewegen kann, bremst uns die gering beschwerte Zahnbürste dank der Schwerkraft immer konstant die große Trommel. Das stellen wir beim Einbau und Testen durch das Zutun der entsprechender Gewichte Sein.

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Wie geht es weiter? Tja, der Kurs und der Wind von unserem Traummodell (Herreshoff 12 ½ footer, wir erinnern uns) ändert sich. Wir fallen vom Wind ab und das Segel sollte ein wenig mehr aufgefiert werden. Die Mitnehmerscheiben lassen das zwischen die Adapterscheibe und das der 4. Mitnehmerscheibe eigentlich nicht zu. Warum wohl? Ja klar, weil wir am Sender noch nicht den Befehl zum Auffieren gegeben haben!
Gut dann machen wir mal etwas weiter auf. Sagen wir mal für eine weitere Umdrehung als Steuersignal am Sender. Es folgt die KingMax-Winde und die Mitnehmerscheibe drei. Sie wurde nun erfasst und taucht, im Bild zu sehen, für eine Umdrehung nach unten ab. Nur zwei und eins sind noch nicht erfasst worden.

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Da die Schot an der Trommel zieht und dadurch die Mitnehmerscheiben aneinander drücken, kann die sich Wickeltrommel auch eine Umdrehung weiter mitdrehen. Was die Schot durch den Zug des Segels dann auch vollzieht. Das geht so, bis alle sechs Umdrehungen, von der Adapterscheibe bis über die 1-5 Mitnehmerscheiben auf die Wickeltrommel, aufgedreht sind.


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In meinem Fall sind das 140 cm Schotlänge, was vom Durchmesser der Trommel abhängt. Wohlgemerkt entspricht diese Schotlänge etwa der 1,5 fachen Bootslänge, was mit einer Umlaufschot nur mit Mühen und viel Platzbedarf unter Deck möglich wäre. Uwe Bauer hat in Aussicht gestellt, dass für die Zukunft auftragsbezogene Varianten möglich sind.
Zurück zu unserer Geschichte: Will ich nun wieder mit meinem Traummodell anluven, geht das Ganze rückwärts, wie sonst auch. Wir segeln hoch am Wind mit allen sechs Umdrehungen angezogen. Die Trommel hat sich auch sechsmal brav wieder mit zugedreht. Die Schot ist im Boot verschwunden und das Segel steht dicht geholt.

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Liegt nun mehr Wind an, hängt das Segel über die Schot via den Mitnehmerscheiben immer schön eng formschlüssig an der KingMax. Lässt der Wind nach und es flaut ab, wäre es gut, vorsorglich mal das Segel ein wenig frei zu geben, es wie gewohnt zu öffnen. Da der Wind aber gerade aber wieder mal nicht wirklich viel Kraft hat, killt unser Segel leicht. Aber wir machen mal eine Umdrehung von voll angezogen wieder auf. Aber halt! Ohne den Wind rührt sich die Wickeltrommel kein Bisschen. Im Gegenteil. Da die Zahnbürstenbremse ein unkontrolliertes Weiterdrehen streichelnd verhindert. Die 1. Scheibe, der Adapterscheibe auf der KingMax aufdreht, geben wir eine Umdrehung auf gedreht frei. Sollte der nun eventuell neu aufkommende Wind übers Segel die Schot anziehen. Ja dann und nur dann wickelt sich erst die Schot in unserem Traumsegelboot von der Wickeltrommel für eine Umdrehung ab.

Das war das Geheimnis der Franz-Winde in der Welt der Modell-Bauer.
Euer Mario


Ja, soweit Mario. Aber wie geht es nun weiter? Mario hat zusammen mit Uwe Bauer ein in Kleinserie herstellbares Produkt erzeugt, das auf der sehr guten KingMax-Winde von Bauer-Modelle basiert. Uwe Bauer druckt die Einzelteile auf seinem 3D-Drucker alle selbst und stellt auch die anderen Komponenten selbst her, also echt „Made in Germany“. Zudem möchte Uwe anbieten, den Trommeldurchmesser nach Kundenwunsch herzustellen, wodurch die Wickellänge verändert werden kann. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses stand noch kein Preis fest, er wird sich aber im Rahmen halten. Eine mögliche Anwendung? Na klar, der Herreshoff 12 ½ footer, so wie dieser hier:


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Oder eben andere Segelboote, bei denen lange Schotwege aufzuwickeln sind.
 
tolle Böötchen, klasse gemachte Wind.

So ähnlich habe ich es in meinem Opti auch gelöst.
Einfach das Poti im Servo gegen eine WSiderstandbrücke ausgetauscht und auf den Abtrieb eine Trommel gesetzt.
Funktioniert prima, solange Wind in den Segeln ist beim dichtholen.
 
tolle Böötchen, klasse gemachte Wind.

So ähnlich habe ich es in meinem Opti auch gelöst.
Einfach das Poti im Servo gegen eine WSiderstandbrücke ausgetauscht und auf den Abtrieb eine Trommel gesetzt.
Funktioniert prima, solange Wind in den Segeln ist beim dichtholen.

Genau das Problem, das Du beschreibst "... Funktioniert prima, solange Wind in den Segeln ist..." löst diese Winde auf sehr kleinem Raum. Probiere es mal und frag mal beim Uwe Bauer nach.

Schöne Grüße

Klaus
 
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