Dänisch-Deutsch - Der Doppel-D-Wettbewerb
Ein Reisebericht inklusive Hangflieger-Besonderheiten
Monika Reichenberger
Ein Reisebericht inklusive Hangflieger-Besonderheiten
Monika Reichenberger
Kann man die Dänen als unsere Busenfreunde bezeichnen?
Geht sowas bei Männern überhaupt?
Auf jeden Fall hat sich diese Kooperation bewährt und so wurde gemeinsam wieder ein Osterwettbewerb veranstaltet - allerdings eine Woche vor dem wichtigsten Feiertag des Christentums, damit es besser mit familiären Feiern vereinbar ist. Zum Fest der Auferstehung waren so wieder alle Zuhause, mit bleibenden Erinnerungen und Sand im Auto, den der Wind dort unweigerlich hineinträgt. Ich habe den Eindruck, dass nicht nur wir an Dänemark hängen, sondern auch die dänische Natur an uns: Feine Gräser kommen aus den Ritzen der Sender hervor und Moos findet sich abends sogar in den Socken wieder. So kann zumindest jeder, unabhängig von seinem Einkommen, behaupten, richtig Moos zu haben.
Und wenn wir schon von Sand reden – Spielplätze in Dänemark haben ebenfalls einen ganz besonderen Touch. Welcher Hangflieger hat nicht schon einmal davon geträumt, sich vor Ort selbst einen Hang aufzuschütten? Muss man dafür das Sandmännchen bitten, die Träume wahr zu machen?
Der Wind war auch diesmal sehr zuverlässig. Mit bis zu 13 m/s konnten an beiden Wettbewerbstagen (13.-14.04.19) insgesamt 13 Runden geflogen werden.
Dänemark ist einfach herrlich, was Wind betrifft – trübt nicht mal ein Regenschauer das Geschehen, so kann einfach von morgens bis abends geflogen werden.
Bei gleichmäßigen Bedingungen und Ostwind, der direkt vom Wasser auf die Kante trifft, konnten die Piloten sich Runde für Runde verbessern, ohne sich über Thermik-Ungerechtigkeiten ärgern zu müssen. Gemeinsam wurde das Maximum ausgelotet. Über drei Runden lang wurde gekämpft, um unter 40 Sekunden zu kommen. Die Piloten zeigten sich gegenseitig, was möglich ist, lernten gemeinsam und standen in freundlicher Konkurrenz zueinander. Dass man bei einem Wettbewerb nicht Feind sondern Freund sein kann, finde ich beeindruckend. Es geht im Wettbewerbsgeschehen nicht darum, den anderen fertig zu machen, sondern das unter den gegebenen Bedingungen bestmögliche Ergebnis zu liefern. Natürlich möchte jeder gewinnen, doch es ist auch eine Freizeitbeschäftigung und so wird einander geholfen. Eine interessante Dynamik, die sich in einer angenehmen Atmosphäre wiederspiegelt.
Bei purem Sonnenschein mit bis zu 20 °C war es richtig frühlingshaft bzw. in den Augen der Dänen sogar regelrecht sommerlich – beim Abendessen fielen uns einige Damen auf, die bereits in luftigen Kleidchen einen Spaziergang am Strand genossen. Außerdem Männer in Shorts mit Softeis in der Hand, während wir in unserem Zwiebelsystem fanden, dass es doch noch etwas zu frisch ist, um draußen zu sitzen.
Sonne und Wind ist jedenfalls eine ideale Kombi, mit der sich ein ganzer Tag am Hang super aushalten lässt, zumal eine frische grüne Wiese mit weichem Moos ein gutes Kissen bietet. Hier kann man zudem etwas andere Flugobjekte entdecken, sehr stabile Konstruktionen und nettes Design…
Tja, der Rasen schießt, die Bäume schlagen aus und der Wind peitscht einem um die Ohren – wie sich Dänen, Deutsche, Niederländer, Norweger, Isländer und Schweizer da geschlagen haben, können Interessierte gerne in den Ergebnissen nachlesen oder für die Kurzform einen Blick ins Forum werfen.
Auf den letzten Drücker Drückeberger?
Ich durfte zum ersten Mal Helfer sein und auch an der Wende sitzen. Das eröffnete mir eine ganz neue Perspektive. Ich konnte die verschiedenen Wendenstile beobachten und fasziniert sehen, wie präzise Piloten die Strecke im Gefühl haben.
Auch Werfen durfte ich ausprobieren. Als Werfer lastet einem dabei schon etwas auf der Schulter. Etwa 4 kg. Es macht Spaß. Aber ich habe Wurf-Bilder von mir gesehen und stellte fest: Ich sehe aus wie ein Orang-Utan. Zumindest beim beidhändigen Werfen.
Theoretisch müsste es doch sogar möglich sein, beides innerhalb eines Fluges zu tun. Man wirft und rennt dann schnell zur B-Wende, um dort zu drücken. Hat das schon mal jemand probiert?
Einfach tierisch
Es ging insgesamt sehr tierisch zu – und damit meine ich nicht, dass manche Piloten einen Affenzahn drauf hatten oder wie die Sau geflogen sind – nein, der Wettbewerb konnte Dank eines Piloten und seiner Frau, die ihren Vierbeiner mitgenommen hatten, ein ganz besonderes Feature aufweisen: Einen Rettungshund in der Ready-Box. Ich finde, dass sollte fortan immer so sein. Da kann man als aufgeregter Pilot zur Beruhigung den Hund streicheln. Jetzt fragen sich manche: Kann der Hund vielleicht auch Ballast aufspüren oder gute Luft anzeigen?
Noch mehr Hunde kamen spontan und ohne Besitzer vorbei, steuerten zielstrebig auf den „Pitbull“ (Baudismodel) zu:
Zur animalischen Atmosphäre tragen zudem Möwen und Insekten in der Luft, Schwäne zu Wasser, sowie Hasen, Kühe und Rehe an Land bei. Fisch gibt es natürlich auch reichlich, doch den erspäht man eher auf Tellern als im Wasser.
Und die Autorin? Blöde Ziege, dumme Kuh oder fleißiges Bienchen?
Nun, das bleibt jedem selbst überlassen. Doch falls ihr euch fragt, wie es eigentlich dazu kommt, dass ich über Hangflug schreibe - die Antwort lautet: Liebe. Ja, zum Flugsport inzwischen auch, aber vor allem zu meinem Piloten. Bevor ich wusste, dass man einem Flugzeug "Butterfly" geben kann, hatte ich nur welche im Magen. Technik hatte ich davor lediglich unter den Aspekten Klavier, Tanzen und Medizin kennengelernt und F3 war für mich nur eine Taste in der obersten Reihe der PC-Tastatur.
Doch weg von meiner Wenigkeit, hin zu euch:
Das Wesen des Hangfliegers - Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?
Wie kommt man zu solch einem außergewöhnlichen Hobby? Was bewegt einen dazu, bei einem Wetter, bei dem andere nicht mal den Hund vor die Tür schicken, raus an den Hang zu gehen? Was muss einem im Leben passiert sein, dass man ganze Tage an Orten in der Pampa verbringen möchte, an die sich sonst nur latente Insekten-Schützer verirren? Welches gravierende Ereignis erschütterte das Herz eines jungen Hangfliegers derart, dass er sich denkt: Ich stecke jetzt super viel Zeit, Geld und Nerven in ein Flugsportgerät, warte voller Freude auf ein Tiefdruckgebiet, fahre dann womöglich sogar in ein anderes Land, in die Berge oder an die Küste und werfe da mit Schmackes mein Modell über die Kante, fliege so schnell ich kann und bin nach rund einer Minute fertig. Was führt dazu, dass man sich einem Hobby widmet, von dem der Großteil der Menschheit noch nie etwas gehört hat und dessen Grundprinzipien reichlich Erklärung erfordert und eine Engelsgeduld bedürfen? Man denke an die klassischen Fragen wie „Ach, ihr sitzt nicht selbst im Flugzeug? Und wie steuert ihr das dann? Wie fliegt das denn ohne Motor?“
Als Hangflieger muss man einiges können, davor muss man schon mal den Hut ziehen - bzw. die doppelte, den Wind-abhaltende Mütze. Hier eine Aufzählung der Rollen - ohne Garantie auf Vollständigkeit:
- Pilot (klar, um überhaupt Fliegen zu können, sonst ist man nur Hangsteher)
- Physiker (um z. B. zu verstehen, wie man Energie nutzen kann)
- Maschinenbauer (um selbst Gadgets oder Teile herzustellen, oder gleich ein eigenes Modell)
- Techniker (um F3F-Anlagen oder zumindest Sender programmieren zu können)
- Designer (um Flugzeuge und Logos für Kleidung zu gestalten)
- Handwerker (um löten, kleben, gießen, bohren, schrauben und schleifen zu können)
- Pfadfinder (um Hänge zu finden und dort draußen bei widrigsten Bedingungen zu überleben)
- Meteorologe (um Wind, Regen und Gewitter frühzeitig zu erkennen und einschätzen zu können)
- Aerodynamiker/Aerodramatiker (um Profile und Hangformen zu verstehen)
- Sportler (z. B. Handballer, besser noch eine Kreuzung aus Speerwerfer und Kugelstoßer, um mit ordentlich Schwung werfen zu können)
- am besten noch Großgrundbesitzer, um keine Probleme am Hang zu haben - sei es mit Bauern, Naturschützern oder besorgten Anwohnern.
Und man muss vermutlich ein Abenteurer sein, oder zumindest ein bisschen verrückt.
Hangdrang
Man hat also den Drang zum Hang. Doch was tun, wenn man zwar einen „Hang“ zum Fliegen hat, doch keinen Hang zum Fliegen? Man kann natürlich seine Freunde fragen, oder eigens dafür erstellte Websites zu Rate ziehen. Eine weitere gute Anlaufstelle, neben dem RCN-Hangflugführer, ist Google. Google Maps ist schon faszinierend: Man kann virtuell überall hin, an jeden Ort auf der ganzen weiten Welt. Hangflieger nutzen es, um mittels Sattelitenansicht Hänge ausfindig zu machen.
Die Hänge sind meist in der Walachei. Zwar können alle mit Geo-Koordinaten umgehen, doch diese lassen sich schlecht fließend ins Gespräch einbauen: Kennst du noch einen Hang für Ostwind? Ja, 56° 57' 31.7"N 008° 21' 59.9"E. Daher setzen sich meist skurrile Bezeichnungen wie „Haus am See“ und „Fischfabrik“ durch.
Google Maps kann jedoch auch trügen und so sieht es vor Ort dann manchmal sehr anders aus. Da wird die vermutete Klippe plötzlich zum 50 cm Absatz. Daher sucht man weiter, mit dem Navi und mit offenen Augen.
Auch wenn man eigentlich nicht speziell auf Hangsuche ist, halten Hangflieger stets die Augen nach neuen Spots offen. Man fährt also im Auto und auf einmal wird die Konversation durch einen Satz wie „das könnte bei Ostwind gehen“ unterbrochen. Und sagt ein Hangflieger plötzlich: „Die ist geil!“ ist nicht zwingend eine kurvige Frau gemeint, sondern in den meisten Fällen eine scharfe Kante.
Ab und zu wird auch einfach plötzlich angehalten, das Auto an den Rand gestellt und in Schritten die Kantenlänge abgemessen. Da sieht man also einfach Männer mit langen Schritten am Rande von Hängen entlanglaufen, vor sich her murmelnd „…21, 22, 23…“.
Warten auf Wind - nicht auf Godot
So wie Kinder auf den ersten Schnee warten, warten Hangflieger auf Wind. Am Fenster stehend, sehnsüchtig hinausblickend, jeden Tag, mehrmals am Tag den Himmel und die Umgebung mit Adleraugen absuchend, nach einem Zweigchen an einem Baume, das ausreichend Wind indiziert. Lebt man mit einem Hangflieger zusammen, kommt es schon mal vor, dass dieser das Fenster öffnet und fragt: „Hörst du das?“ Nachdem trotz angestrengtem Lauschen meinerseits keine Antwort kam, sagte er voller Begeisterung: „Wind!“.
Das Geräusch von Sturm löst mehr Glückshormone aus als das Öffnen einer Kekspackung. Wobei Wind und Kekse zusammen zur reinen Ekstase führen.
Und dann? Zum Hang!
Modellflieger sind reisefreudig, nehmen tausende Kilometer in Kauf, sind tagelang unterwegs. Mit Auto, Fähre, mit Flugzeug im Flugzeug, Zugfahren, U-Bahn, S-Bahn, zu Fuß. Selbst die Gäste und Fans schrecken nicht vor weiten Wegen zurück. Logistische Meisterwerke werden vollbracht, mit Mitfahrgelegenheiten und alternativen Routen.
Das Auto vollgepackt, man braucht schon fast einen Bus, die halbe Werkstatt dabei, Tarp, Sportsbrellas und alles, was man eben so braucht. Zum Hang wird natürlich auch ein Großteil davon mitgenommen und hochgeschleppt. Ein Rucksack hinten, einer vorne, das Tarp unterm Arm, der Sportsbrella um die Schulter, angezogen was geht, die Hände voll mit Senderkoffer, Flächen und Rümpfen. Ich warte ja nur darauf, bis einer mal den Hocker auf dem Kopf balanciert oder die Kekspackung auf der Nase.
Einmal angekommen: Was kann schon schiefgehen?
Schon vor dem Flug kann es zu Problemen kommen: Man kann etwas vergessen (wie beispielsweise den Verbinder), man kann die falschen Sachen dabeihaben (z. B. Flächen von Flugzeug A und Rumpf vom Flugzeug B) oder etwas falsch eingestellt haben (am Sender oder Modell). Der Akku kann leer sein, sowohl vom Flugzeug als auch vom Sender. Hier ist es hilfreich, wenn dies vor dem Flug festgestellt und in der Mannschaft das gleiche Material verwendet wird. So kann beispielsweise der Akku des Senders getauscht werden.
Dann ist da der Weg zur Kante. Klingt vollkommen banal, doch bei unebenen oder bewachsenen Böden kann man stolpern, hängen bleiben, in ein Loch fallen und so samt des Flugsportgeräts auf die Nase fliegen – und zwar sowohl auf die eigene als auch auf die des Sportgeräts.
Das nächste Hindernis ist der Wurf: Hat der Pilot vergessen die Flächen abzukleben, können sich die Flächen während des Fluges lösen. Hat man vergessen die Nase abzukleben, wird diese weit über die Kante geschleudert. Das ist im Wettbewerb doppelt ärgerlich, weil es in einer Null resultiert, da kein Bauteil verloren gehen darf. Im besten Fall bleibt die Nase noch am Modell hängen. Beim Wurf besteht zudem die Gefahr, dass der Werfer sich mit der Tragfläche am Hinterkopf trifft. Oder er gabelt seine Mütze auf, was im Flug nett aussieht, aber eine aerodynamische Katastrophe darstellt. Es kann auch vorkommen, dass vergessen wurde den Empfänger des Flugzeug einzuschalten und es somit beim Wurf einfach unkontrolliert ins Blaue hinaussegelt. Es soll auch schon passiert sein, dass nicht alle Schutztaschen vor dem Start abgenommen wurden.
Der Flug selbst ist natürlich auch ein Risiko. An der Küste kann sich auch immer mal ein Sandkorn im Sender verfangen und den Knüppel blockieren. Der Sand kann auch zwischen den Zähnen sitzen und irritieren. Durch das Salz in der Luft rosten fast schon beim Fliegen die Anlenkungsteile weg. Da hilft nur Ballistol, Klarlack oder Ähnliches. Man kann an der Kante entlang schrabben, dabei Büsche, Bäume und Gras trimmen, crashen, im Boden oder der Hangkante einstechen, im Meer landen, sodass man hinterher schwimmen muss, oder im Baum hängen bleiben. Wenn man im Vorbeiflug einen Busch intensiv streift, können sich die Flächen trotz reichlich Tesa lösen. Das sieht dann so aus:
Abschließend gilt es die Landung zu meistern. Man kann zu hart landen, oder in einem Kuhfladen - weich, aber unangenehm bei der Heimfahrt - oder auf einem Stein. Deshalb wird versucht Vorzubeugen. Hier ein Foto aus meinem Archiv von der WM letzten Jahres.
Was aussieht wie eine Bibelstelle vor 2000 Jahren, ist reine Profilaxe. Hier wird nicht etwa der Contest Organizer gesteinigt, sondern das Landefeld geräumt.
Dänemark verwöhnt
Auf dem Weg zu einem Hang sieht man plötzlich ein Schild, auf dem „Klif“ steht. Der Hangflieger kann da natürlich nicht einfach so vorbeifahren sondern reagiert reflexartig und setzt zu einem U-Turn an. Piloten haben ein Gespür für Himmelsrichtungen, sodass schnell abgeglichen wird, ob die Stelle für den vorherrschenden Wind passen könnte. Und zack – man findet aus dem Nichts eine Kante, die besser ist als alles, was wir zuhause haben.
Besser als Zuhause ist auch der Wind. Am Ende der Woche nimmt man den Tag mit 8 m/s, um sein „Schwachwind“-Setup zu justieren.
Selbst am Ferienhaus wird noch Alula geflogen. Und gelandet. Aber Piloten sind ja kreativ.