Die Luft, in der wir fliegen

Christian Schwartzbach (Dänemark), übersetzt von Jorgen Korsgaard

Das Wetter, die Atmosphäre, das Luftmeer, die frische Luft, der Wind. Das sind bloß einige Namen des lieben Kindes. Und das liebe Kind ist eine Hülle aus gemischten Gasen, die festgehalten von der Schwerkraft, unsere Erde umhüllt, und von der wir und alle anderen Lebensformen total abhängen. Wir atmen und saugen Sauerstoff zum Erhalt des Lebens ein, wir verbrennen Brennstoff und erzeugen Energie, Wärme und Essen mit ihrer Hilfe, und wir fliegen darin.

Objektiv gesehen ist die Luft eine Mischung von rund 78% Stickstoff und rund 21% Sauerstoff, aber es sind auch kleine Mengen Wasserdampf und noch kleinere Mengen anderer Gase wie Kohlendioxide. Die totale Menge Gas in der Atmosphäre beträgt zirka 5x1018 oder 5 Millionen Milliarden Tonnen. Verteilt über die Oberfläche der Erde sind es zirka 1 kg pro Quadratzentimeter, und das stimmt ja gut überein mit dem Luftdruck von zirka 1 Kilopond pro Quadratzentimeter. Heutzutage benennen die Meteorologen den Druck in Hektopascal (hPa), und damit können wir ganz richtig sagen, dass der Druck der Atmosphäre zirka 1000 hPa ist.

Wir sind damit schon dabei, die Physik der Atmosphäre zu betrachten. Und so wie das Phänomen viele Namen hat, gibt es viele Möglichkeiten, es zu betrachten. Es wird in diesem Zusammenhang nur darauf eingegangen, was den Gebrauch der Luft durch den Modelflieger beeinflusst. Und das ist relativ wenig. Und das wird noch weniger, weil wir nicht die meteorologischen Verhältnisse, die die Bewegungen der Luft über die Erde umfassen, behandeln werden, das heißt Wind, Turbulenz, Thermik und Abwind. Es geht hier nur darum, wie die örtlichen Änderungen des Luftdrucks, der Temperatur und des Wasserdampfinhalts, die wir alle von den Jahreszeitvariationen kennen, unsere Modelle beeinflussen. Von den Wettervorhersagen im Fernsehen wissen wir, dass der Luftdruck sich örtlich unterscheidet. Das ist so, weil die Einwirkung der Sonne auf die Atmosphäre so viele Bewegungen in Gang setzt, dass es keine gleichmäßige Verteilung geben kann. Der Druck variiert und ganz allgemein können wir am Wohnzimmerbarometer beobachten, wie Hochdruck und Tiefdruck auf der Skala von 730 bis 790 mm Quecksilber sich bewegen, oder in den heutigen Einheiten von 970 bis 1050 hPa. Die Temperatur ist die andere wichtige Größe, welche die örtliche Eigenschaften der Atmosphäre bestimmt. Von den Jahresvariationen kennen wir Temperaturen von typisch -30 bis +40 Grad Celsius.

In welcher Weise wirken nun diese Verhältnisse auf unsere Modellflugzeuge, abgesehen von Wind, Turbulenz und Thermikblasen? Wir werden versuchen, dies zu erklären, und zwar ohne Gebrauch von Formeln. Mein alter Brieffreund, der jetzt verstorbene George Xenakis aus den USA, hat ein paar Berichte über das im Großen und Ganzen gleiche Thema verfasst, um die Unterschiede zwischen dem Fliegen an der Meeresoberfläche und in den Höhen der Rocky Mountains zu erklären. Er benutzt Formeln, falls Einige Lust haben. Als Ausgangspunkt für die Darstellung nehmen wir ein gut getrimmtes Freiflugmodell, das im Gleitflug ein stabiles Gleichgewicht einnimmt, also das Gewicht des Modells und der Auftrieb gleich groß sind. Der Auftrieb hängt teils von der Größe der Flügelfläche und teils von der eingestellten Trimmung ab, ist also modellabhängig. Der Auftrieb ist vor allem abhängig von der Geschwindigkeit des Modells im Verhältnis zur umgebenden Luft und deren Dichte, eine Kombination, die der dynamische Druck genannt wird. Es wird als das Produkt der Luftgeschwindigkeit hoch zwei und der Luftdichte berechnet. Aus formalen Gründen, auf die wir hier in dieser formellosen Darstellung nicht weiter eingehen möchten, wird das Produkt auch noch mit ½ multipliziert.

Es wird jetzt angenommen, dass wir mit einem Modell mit fest eingestellter Trimmung an verschiedenen Tagen mit unterschiedlichem Luftdruck und Lufttemperaturen fliegen werden, dann wird dieses Gleichgewicht zwischen Auftrieb und Gewicht des Modells zur Folge haben, dass das Modell mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fliegt. Wenn der Druck hoch und die Temperatur niedrig ist, ist auch die Dichte der Luft groß, und das Modell reagiert darauf mit relativ langsamem Fliegen. Bei umgekehrten Umständen (niederer Luftdruck, hohe Temperatur) fliegt das Modell schneller.

Betrachten wir konkrete Zahlen

Die Eigenschaften der Luft können nämlich einfach berechnet werden, indem man die Luft als ein ideales Gas annimmt und damit die allgemeine Zustandsgleichung für Gase benutzt werden kann. Wir können außerdem noch ein paar andere interessante Eigenschaften, und zwar die Luftfeuchtigkeit und die Viskosität der Luft, in die Berechnungen einbeziehen. Aber zuerst werden wir unseren Ausgangspunkt festlegen, indem wir ein F1A-Modell mit folgenden Daten nehmen:
Flügelfläche = 28 dm2 --- Leitwerk = 4 dm2
Spannweite= 2,20 m --- Gewicht = 410 g​
Das Modell sei für einen Auftriebsbeiwert von 1,1 getrimmt. Wir nehmen auch an, dass die Flügelstreckung 17 und der Widerstandsbeiwert 0,085 beträgt. Ganz sicher ein typisches F1A-Modell. Als weiteren Ausgangspunkt nehmen wir an, dass das Modell in Luft mit einem Druck von 1009 hPa und einer Temperatur von 20 C fliegt. Bei 50% Luftfeuchtigkeit ist mit einer Luftdichte von 1,193 kg/m3 zu rechnen. Jetzt können wir ausrechnen, dass dieses Modell mit einer Geschwindigkeit von 4,37 m/s im Gleichgewicht fliegen wird, und dass seine Sinkgeschwindigkeit 0,33 m/s sein wird. Es hat zu Folge, dass seine „ruhiges Wetter“ Flugzeit 150 sec betragen wird, und das ist wohl ganz realistisch für ein F1A Modell. Wir haben eine Luftfeuchtigkeit von 50% angenommen. Wasserdampf ist ein leichtes Gas, leichter als die Luft, und beeinflusst die Dichte der Luft. Schnelle Mathematik sagt, dass mit 10% und 90% Luftfeuchtigkeit die Dichten 1,198 bzw. 1,189 kg/m3 betragen. Aus 50 m Höhe ist dieser Unterschied ohne Bedeutung und wird hier nicht in den Berechnungen mit einbezogen.

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Die Viskosität der Luft ist viel interessanter. Es ist eine sehr kleine Zahl mit der Einheit Pascalsekunden (Pa*s) und variiert mit der Temperatur der Luft. Normalerweise finden wir die Luft nicht besonders dickflüssig, aber das Modell merkt den Einfluss der Viskosität. Sie wird am Besten mit der Reynoldszahl – genannt nach Osborne Reynolds, der in 1883 die Bedeutung der Zahl für die Wasserströmung in Rohren beschrieb, ausgedrückt. Sie wird als „Re“ abgekürzt und ist dimensionslos. Für ein Modellflugzeug wird die Re-Zahl berechnet durch die Multiplikation der Flügeltiefe (m) mit der Fluggeschwindigkeit (m/s) und der Luftdichte (kg/m3) und dann geteilt durch die Viskosität der Luft (Pa*s). Das Ergebnis liegt etwa bei 40.000. Der deutsche Aerodynamiker F.W. Schmitz veröffentlichte in 1942 sein Buch “Aerodynamik des Flugmodells“ und beschrieb seine Versuche mit Flügelprofilen. Es wurde dargestellt, dass gerade für Reynoldszahlen im Bereich von 20.000 bis 40.000 sich große Veränderungen der Eigenschaften eines Flügelprofils zeigen. Moderne Modellflugzeuge haben dünne, oft sehr spitze Profile, um ober-halb des kritischen Bereichs zu bleiben, und deswegen müssen wir die Reynoldszahlen bei unseren Berechnungen berücksichtigen.

Wir wählen drei verschiedene Luftdrücke und für jeden Luftdruck Temperaturen von plus 30 Grad C bis minus 20 Grad C. Das gibt eine lange Reihe Ergebnisse, die am besten in Diagrammen dargestellt werden. Die drei Druck-werte sind 730, 760 und 790 mmHg. Die linke Achse gibt die Flugzeit aus 50 m Höhe an und es kann beobachtet werden, dass die Flugzeit sehr stark vom Zustand der Luft abhängt. Hohe Flugzeiten ergeben sich bei hoher Luft-dichte, die bei Hochdruck und tiefen Temperaturen vorkommt. Das „ideale“ Flugwetter kann man dann im Winter finden. Unser F1A-Modell fliegt also zwischen 145 und 165 sec, unter der Voraussetzung, dass seine Trimmung nicht beeinflusst wird. Aber das ist kaum wahrscheinlich. Die Re-Zahlen schwanken ganz wesentlich und zwar so viel, dass signifikante Trimmungsänderungen zu erwarten sind. Auch hier finden wir einen Vorteil bei kaltem Hochdruckwetter.

Im vorher erwähnten amerikanischen Fall wurde beobachtet, dass Modelle, die in der Nähe der Meeresoberfläche getrimmt worden waren, oft Probleme oben in den Bergen hatten. Das Gegenteil wurde nicht beobachtet. Aber es ist ja wohlbekannt, dass Freiflieger Sommerwetter und Thermikaktivitäten den Vorzug geben. Die Luft, die Vögel und die Modelle der Konkurrenten zu beobachten und den richtigen Startzeitpunkt zu wählen, ist ein wesentlicher Teil vom Wettbewerbsfliegen.

Deswegen ist dieser kleine Artikel selbstverständlich auch nur eine Orientierung. Aber je mehr wir von den Umständen und Bedingungen wissen, in den unsere Modelle fliegen, desto besser werden unsere Ergebnisse.
Wie man in den Freiflugkreisen sagt: „Thermals“!


Christian Schwartzbach, 70, Diplomingenieur für Strömungsmechanik, Konstrukteur der berühmten CS-Luftschraube und Mitglied der dänischen Siegermannschaft der Klasse F1B bei der WM in Göteborg, Schweden, 1971.


Literatur:
1. F.W. Schmitz: Aerodynamik des Flugmodells, 1941
2. George Xenakis: Density Altitude/Reynolds Number Effect on Models. NFFS Sympo 1993


Mit freundlicher Genehmigung von www.thermiksense.de - 1/2011
 

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